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Tata Steel Runde 6: Wesely So gewinnt gegen Vincent Keymer
Wesley So war nach seinem Sieg über Keymer bester Laune. Foto: Lennart Ootes/Tata Steel Chess Tournament 2023.

Tata Steel Runde 6: Wesely So gewinnt gegen Vincent Keymer

NM_Vanessa
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Die großen Sieger der sechsten Runde des Tata Steel Turniers sind Fabiano Caruana und Wesley So. Caruana konnte seinen Rückstand auf den führenden Nodirbek Abdusattorov, der gegen Praggnanandhaa R nicht über ein Remis hinauskam, durch seinen Sieg über Gukesh D. auf einen halben Punkt verkürzen und der bisher ungeschlagene aber auch sieglose Wesley So hat sich durch seinen Sieg über Vincent Keymer ebenfalls weit in die obere Tabellenhälfte gespielt.

Im Challenger Turnier hat Alexander Donchenko gegen Eline Roebers gewonnen und ist mit dem in Führung liegenden Mustafa Yilmaz gleichgezogen.

So könnt Ihr zusehen:
Wir übertragen alle 13 Runden des Turniers live und in voller Länge auf Chess.com/TV. Die Übertragung mit Kommentaren von IM Steve Berger findet Ihr aber auch auf Twitch und unserem deutschen YouTube-Kanal. Die englischsprachige Übertragung könnt Ihr Euch auf YouTube.com/ChesscomLive ansehen und alle Partien findet Ihr wie immer auf unserer Event-Seite.

Hier ist die Aufzeichnung der Übertragung der 6. Runde:

Caruana traf in der sechsten Runde auf einen Spieler, der nur halb so alt ist wie er und während dies bereits Caruanas 13. Auftritt in Wijk aan Zee ist, ist Gukesh zum ersten Mal an den holländischen Küstenort gereist. Die beiden haben aber schon eine gemeinsame Vergangenheit, denn Gukesh konnte Caruana bei der Olympiade 2022 eine überraschende Niederlage beibringen, wodurch natürlich eine Menge Brisanz in diesem Duell war.

Gegen die Ragozin-Verteidigung gewann Caruana das Läuferpaar und verzichtete - obwohl das Zentrum relativ früh geöffnet wurde - auf die Rochade. Das Läuferpaars des Amerikaners war aber so stark, dass dies kein großes Problem darstellte und nachdem er einen cleveren Weg gefunden hatte, um in ein Endspiel abzutauschen, war es um das indische Wunderkind geschehen. 

Großmeister Rafael Leitao hat sich den "Kampf der Generationen" genauer angesehen und kommentiert ihn für uns. 

GM Rafael Leitao GotD

Nach der Partie teilte Caruana sein Gefühl mit, dass sein Gegner etwas frühzeitig aufgegeben hat: "Ich war überrascht, dass er in der Endstellung aufgegeben hat, obwohl Weiß komplett auf Gewinn steht. Trotzdem dachte ich, er würde noch ein paar Züge weiterspielen. Er kann f5 spielen, versuchen e4 zu bekommen, versuchen den Springer zu aktivieren und darauf hoffen, dass ich in Zeitnot einen Fehler mache. Weiß hat natürlich einen sehr sicheren und großen Vorteil, aber ich glaube, irgendwie hatte er die Partie mental bereits abgehakt."

Durch diesen Sieg ist Caruana in der Live-Weltrangliste wieder in die Top 5 aufgestiegen. Sein Live-Rating ist jetzt 2773 und damit hat er Giri um einen halben Punkt überholt. 

Richard Rapport, der rumänische Großmeister der für seine Kreativität bekannt ist, traf in der sechsten Runde auf den Iraner Parham Maghsoodloo, der eine Vorliebe für Kampfschach zeigt. Maghsoodloo sagte in seinem Interview nach der fünften Runde: "Ich spiele gerne gegen Spieler mit Jordens [Van Foreest] Stil. Sie sind so aggressiv und sie wollen eine Kampfstellung spielen. Ich hoffe, dass ich noch mehr Kampfpartien bekommen werde und ich hoffe, dass diese dann nicht mit einem Remis enden."

I hope to play more fighting games.

-Parham Maghsoodloo

Rapport gelang es schon früh, die schwarze Bauernstruktur zu beschädigen, aber im Mittelspiel realisierte Maghsoodloo den klassischen sizilianischen Centerbreak 19...d5, was zu einem Abtausch aller Türme auf der offenen d-Linie führte.

Während Rapport dann die bessere Bauernstruktur hatte, konnte Maghsoodloo mit seinen Leichtfiguren auf beiden Seiten des Bretts Druck ausüben. Nachdem sich beide Spieler erfolgreich darauf konzentriert hatten, die Stärken ihres Gegners zu neutralisieren, erreichten die beiden ein ausgeglichenes Leichtfiguren-Endspiel, dass dann doch Remis endete. 

Rapport ist nicht nur auf dem Schachbrett, sondern auch bei der Wahl seiner T-Shirts kreativ. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess Tournament 2023.

