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Nach 3 Remis in Folge läuft Ding die Zeit davon
Ding held comfortably but time is running out. Photo: Aleksandar Dimitrijevic/Chess.com.

Nach 3 Remis in Folge läuft Ding die Zeit davon

JackRodgers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Ding Liren konnte zwar die elfte Partie der FIDE Weltmeisterschaft mit Schwarz gegen Ian Nepomniachtchi problemlos Remis halten, aber so langsam läuft dem Chinesen die Zeit davon, denn ihm bleiben nur noch drei Partien, um den 1-Punk-Rückstand aufzuholen.

Die spanische Eröffnung hätte die Grundlage für eine Schlacht werden sollen, die aber eigentlich nie wirklich stattgefunden hat. In einer Variante, mit der Nepomniachtchi den Chinesen beim Kandidatenturnier 2020 noch besiegt hatte, war Ding diesmal ausreichend vorbereitet und die Partie verpuffte so schnell, wie sie begonnen hatte. Bei einem Spielstand von 6:5 zugunsten von Nepomniachtchi wächst der Druck auf Ding aber immer weiter.

Die zwölfte Partie beginnt am Mittwoch, dem 26. April, um 11.00 Uhr.

So könnt Ihr bei der FIDE Weltmeisterschaft 2023 zusehen:
Wir übertragen alle Partien der FIDE Weltmeisterschaft 2023 mit Kommentaren von Steve Berger und interessanten Gästen wie Jan Gustafsson und Fiona Steil-Antoni auf Chess.com/TV, Twitch und YouTube. Die englischsprachige Übertragung findet Ihr auf https://www.youtube.com/@chesscomlive
Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung der elften Partie:
Kommentatoren: Steve Berger und Fiona Steil-Antoni

Das grandiose St. Regis Hotel im Herzen von Astana und direkt am Ischim-Fluss hat sich bislang als würdiger Schauplatz für den Showdown erwiesen, der den neuen Schachweltmeister ermitteln wird. Am Montag betraten dann die Spieler die Spielhalle in eben diesem Hotel in vertrauter Kleidung. Ding in seinem dunkelblauen Anzug und Nepomniachtchi in seinem grauen Nadelstreifen-Anzug, gepaart mit einem korallfarbenen Hemd.

Obwohl er seinen Aberglauben nicht zugeben möchte, wechselt Nepomniachtchi nach jedem aus seiner Sicht positiven Ergebnis nicht sein Hemd und deshalb trägt er dieses Hemd nun bereits seit der siebten Runde.

Auch wenn die Kleidung im Schach nicht wichtig zu sein scheint, kann sie manchmal ein psychologisch hilfreiches Element für Spieler sein. Foto: Aleksandar Dimitrijevic/Chess.com.

Mit einem Punkt im Rückstand liegend und seit der sechsten Runde ohne Sieg, war es Dings Aufgabe, Nepomniachtchis Verteidigung zu durchdringen. Obwohl der chinesische Großmeister in der 10. Runde mit Weiß nahezu perfekt spielte, erklärte Fabiano Caruana: "Im Moment will Ding keine perfekten Schachpartien. Er will ein Chaos. Er will Blut."

Nepomniachtchis Vorbereitung in den letzten Partien war eines Weltmeisters würdig und seine Fähigkeit, wünschenswerte Stellungen zu erreichen, war für seinen bisherigen Erfolg bei dieser WM von größter Bedeutung. In der 11. Partie war die Rückkehr zur spanischen Eröffnung Dings 1...e5 eine vernünftige Wahl. Nach der Partie würde er sie mit den Worten rechtfertigen: "Ich denke, es ist zu früh, so etwas wie Sizilianisch zu spielen."

Ex-Weltmeister Viswanathan Anand bestätigte auf Twitter, dass sich Ding in der Spanischen Eröffnung wie kein Zweiter zu Hause fühlt.

Nach acht Zügen in der Eröffnung hatte Nepomniachtchi Ding in eine identische Variante wie bei ihrer Partie beim Kandidatenturnier 2020 gezwungen. Eine Variante, von der Ding zugab, dass er an sie "schlechte Erinnerungen" hatte. Damals nahm die Partie aufgrund der riskanten Art und Weise, mit der Nepomniachtchi spielte, um seinen Vorsprung in der Tabelle auszubauen, aber einen völlig anderen Verlauf.

Nepomniachtchi und Ding beim Kandidatenturnier 2020. Foto: Maria Emelianova.

Eine alternative Zugreihenfolge und eine Abweichung von der Partie 2020 im 10. Zug bedeuteten, dass Ding bereit war, sich dieser Variante zu stellen. Im 14. Zug wandten sich die Spieler von allen zuvor gespielten Meisterpartien ab und begannen, mehr Zeit auf der Uhr zu verbrauchen.

15. Sg5 war eine interessante Wahl von Nepomniachtchi. Es war ein Zug, der das erste große Ungleichgewicht in die Partie brachte und "Nepos" Absicht zeigte, auf mehr als nur ein Remis zu spielen. Die Kommentatoren diskutierten sogar schon einen möglichen Bauernsturm am Königsflügel, falls Ding den Zug nicht ernst nehmen sollte.

