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Die WM geht in die Verlängerung
Ding Liren und Ian Nepomniachtchi müssen in die Verlängerung. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Die WM geht in die Verlängerung

JackRodgers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Fast 90 Züge lang musste Ding Liren gegen Ian Nepomniachtchi um ein Remis kämpfen, aber am Ende hatte er es geschafft. Damit steht es bei der FIDE Weltmeisterschaft nach 14 Partien 7:7 unentschieden und somit wird ein Schnellschach-Playoff entscheiden, wer der 17. Schachweltmeister der Geschichte wird.

Dem Gewinner des Playoffs winken neben dem Titel auch 1.100.000 € Preisgeld.

Das Playoff beginnt am Sonntag, dem 30. April, um 11.00 Uhr.

So könnt Ihr bei der FIDE Weltmeisterschaft 2023 zusehen:
Wir übertragen alle Partien der FIDE Weltmeisterschaft 2023 mit Kommentaren von Steve Berger und interessanten Gästen wie Jan Gustafsson und Fiona Steil-Antoni auf Chess.com/TV, Twitch und YouTube. Die englischsprachige Übertragung findet Ihr auf https://www.youtube.com/@chesscomlive
Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung der 14. Partie:
Kommentatoren: Steve Berger und Sonja Bluhm

Der ehemalige Weltmeister Vladimir Kramnik hat einmal gesagt, dass "Zeit desto kostbarer wird, je weniger man davon hat". Damit hatte er zwar die Bedenkzeit während einer Partie gemeint, aber es traf auch auf die Gesamtsituation bei dieser Weltmeisterschaft zu, denn beide Spieler mussten sich an ihrem Ruhetag überlegen, ob sie in der letzten Partie auf Sieg oder Remis spielen sollten.

Ding stand vor der Partie vor einer schwierigen Entscheidung. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Vor der letzten Partie einer WM war der Spielstand erst 8 Mal ausgeglichen und nur zweimal davon wurde die letzte Partie danach gewonnen. Anatoly Karpov schaffte dieses Kunststück 1978 gegen Victor Korchnoi und Vishy Anand gelang es 2010 gegen Veselin Topalov.

Gut ausgeruht am Brett angekommen nahmen die Spieler ihre Plätze ein und ihr Schicksal lag nun allein in ihren eigenen Händen. Die meisten Fans hatten erwartet, dass wir erneut ein London-System zu sehen bekommen würden und Ding begann die Partie auch mit dem Zug 1.d4. Nach 3 Zügen stand aber dann fest, dass die Nimzo-Indische Verteidigung das Schlachtfeld der Partie sein würde.

Eröffnungsüberraschungen sind ein Markenzeichen dieser WM geworden und daher war es wenig überraschend, dass der Chinese im fünften Zug mit 5.Ld2 nur den sechstbeliebtesten Zug wählte und damit erneut Nepomniachtchis Anpassungsfähigkeit auf die Probe stellte.

Nepomniachtchi musste nach Dings erster Überraschung süffisant lächeln. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Nepomniachtchis Antwort mit Schwarz war größtenteils solide. Eine leichte Ungenauigkeit im 11. Zug hinderte ihn daran, den vollen Ausgleich zu erreichen. Mit einer symmetrischen Bauernstruktur hätte Ding aber selbst die bestmögliche Antwort keinen nennenswerten Vorteil gebracht.

Da jetzt alle Voraussetzungen für ein Remis auf hohem Niveau geschaffen waren, schockierte Ding die Schachwelt mit dem Zug 12.Sg5. Es war ein Zug, der ein Spektakel in Gang setzen würde, das über 100.000 Zuschauer YouTube-Kanal von Chess.com anziehen würde. Ding kommentierte den Zug später mit den Worten: "Ich war nach 12.Sg5 zunächst sehr, sehr optimistisch und aufgeregt, aber dann wurde mir klar, dass ich nach Dc7 in eine andere Strategie wechseln muss. Das war der Wendepunkt der Partie."