Der in den letzten beiden Runden schwer gebeutelte Titelverteidiger Magnus Carlsen musste heute gegen Jorden van Foreest, den Sieger von 2021, antreten. Nach einem frühen Damentausch hatte Carlsen eines jener subtilen, aber reichhaltigen Endspiele erreicht, in denen er sich so wohlfühlt und mit wenig Risiko pressen kann. Obwohl der Weltmeister sich tapfer um ein entscheidendes Ergebnis bemühte, verteidigte sein 23-jähriger Kontrahent geschickt und Kommentator Naroditsky bemerkte: "Jorden will nicht aus einer schlechten Stellung heraus remisieren. Er will aus einer starken Stellung heraus remisieren."

He wants to draw from a position of strength.

-Daniel Naroditsky

Die beiden jüngsten Champions des Tata Steel Turniers treten gegeneinander an. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess Tournament 2023

Anish Giri und Arjun Erigaisi spielten eine der wildesten Partien dieser Runde. Dies war zwar ihre erste Begegnung im klassischen Schach, aber im Schnellschach führt Erigaisi den direkten Vergleich mit 2:0 an. In einer halbslawischen Eröffnung rochierten die Spieler auf gegenüberliegende Seiten und Giri begann, die Bauerndeckung des indischen Großmeisters am Damenflügel aufzureißen.

Doch selbst als die niederländische Nummer eins seinen letzten Bauern am Damenflügel geopfert und damit die a-Linie geöffnet hatte, umspielte Erigaisi, wie schon in seiner gestrigen Partie, alle Landminen, die sein Gegner auf dem gesamten Brett platziert hatte, mit ungeheurem Elan und Sicherheit. Nachdem die meisten Figuren das Brett verlassen hatten, wurde in einem Turmendspiel ein Friedensvertrag geschlossen.

Naroditsky beschrieb Erigaisis herausragende Belastbarkeit mit den Worten: "Arjun hat eine weitere beeindruckende Verteidigung gezeigt. Egal, was ihm seine Gegner entgegenwerfen: Zeitdruck, schwacher König – das ist ihm alles egal. Der Typ übersteht einfach alles, was ihm seine unglaublich starken Gegner entgegenwerfen und er macht es mit Stil und Anmut. Er ist wirklich schwer zu Fall zu bringen."

Arjun putting together yet another stunning defensive display.

-Daniel Naroditsky

Auch das Duell der Teenager Abdusattorov und Praggnanandhaa war eine explosive Partie. In einer offenen spanischen Partie suchte der indische Großmeister die Entscheidung im Zentrum, während der Usbeke das Chaos im Zentrum völlig ignorierte und am Damenflügel zum Gegenschlag ansetzte.

Nachdem das wilde Elfmeterschießen beendet war, hatte Abdusattorov zwar einen Mehrbauern auf dem Brett, doch gegen die genaue und aktive Verteidigung von Praggnanandhaa konnte der Tabellenführer kein Rezept finden und musste sich letztendlich mit einem friedlichen Ergebnis begnügen.

In der Partie Ding Liren gegen Levon Aronian bekamen wir ein Duell zwischen Dings isoliertem Damenbauern und Aronians isoliertem Königsbauern zu sehen. Anfangs verschaffte der d4-Bauer dem chinesischen Großmeister zusätzlichen Raum im Zentrum, aber der viermalige Wijk-aan-Zee-Champion aktivierte seine Figuren stetig und setzte den Zentrumsbauern des Chinesen unter großen Druck. Nachdem dann beide Damen in die gegnerischen Stellungen eingedrungen waren, endete die Partie mit einem Dauerschach. Naroditsky fand: "Das ist eine Stellung, in der beide Spieler gleichzeitig aktiv sind und doch in der Molasse stecken."

Aronian zeigt seinen einzigartigen Stil auf und neben dem Brett. Foto: Lennart Ootes/Tata Steel Chess Tournament 2023.

Und somit kommen wir zur, aus deutscher Sicht, interessantesten Partie des Tages. Wesley So gegen Vincent Keymer war ein faszinierender Kampf der Ideen in der spanischen Eröffnung, bei dem der deutsche Großmeister einen Bauern in der Eröffnung gewann, dadurch aber einen enormen Entwicklungsnachteil hatte. So gewann schließlich den Bauern zurück, dann einen zweiten und danach musste sich Vincent erneut in einem Leichtfiguren-Endspiel mit Minusbauern verteidigen. Obwohl Keymer Remischancen hatte und energisch am Damenflügel nach Gegenspiel suchte, nutzte So eine Ungenauigkeit und lenkte die Partie zu einem gewinnenden Läufer-gegen-Springer-Endspiel. Dank dem Internationalen Meister Adrian Petrisor können wir aus dieser Partie eine Menge lernen.

Im Challenger-Turnier gewann Alex Donchenko gegen Eline Roebers einen sehr dynamischen Kampf, bei dem beide Spieler auf eine Rochade verzichteten und spielte sich damit auf den (geteilten) ersten Tabellenplatz vor.

IM Vaishali R. erzielte gegen GM Jergus Pechac ihren ersten Sieg bei diesem Turnier und im Duell der holländischen Großmeister Erwin L'Ami und Max Warmerdam gewann der erstgenannte durch eine spektakuläre taktische Idee. Wer kann sie ebenfalls finden?

Ergebnisse - Masters - 6. Runde


Tabelle nach 6 von 13 Runden

Die Paarungen der siebten Runde

Alle Partien - 6. Runde - Masters


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NM Vanessa West

Vanessa West is a National Master, a chess teacher, and a writer for Chess.com. In 2017, they won the Chess Journalist of the Year award.

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