Nach 12-minütigem Nachdenken spielte Ding den prinzipientreuen Zug 15.c4 und folgte damit der Logik, dass ein Gegenspiel im Zentrum die effektivsten Konter gegen Flankenangriffe sind. Der Weltranglisten-Dritte bemerkte später, dass "Weiß in dieser Eröffnung immer etwas besser steht" und suchte wahrscheinlich bereits hier nach Möglichkeiten, in ein komfortables Endspiel zu liquidieren.

Dings Wunsch wurde schnell erfüllt, denn Nepomniachtchi hatte sich entschieden, eine Reihe von Abtäuschen vorzunehmen. Obwohl Weiß in dieser Phase der Partie technisch gesehen einen Bauern gewann, reduzierten gleich 4 Bauern auf der e-Line die Engine-Bewertung auf Gleichstand und die Geschwindigkeit der Züge der Spieler war ein fast schon sicheres Anzeichen für ein Remis.

Nach dem Zug 24...Txb2 waren dann alle Merkmale eines Remis vorhanden.

Bei einem Endspiel mit Turm und drei Bauern gegen Turm und drei Bauern wäre nach einem Bauernverlust von Schwarz die Initiative von Weiß für einen durchschnittlichen Vereinsspieler besorgniserregend gewesen. Ding erzwang jedoch geschickt eine Zugwiederholung und hielt damit Siegbert Tarraschs Mantra "Alle Turmendspiele sind Remis" am Leben.

Alle Turmendspiele sind Remis. Foto: Aleksandar Dimitrijevic/Chess.com.

Großmeister Rafael Leitao hat diese Partie für uns analysiert

Bei nur noch wenigen verbleibenden Runden und einem Punkt Rückstand glaubten viele, dass Ding eine dynamischere und riskantere Verteidigung wie zum Beispiel Sizilianisch spielen würde, aber er beschloss, noch keine Brücken hinter sich abzubrechen.

Und "The Big Greek" hat ein Video über die Partie veröffentlicht:

In den letzten zehn Jahren der Weltmeisterschaften beinhaltete die Strategie des Führenden oft die Absicht, trocken und solide zu spielen, nachdem er in Führung gegangen war. Nepomniachtchis Strategie in dieser Partie war aber ganz anders.

"Es war heute absolut nicht mein Ziel, ein Remis zu erzwingen. Es hat sich einfach so ergeben, nachdem wir alle Figuren abgetauscht hatten", waren Nepomniachtchis Worte bei der Pressekonferenz. Ein Zeichen dafür, dass er die Dinge gerne schon vor der 14. Partie klären möchte.

In Dings Lager hat das Selbstvertrauen aber nicht nachgelassen. Er sagte, dass sich das Blatt noch jederzeit wenden kann und verwies auf sein Comeback beim Kandidatenturnier: "Es sind noch drei Partien zu spielen. Beim Kandidatenturnier habe ich erst in der letzten Partie gewonnen. Es kann also noch viel passieren."

Ding Liren. Foto: Aleksandar Dimitrijevic/Chess.com.

Was viele über Nepomniachtchi nicht wissen, ist, dass er einst ein professioneller DotA-Spieler war (DotA oder Defense of the Ancients ist ein Online-Multiplayer-Spiel, das weltweit gespielt wird) und er wurde gefragt, ob er es immer noch tut oder ob er wenigstens noch Zeit hat, den E-Sport zu verfolgen.

Mit einem leichten Lächeln, seinem ersten auf der heutigen Pressekonferenz, antwortete Nepomniachtchi: "Zumindest hier habe ich keine Zeit dafür." Am morgigen Ruhetag wird Nepomniachtchi seine Zeit also mit der Vorbereitung auf die nächsten beiden Partien verbringen.

Ian Nepomniachtchi. Foto: Aleksandar Dimitrijevic/Chess.com.

In der 12. Partie der FIDE-Weltmeisterschaft wird Ding wahrscheinlich alles versuchen, um mit Weiß zu gewinnen und damit den Spielstand wieder auszugleichen. Sollte er mit diesem Versuch scheitern, ist Nepomniachtchi seinem Traum vom Gewinn der Weltmeisterschaft einen großen Schritt nähergekommen.

Jetzt können wir uns alle aber einen Tag ausruhen, um am Mittwoch ab 11 Uhr wieder mit voller Kraft mitfiebern zu können.

Hier haben wir Euch noch eine Playlist mit YouTube-Videos über die WM zusammengestellt.

Der Spielstand nach 11 von maximal 14 Partien

Name Elo 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 Punkte
Ding Liren 2788 ½ 0 ½ 1 0 1 0 ½ ½ ½ ½ . . . 5
Ian Nepomniachtchi 2795 ½ 1 ½ 0 1 0 1 ½ ½ ½ ½ . . . 6

Die FIDE-Weltmeisterschaft 2023 ist das wichtigste Schach-Event des Jahres und entscheidet, wer der nächste Weltmeister wird. Ian Nepomniachtchi und Ding Liren spielen ein Match, um zu entscheiden, wer Carlsens Thron übernimmt, nachdem der aktuelle Weltmeister seinen Titel niedergelegt hat. Das Match ist mit 2 Millionen Euro dotiert und wird über 14 klassische Partien gespielt. Der erste Spieler, der 7.5 Punkte erzielt, gewinnt.


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