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Der FIDE Weltcup 2023 wird im Tiebreak entschieden
Fabiano Caruana konnte im "Spiel um Platz 3" einen Tiebreak erzwingen. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Der FIDE Weltcup 2023 wird im Tiebreak entschieden

beccrajoy
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Die letzten beiden klassischen Partien des FIDE Weltcup 2023 hätten nicht unterschiedlicher sein können. Im Finale zwischen Magnus Carlsen und Praggnanandhaa Rameshbabu zeichnete sich das Remis bereits nach 5 Zügen ab, während das Spiel um Platz 3 zwischen Fabiano Caruana und Nijat Abasov ein wilder Kampf war, den Caruana mit Weiß gewinnen konnte.

Somit wird sowohl der Gewinner des Weltcups als auch der dritte Platz im Stechen ermittelt und das beginnt am Donnerstag, dem 24. August, um 12:00 Uhr.

  So könnt Ihr zusehen:
Wir übertragen das komplette Finale auf den deutschsprachigen Chess24-Kanälen auf Twitch und Youtube, mit fachmännischen Kommentaren von Großmeister Ilja Zaragatski und IM Georgios Souleidis, alias "The Big Greek".
Alle Partien des gesamten Turniers findet Ihr auf unseren Eventseiten für das Open und die Damen. Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung vom Mittwoch.
Kommentator: The Big Greek

Es findet kein Interview statt, in dem die Müdigkeit der Spieler, die bisher beim Weltcup insgesamt 94 Partien gespielt haben, nicht thematisiert wird. Und jetzt geht das Turnier sogar in die Verlängerung, denn beide Ergebnisse vom Mittwoch führten dazu, dass am Donnerstag noch Tiebreaks gespielt werden müssen.

Praggnanandhaa with his head on the table
Noch ein Tag. Foto: Stev Bonhage/FIDE.

Caruana-Abasov

In einer Situation, in der es unbedingt zu gewinnen galt, führte der Weltranglistendritte seinen Gegner in Tals "tiefen, dunklen Wald" und der Weg nach draußen war tatsächlich nur breit genug für einen – obwohl es zeitweise so aussah, als könnte Abasov eine Festung dagegen errichten und verhindern, dass einer der Spieler den metaphorischen Wald verlässt.

In der ersten Partie hatte der Lokalmatador gegen einen erschöpften Caruana seine bisher so erfolgreiche Eröffnung geändert und damit Erfolg gehabt. Caruana lobte später das Spiel seines Gegners und bezeichnete sein eigenes Spiel als Schande. Die Anwendung der gleichen Taktik ist aber selbst gegen einen müden Gegner riskant und Caruana hatte Abasovs Eröffnungswechsel in der zweiten Partie mit den schwarzen Figuren richtig vorausgeahnt und mit 6.Lf4 selbst eine Überraschung vorbereitet.

Der Supergroßmeister hoffte, die Partie durch die lange Rochade, die er selbst als "sehr selten" bezeichnete, noch weiter in für seinen Gegner unbekanntes Terrain führen zu können. Das Ergebnis war eine wilde Stellung, die er für beide Seiten als gefährlich ansah, da der weiße Springer in das schwarze Lager einfiel, während der Schutzwall vor dem weißen König zerstört wurde.

Es war klar, dass Caruana seine Hausaufgaben besser gemacht hatte als Abasov und der Aserbaidschaner, der normalerweise sehr schnell spielt, verbrannte seine Zeit, während die Uhr seines Gegners überhaupt nicht zu ticken schien und als Abasov dann tatsächlich einmal schnell zog, war es prompt ein Fehler. Caruana wusste, dass 11...De7 nicht die beste Option seines Gegners war, betonte aber, dass es in dieser Stellung nur wenige anständige Züge gegeben hatte.

In seinem Interview nach der Partie teilte Caruana mit, dass er einer U14-Damenpartie folgte, die vor einigen Jahren gespielt wurde und bei der Weiß eine nahezu perfekte Partie gelungen war. Offenbar bezog er sich auf eine Partie der Australierin Sally Yu bei der U14-WM der Juniorinnen im Jahr 2007, bei der sie sogar zufällig an Nummer 69 gesetzt gewesen war (also auf dem gleichen Platz, wie Caruanas heutiger Gegner).

Vor 15 Jahren zog Yus Gegnerin ihre Dame nach e7 zurück, aber heute spielte Schwarz einen Zug, der zwei Züge zuvor gut gewesen wäre, sich aber im 13. Zug als mangelhaft erwies.