Kommentator Fabiano Caruana erklärte, dass die Idee hinter Dings Zug darin bestand, seinen Springer zu opfern, falls er angegriffen wird und gab Einblick in Dings Denkweise: "Ding hat vor seinem geistigen Auge bereits gesehen, wie er durch ein Figurenopfer Weltmeister wird" und "Er spielt klar auf Sieg. Diese Eröffnung ist eine kämpferische Wahl."

Nepomniachtchis Gegenangriff war Weltklasse und er verhinderte schnell jede Chance, dass sich Dings Angriff auszahlt. Sein Zug 13...Dc7 war in der Tat so gut, dass Ding danach über 20 Minuten nachdachte!

Im Playoff wird Ding sicher nicht 20 Minuten über einen Zug nachdenken können. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Die Uhr war einer von Dings schlimmsten Feinden in dieser Weltmeisterschaft und auch in der 14. Partie geriet er auf der Uhr deutlich in Rückstand. Während viele seinem Folgeplan nach dem ehrgeizigen Springerzug skeptisch gegenüberstanden, war Schachlegende Susan Polgar der Meinung, dass "die Stellung kein Problem darstellt" und dass die Bedenkzeit das eigentliche Problem sei.

Nach 20 Minuten hatte sich Ding schließlich für den Rückzug Le2 entschieden. Nach der Partie gab er zu, dass er zu diesem Zeitpunkt sowohl aus seiner Vorbereitung heraus war als sich auch von seinem Angriff verabschiedete. Nepomniachtchi, der die meiste Zeit damit verbracht hatte, selbstbewusst im Spielsaal auf und ab zu gehen, hatte nun einen Zeitvorteil von 30 Minuten.

Blut im Wasser riechend, begann Nepomniachtchi seine Aufgabe, seinen Vorteil zu wahren und Druck aufzubauen, indem er einen Mangel an Koordination im weißen Lager ausnutzte, der ihm freie Hand über die Stellung gab.

Nepomniachtchi ist "keiner, der ungelegte Eier zählt" (seine Worte), aber er hielt seine Gewinnchancen für gut. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Ding spielte weiterhin aktiv, aber später gab er zu, dass ihm hier der Gedanke kam, vielleicht nicht Weltmeister zu werden. Ein Bauernopfer für Aktivität war sein einziger Trost in dieser Stellung und trotz der riskanten Natur des Opfers, kam er dem Remis damit einen Schritt näher.

Obwohl es Ding gelang, den Bauern zurückzugewinnen, stellte Nepomniachtchi weiterhin Fragen an Weiß und schließlich fand sich Ding einem weiteren kritischen Moment wider. Dieser trat auf, nachdem Nepomniachtchi den Zug 29...Sd7 gespielt hatte. Eine etwas ungenaue Antwort von Ding könnte letztendlich seine Rettung gewesen sein, da Nepo darauf schnell mit dem Zug 30...Sxc5 statt mit dem geduldigen Zug 30.g6 antwortete. Obwohl er dachte, dass er nach 30...Sxc5 dem Gewinn sehr nahe war, gab Nepomniachtchi später zu: "Wahrscheinlich hätte ich hier mehr Zeit investieren sollen."

Obwohl er diesen Schrecken überstanden hatte, war Ding noch nicht über dem Berg und musste sich noch einigen weiteren nervenaufreibenden Momenten stellen. Nach seinem Zug 34.Ke2 war er der Niederlage am nächsten, aber was noch mehr herausstach, war die erstaunliche Art und Weise, wie Ding in ein Remis-Endspiel liquidieren konnte.

Hier könnt Ihr herausfinden, ob Ihr es auch geschafft hättet, gegen einen der Besten der Welt ein Remis zu halten:

Weiß am Zug hält Remis:

Nachdem Ding die rettende Kombination gefunden hatte, prophezeite Caruana bereits aufgeregt: "Die Playoffs kommen." Der Fluch des Propheten sollte ihm jedoch zum Verhängnis werden, denn wenn man die Anzahl der Züge nimmt, war die Partie noch nicht einmal zur Hälfte vorbei. Das Endspiel sollte dann 50 weitere Züge dauern und Ding musste mit absoluter Präzision spielen, um es zu halten.

