Weltcup Halbfinale: Hätte So gewinnen können?
Am ersten Halbfinaltag des FIDE World Cup's endeten beide Partien mit einem Remis. Levon Aronian und Maxime Vachier-Lagrave teilten sich den Punkt relativ schnell nach einer sehr theoretischen Variante in der Grünfeld Verteidigung. Wesley So hingegen setzte Ding Liren in einer Italienischen Partie gehörig unter Druck, aber kurz nach der Zeitkontrolle fand der Chinese eine Zugwiederholung.
Wesley So verlässt den Turniersaal, nachdem er in einer guten Stellung ein Remis akzeptieren musste. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
Es sind nur noch 4 Spieler im Turnier und jetzt starten die wichtigsten Partien überhaupt. Im Halbfinale geht es ja um die beiden Startplätze für das Kandidatenturnier, welches im März 2018 in Berlin stattfindet.
In Halbfinale werden letztmals nur 2 klassische Partien gespielt, bevor ein Tiebreak über den Finaleinzug entscheidet. Im Finale werden wir dann 4 klassische Partien sehen. Die 4 Großmeister aus den USA, Armenien, Frankreich und China sind also vor deren wichtigsten Partien des Jahres einem enormen Druck ausgesetzt.
World Cup 2017 | Ergebnisse Halbfinale
Land | Spieler | Land | Spieler | Klassisch | Schnellschach | Blitz | Gesamt |
Aronian (2802) | Vachier-Lagrave (2804) | ½-½ | ½-½ | ||||
So (2792) | Ding Liren (2771) | ½-½ | ½-½ |
Nicht die Ergebnisse, aber die Art und Weise wie sie zustande kamen, ist wahrscheinlich auch dem Druck geschuldet, dem die Spieler jetzt ausgesetzt sind. Denn beide Partie liesen einige Fragen offen.
Beginnen wir mit der Partie Levon Aronian gegen Maxime Vachier-Lagrave. Viele werden sich fragen, warum Aronian diese theoretische Variante gewählt hat, die doch so ausgiebig analysiert, und als Remisvariante bekannt ist. Andere fragen sich, warum die Neuerung im 24. Zug einen Bauern verloren hat.
Aronian hat heute ganz klar 2 Züge seiner Vorbereitung verwechselt. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
Es war die berühmte 8.Tb1 Variante im Grünfeld, über die wir hier sprechen. Sie wurde erstmals 1975 gespielt aber erst ab dem Jahr 1990 fand sie auf Großmeisterlevel Anwendung. Boris Gelfand war einer der ersten Großmeister, der diese Variante mit Weiß aufs Brett brachte, während Vassily Ivanchuk und Gata Kamsky sie erfolgreicht mit den schwarzen Figuren spielten.
Seitdem ist viel Zeit vergangen und die Theorie dieser Variante füllt ganze Bücher. Diese Variante ist einer der Eckpfleiler der Schachtheorie und nur noch wenige Spieler zeigen ein Interesse daran, sie mit Weiß zu spielen, denn in allen Varianten und Möglichkeiten steht Schwarz einfach OK.
Einer der TopSpieler, der das erst neulich wieder unter Beweis stellte, ist Peter Svidler, der ja bei diesem Weltcup erst im Viertelfinale gegen MVL die Segel streichen musste, und sich noch in Tiflis aufhält. Wenn man sich die Datenbanken nach dem 18. Zug ansieht, könnte man diese Variante durchaus die "Peter Svidler Variante" nennen.
Svidler war übrigends auch in einem unterhaltsamen Twitter Chat während der Partie involviert.
Lawrence Trent: Meiner Meinung nach mogelt sich Aronian ein wenig durch mit 25.Dc3. Seht Euch aber trotzdem die Videoserie von Peter Svidler über die Grünfeld Eröffnung an, in der dieser Zug genau analysiert wird.
Peter Svidler: Ja, 25 Züge theorie und dann mit 1.29 auf der Uhr einen Bauern einzustellen ist ganz klar "durchmogeln".
Lawrence Trent: Ok, ernst. Was hätte er nach Lc5 ziehen sollen? Ich habs vergessen.
Lawrence Trent: Was MVL gespielt hat sieht doch absolut gut aus. Ich verstehe diese Neuerung von Levon überhaupt nicht.
Peter Svidler: Ich habe ja nicht behauptet, dass dieser Zug meine Variante widerlegt, und er tut es auch nicht. Aber die Bedenkzeit lässt schon auf eine vorbereitete Variante schließen.
Peter Svidler: Lev blufft auch ab und zu mal, aber wenn das hier der Fall ist, dann ist es ein seltsamer Bluff.
Lawrence Trent: Ist das einer der Momente in der ich meinen eigenen Tweet re-tweeten kann?
Peter Svidler: Es scheint als hättest Du recht gehabt - was noch seltsamer ist, als das was Lev gemacht hat. So geht alles zu Ende, das sage ich dir.
Lawrence Trent: Ich drucke mir diesen Tweet aus und rahme ihn mir ein! Ehrlich wahr. Ich häng ihn mir über mein Bett und streichle ihn jeden Morgen. Meine Frau wird vielleicht sauer sein, aber wen interessierts
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Vachier-Lagrave sagte über die Eröffnung: "Ich kannte die größten Teile dieser Eröffnung aber als Levon 24.Tbc1 spielte war ich überrascht denn es scheint einfach einen Bauern zu verlieren. Ich weiß nicht ob er da etwas verwechselt oder etwas vergessen hat. Ich konnte den Bauern einfach schlagen. Die große Frage aber war: Stehe ich danach auch besser?"