Außerhalb seiner Vorbereitung, aber mit einer klar besseren Stellung, dachte Caruana erstmals in dieser Partie nach und nach 20 Minuten hatte er den richtigen Weg gefunden, indem er die Qualität mitnahm und auf ein gewonnenes Endspiel zusteuerte. Abasov schien sich am Brett unwohl zu fühlen, wurde aber wieder munter, als sein Gegner im 20. Zug ins Stocken geriet.

Später erkannte Caruana, dass sein Zug 20.Lb5 ungenau war, aber zu diesem Zeitpunkt hatte er das Gefühl, dass die Alternativen zu kompliziert seien, um sie herauszufinden. Obwohl die Bewertung der Engine klar zu Gunsten von Weiß ausfiel, war dies für die Fans des Amerikaners kein Trost und es waren bereits Gerüchte von Festungen die Runde und zwischenzeitlich sah es wirklich so aus, als ob der Supergroßmeister möglicherweise nicht in der Lage sein würde, Abasovs Verteidigung zu durchbrechen.

Caruana selbst war darüber aber nicht besonders besorgt, da er das Gefühl hatte, dass er die ganze Zeit über gute Gewinnchancen hatte. Er führte dies auf den Bauern seines Gegners auf g5 zurück, der seiner Meinung nach eine Schwäche darstellte, die er angreifen konnte. Nachdem dann sein König das Feld f2 erreicht hatte, konnte er einem Plan folgen, der dem ähnelte, was Leko zuvor in einer ähnlichen Stellung gefunden hatte.

Leko showing a variation similar to what occurred in the game.
Leko fand eine ähnliche Königswanderung.

Im weiteren Verlauf der Partie hatten die Kommentatoren reichlich Zeit, ihre eigenen Geschichten über lange Partien und die Verteidigung schwieriger Endspiele zu erzählen. Leko enthüllte auch die rührende Bedeutung des Samuraischwerts, das in den Sendungen ein fester Bestandteil seines Hintergrunds war.

Obwohl es so aussah, als würde Weiß nur seine Figuren auf dem Brett umherziehen, war das nicht der Fall und es war wahrscheinlich ein Schock für Abasov, als ihm klar wurde, dass er nach seinem 55. Zug in Schwierigkeiten geraten könnte.

Die Enginebewertung hatte sich im Vergleich zu den vorherigen Zügen zwar nicht verändert, es gab jedoch einen entscheidenden Unterschied: Während dem 28-Jährigen zuvor mehrere Züge zur Verfügung standen, um die Bewertung stabil zu halten, gab es in der Stellung, vor der er stand, nur einen Zug, der "Bernd den Bewertungsbalken" nicht zu Gunsten von Weiß in die Höhe schnellen ließ.

Caruana standing in front of the digital boards after his 55th move
Der kritische Moment. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Erschöpft von dem langen Endspiel, das selbst für diejenigen mit Engineunterstützung komplex war, dachte der Lokalmatador 11 Minuten lang nach, konnte aber den Zug 55...Tc1, der ihn gerettet hätte, nicht finden. Danach erstickte Caruana schnell jegliche verbleibende Hoffnung und wenige Züge später gab sich Abasov geschlagen.

Großmeister Rafael Leitao erklärt uns diesen komplexen Kampf.

The Big Greek hat sich diese Partie ebenfalls ganz genau angesehen und für uns analysiert:

Abasov hat in Stichkämpfen bereits positive Erfahrungen gesammelt und auf seinem Weg zu diesem Spiel um Platz 3 bereits Laurent Fressinet, Anish Giri und Peter Svidler ausgeschaltet. Caruana hingegen wird nach seiner Niederlage gegen Praggnanandhaa vor zwei Tagen keine guten Erinnerungen an Tiebreaks haben. Den an Nummer 3 gesetzten Spieler erwartet morgen ein weiterer harter Tiebreak und er plant, sich zur Vorbereitung darauf hauptsächlich auszuruhen, aber wir werden sehen, ob er nicht doch die ein oder andere Eröffnungsüberraschung aus dem Hut zaubert.

Abasov with his face in his hands
Abasov muss noch eine Extraschicht einlegen. Foto: Stev Bonhage/FIDE.