Großmeister Rafael Leitao zeigt uns die letzte klassische Partie der Weltmeisterschaft 2023:

Ein passender Abschluss für den großartigen klassischen Teil dieser WM. Die Partien hatten zwar zugegebenermaßen viele Fehler, aber beide Spieler spielten in jeder Partie auf Sieg, spielten mit Herz und gewannen viele Fans und Sympathien auf der ganzen Welt. Ich finde es schade, dass dies alles jetzt mit einem Duell im Schnellschach zu Ende geht, aber ich denke, es gibt keinen besseren Weg, um einen Gewinner zu ermitteln. Ich möchte beiden Spielern schon jetzt für diese tolle Weltmeisterschaft danken und wünsche beiden viel Glück.

Und für alle, die sich die Partie lieber als Video ansehen, hat "The Big Greek" dieses Video gemacht:

Nach 90 Zügen und sechs Stunden und 32 Minuten Spielzeit wird es faszinierend sein zu sehen, welchen Tribut die zermürbende 14. Partie von den Spielern gefordert hat. Als die Partie gegen 22 Uhr Ortszeit zu Ende war, hatten die Spieler nur 17 Stunden Zeit, sich auf das Playoff vorzubereiten. Beide Spieler sagten, dass sie die Erholung einer Vorbereitung vorziehen würden.

Ian Nepomniachtchi auf dem Weg ins Playoff. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Am Ende der Pressekonferenz wurde ausgelost, dass Ding in der ersten Schnellschachpartie mit Weiß spielen darf. Und hier sind die wichtigsten Regeln für das Playoff:

So wird der neue Weltmeister ermittelt

  • Es werden 4 Partien mit einer Bedenkzeit von 25+10 gespielt. Ding spielt in der ersten Partie mit Weiß.
  • Sollte es danach weiter Unentschieden stehen, folgen 2 Partien mit einer Bedenkzeit von 5+3
  • Sollte es danach weiter Unentschieden stehen, folgen 2 weitere Partien mit einer Bedenkzeit von 5+3
  • Sollte auch danach noch kein Sieger feststehen, spielen die Spieler so lange 3+2 Partien, bis einer der beiden eine Partie gewinnt.

Es steht also fest, dass am Sonntag ein neuer Weltmeister gekürt wird.

Während Ding in der Weltrangliste im Schnellschach hinter Magnus Carlsen den zweiten Platz belegt, ist er im Blitz nicht unter den Top100 der Welt zu finden. Der Chinese verriet auch, dass er auch Online nur sehr wenig Blitz spielt.

Nepomniachtchi hingegen ist sowohl online als auch offline in schnelleren Formaten sehr erfolgreich und aktiv und war schon zweimal Vize-Weltmeister im Schnellschach (2013 und 2015) und einmal Vize-Weltmeister im Blitz (2014).

Das Playoff am Sonntag hat das Potenzial, Schachzuschauerrekorde zu brechen und ist ein Finale, das man sich nicht entgehen lassen sollte. Jeder der beiden Spieler wäre ein verdienter Champion, aber es kann nur einen Gewinner geben. Mit den Worten des ersten offiziellen Weltmeisters Wilhelm Steinitz zu sagen: "Schach ist nichts für Angsthasen".

Wer wird diesen Pokal gewinnen? Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Hier haben wir Euch noch eine Playlist mit YouTube-Videos über die WM zusammengestellt:

Der Spielstand nach den 14 klassischen Partien

Name Elo 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Punkte
Ding Liren 2788 ½ 0 ½ 1 0 1 0 ½ ½ ½ ½ 1 ½ ½ 7
Ian Nepomniachtchi 2795 ½ 1 ½ 0 1 0 1 ½ ½ ½ ½ 0 ½ ½ 7

Die FIDE-Weltmeisterschaft 2023 ist das wichtigste Schach-Event des Jahres und entscheidet, wer der nächste Weltmeister wird. Ian Nepomniachtchi und Ding Liren spielen ein Match, um zu entscheiden, wer Carlsens Thron übernimmt, nachdem der aktuelle Weltmeister seinen Titel niedergelegt hat. Das Match ist mit 2 Millionen Euro dotiert und wird über 14 klassische Partien gespielt. Der erste Spieler, der 7.5 Punkte erzielt, gewinnt.


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