Aronian konnte von MVL's Eröffnung aber nicht überrascht gewesen sein, denn ist die die am meisten gespielte Eröffnung des Franzosen und wenn man 8. Tb1 spielt, dann ist der Rest der Partie praktisch die Hauptvariante. Einfach einen Bauern einzustellen kann nur am Druck, dem alle Spieler bei diesem Turnier ausgesetzt sind, liegen.
"Danach habe ich vielleicht ein wenig zu konservativ weitergespielt," sagte Vachier-Lagrave. "Ich meine, ich hatte natürlich ein leichtes Remis, aber ich hätte ihn ja auch zum Beispiel mit 25...Lc5 statt 25...Db4 unter Druck setzten können. Es war aber ziemlich seltsam einfach so einen Bauern zu gewinnen und die Partie ist danach trotzdem noch ausgeglichen. Es war aber auf jeden Fall eine seltsame Partie."
MVL: "Es war eine seltsame Partie." | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
Nastja Karlovich von der FIDE sagte, dass Aronian zugegeben hat, dass ihm im 24. Zug einfach ein Fehler unterlaufen sei. MVL: "Zuerst dachte ich noch, es seie eine Art Vorbereitung, aber dann, nach 25.Dc3, und er spielte ja alle Züge ohne nachzudenken, habe ich gemerkt, dass es einfach keine vorbereitete Variante sein konnte. Er hat aber mit seinem Gefühl wohl recht, dass die Partie immer noch in einem Remisbereich war."
Aronian gegen MVL: Eine Partie zwischen zwei Freunden. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
In der zweiten Partie des Tages hatte man den Eindruck, dass Wesley So vielleicht gegen Ding Liren gewonnen hätte, wenn es eine normale Turnierpartie gewesen—an einem normalen Tag, an den niemand an das Kandidatenturnier oder die Weltmeisterschaft gedacht hätte.
"Ich glaube, ich hab ihn die meiste Zeit unter Druck gesetzt," sagte So, der übrigends dachte, dass MVL heute ebenfalls Weiß hätte, und deshalb zwei italienische Partien erwartet hatte!
Eine italienische Partie bei So gegen Ding, aber nicht am anderen Brett. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
"Er bot mir im 14. Zug ein Remis an, aber ich wollte noch einige Züge weiterspielen. Dann hatte ich diese Idee mit 18.Db5 und er schlug meine Dame. Vielleicht hätte er das nicht machen sollen."
Wie So erklärte, führte die neue Bauernstruktur von Weiß zu einer angenehmen Stellung, denn er hatte einen Raumvorteil und einen Wahnsinns-Springer auf d5.
"Aber dann hat er einfach 32...f6 gezogen und seinen König auf d7 platziert, womit er seine Damenbauern verteidigen konnte, was eine weise Entscheidung war, denn sein a4 Bauer war etwas überfordert," erklärte So. Er hatte einige raffinierte Ideen (Kd2-c3 und dann irgendwie Ta1 und b4, oder die Türme auf der a-Linie zu verdoppeln) aber er konnte sie nicht umsetzen.
"Die ganzen Taktiken funktionieren für ihn und ich hatte keine Möglichkeit die Stellung zu verstärken."
So hatte sich das Qualitätsopfer, dass im 40. Zug möglich gewesen war, angesehen, aber er dachte nur 3 Minuten darüber nach. "Das Problem ist, dass ich keine Zeit für Tg7 habe, denn er hat das Gegenspiel auf der zweiten Reihe mit Th2/Ta2. Ich müsste meinen König auf c3 ziehen, damit er kein Gegenspiel hat, aber dann verteidigt er seine siebte Reihe mit Th7 und verliert den f- und den b-Bauern. Dann habe ich zwar 2 Bauern für die Qualität, aber ich glaube nicht dass Weiß dann noch weiterkommt, denn einer der Mehrbauern ist ein Doppelbauer auf der b-Linie. Wenn ich keinen Doppelbauern hätte, wäre es eine gute Chance gewesen."
Hätte Wesley So heute gewinnen können? | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.
So räumte ein, dass er mit dem Zug g4-g5 noch etwas warten hätte können, was auch der Kommenator GM Evgeny Miroshnichenko empfohlen hatte. Alles in allem sollte der amerikanische Großmeister aber nicht zu lange über diese Partie nachdenken, denn je länger er darüber nachdenkte, desto größer ist die Chance, dass er doch noch einen Gewinn findet...
In der Zwischenzeit bereut Ding wahrscheinlich, dass er die Damen getauscht, und die weißen Chancen nach dem Tausch unterschätzt hat, obwohl er danach stark weiterspielte. Sein "Rubinstein Manöver" Dd8-b8-a7 war aber auf jeden Fall eine sehenswerte Idee—und eine tolle Erinnerung an den klassiker Janowsky-Rubinstein, Karlsbad 1907.
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Der Weltcup findet vom 3. bis zum 27. September in der georgischen Hauptstadt Tiflis statt. Jede Runde besteht aus 2 klassischen Partien (nur im Finale sind es 4) und danach folgt, je nach Bedarf, ein Tiebreak im Schnell- und Blitzschach. Das Preisgeld bei diesem Turnier beträgt $1.600.000 und der Sieger bekommt mit $120.000 den Löwenanteil davon. Zusätzlich qualifizieren sich die beiden Finalisten für das Kandidatenturnier 2018.
Chess.com überträgt alle Partien des Weltcups live auf Chess.com/Live. Außerdem könnt ihr Live Kommentare der besten Kommentatoren der Welt, der Chessbrahs, also GM Eric Hansen, GM Robin van Kampen, GM Yasser Seirawan und IM Aman Hambleton auf Chess.com/TV sehen.
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