Carlsen-Praggnanandhaa

Praggnanandhaa hatte in der zweiten klassischen Partie mit einem schweren Kampf gerechnet, aber der gesundheitlich weiterhin angeschlagene Carlsen entschied sich für etwas, was er "einen weiteren Ruhetag" bezeichnete. Die Partie dauerte nämlich nicht einmal eine Stunde.

Der ehemalige Weltmeister entschied sich mit Weiß für das Vier-Springer-Spiel, was zwar an sich eine Überraschung war, aber da dies die letzte Überraschung der Partie blieb, war ein Remis das logische Ergebnis.

Praggnanandhaa entschied sich aber nicht direkt für das Remis, sondern forderte Carlsen durch seinen Zug 9...De6 statt 9...De7 auf, ein Ungleichgewicht in Form einer asymmetrischen Bauernstruktur zu schaffen. Der Norweger dachte zwar eine Weile nach, machte aber mit 10.Lf4 seine Remisabsichten deutlich und dann dachte Praggnanandhaa 15 Minuten lang nach.

Wenn einer der beiden Spieler von Anfang an ein Remis anstrebt, ist es für den anderen nie einfach, denn eine zu frühe Entspannung kann zu Flüchtigkeitsfehlern führen und plötzlich findet man sich in einer miserablen Stellung wieder. In diesem Fall ließen sich aber beide Kontrahenten genügend Zeit, um sicherzustellen, dass sie ihrem Gegner keinen noch so kleinen Vorteil verschafften, der ihn zum Weiterspielen ermutigen könnte.

Carlsen zeigte sogar in einer Partie, in der er nur ein Remis erzielen wollte, seine klinische Präzision: Als Praggnanandhaas Läufer die weißen Bauern beäugten, spielte Carlsen den Zug 15.Thd1. Dabei hatte Leko genau diesen Zug nur wenige Sekunden zuvor als sehr schlau, aber eher "computermäßig als menschlich" bezeichnet.

Als Reaktion darauf ging das indische Phänomen auf Nummer sicher und es dauerte nicht mehr lange, bis sich die Spieler auf ein Remis, welches das Match in den Tiebreak führen würde, einigten. Beide Spieler werden sich über die zusätzliche Pause freuen – Praggnanandhaa ist zwar jünger und leidet nicht an einer Lebensmittelvergiftung, aber er musste bei diesem Weltcup schon insgesamt 28 Partien und drei schwierige Tiebreaks (gegen Hikaru Nakamura, Arjun Erigaisi und Caruana) und damit 9 Partien mehr als Carlsen absolvieren.

Wenn der Weltranglistenerste morgen in voller Stärke zurückkehren sollte, rechnet er mit Siegchancen, erkennt aber an, dass Praggnanandhaa kein einfacher Gegner ist. Die beiden sind noch nie in Schnellschach- oder Blitzpartien am Brett aufeinandergetroffen, aber online haben sie bei Veranstaltungen wie der Champions Chess Tour schon gegeneinander gespielt.

Praggnanandhaa at the board
Praggnanandhaa. Foto: Stev Bonhage/FIDE.

Derzeit führt Carlsen den direkten Vergleich bei kurzen Bedenkzeiten mit sieben Siegen und drei Niederlagen (bei 5 Remis) an und geht nicht nur deshalb als Favorit in das Stechen. Praggnanandhaa hat aber bereits sein Können in der kurzen Bedenkzeit unter Beweis gestellt, indem er den blitzschnellen Nakamura besiegte und im Online-Blitz führt der den direkten Vergleich mit Carlsen sogar mit 2:1 an.

Auch wenn das Public Viewing des Finales in Indien nicht ausverkauft war, werden sich nur wenige Fans darüber beschweren, mehr Schach von den beiden Superstars sehen zu können. Besonders, weil es bei kurzen Bedenkzeiten ja oft zu Chaos und spannendem Schach kommt. Stellt also sicher, dass Ihr den letzten Akt des Finales nicht verpasst.

The trophy for the 2023 FIDE World Cup
Der Siegerpokal. Foto: Stev Bonhage/FIDE.

Der FIDE Weltcup 2023 ist ein K.-o.-Turnier im Matchformat. Jedes Match besteht aus zwei klassischen Partien und sollte es danach Unentschieden stehen, entscheidet ein Schnellschach-Tiebreak über das Weiterkommen. Der Damen-Weltcup lief bis zum 21. August und das Open läuft bis zum 24. August. Insgesamt gibt es in Baku 2.5 Millionen US-Dollar zu gewinnen.


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