Tata Steel Runde 12: Abdusattorovs Rivalen läuft die Zeit davon
Nach einem Remis gegen Wesley So in der vorletzten Runde führt Nodirbek Abdusattorov weiterhin die Tabelle des Tata Steel Turniers mit einem halben Punkt Vorsprung an. Seine Rivalen haben jetzt nur noch eine Partie Zeit, um den Usbeken einzuholen und können dies auch nur schaffen, wenn Abdusattorov seine letzte Partie gegen Jorden Van Foreest nicht gewinnt.
Während sich Vincent Keymer ein weiteres Remis gegen Fabiano Caruana erspielt hat, steht Alexander Donchenko bereits eine Runde vor Schluss als Sieger des Challenger-Turniers fest. Nach seinem Sieg über den Holländer Thomas Beerdsen liegt der Gießener uneinholbar in Führung.
Hier ist die Aufzeichnung der Übertragung der 12. Runde:
Abdusattorov traf mit Wesley So auf einen der Spieler, der vor der 12. Runde ebenfalls noch Chancen auf den Gesamtsieg hatte. Nach einem frühen Damentausch im angenommenen Damengambit konnte der Tabellenführer mit Schwarz vollständig ausgleichen und nach einem Bauernopfer schien er sogar auf einen Vorteil spielen zu können, aber der zentralisierte Springer von Wesley So hielt die weiße Stellung zusammen und die Spieler erreichten ein absolut ausgeglichenes Endspiel, das keiner der beiden gewinnen konnte.
Nach der Partie wurde Abdusattorov zu seiner Fähigkeit, unter Druck gute Leistungen zu erbringen, gefragt: "Ich denke, das ist mein Charakter ... Es ist bekannt, dass ich sehr ruhig und emotionslos bin."
Vincent Keymer musste mit Schwarz gegen keinen geringen als Fabiano Caruana antreten.
Vincent spielte eine wirklich klasse Partie, in der er nur einmal kurz in Bedrängnis geriet, die Stellung aber durch eine ganze Serie bester Züge schnell wieder ausgleichen konnte. Am Ende hatte er sogar einen Bauern mehr, aber das Läuferpaar und der aktive Turm des WM-Herausforderers von 2020 waren genügend Kompensation für Caruana und somit endete die Partie mit einem für beide Seiten verdienten Remis.
IM Adrian Petrisor stellt uns die Partie vor und erklärt und sie wichtigsten Momente:
Parham Maghsoodloo und Arjun Erigaisi erreichten aus einer Grünfeld-Verteidigung heraus ein hochdynamisches Mittelspiel, das zu einer der wildesten Schlachten des gesamten Turniers wurde. Großmeister Rafael Leitao hat diese Partie für uns kommentiert.
Maghsoodloo wins a second game in a row, defeating Erigaisi in another exciting duel!#TataSteelChess pic.twitter.com/EoByskj7Dn
— ChesscomLive (@ChesscomLive) January 28, 2023
In der Partie Ding Liren gegen Richard Rapport bot der Chinese einen Damentausch an, der ihn mit einem isolierten Doppelbauern auf der a-Linie zurückließ. Dem rumänischen Großmeister gelang es, sich im daraus resultierenden damenlosen Mittelspiel aufgrund seiner besseren Bauernstruktur und seines Raumvorteils einen Vorteil zu verschaffen. Als Ding dann versuchte einen Bauern zu gewinnen, übersah er Rapports clevere taktische Antwort. Wer kann sie finden?
In der Partie Magnus Carlsen gegen Praggnanandhaa gossen beide Spieler selbst dann noch Öl ins Feuer, als das Brett schon lichterloh brannte. Der indische Großmeister opferte seinen Turm mit Schach, um seinen c-Bauern seinem Traum, zu einer Königin zu werden, näherzubringen und der Weltmeister revanchierte sich, indem er mit seinem f-Bauern in die Stellung des schwarzen Königs marschierte und Mattdrohungen aufstellte.
Carlsen vs. Praggnanandhaa is a feast of imaginative ideas!#TataSteelChess pic.twitter.com/Xkuop50mID
— ChesscomLive (@ChesscomLive) January 28, 2023
Nach der Partie war Carlsen sichtlich enttäuscht, dass er seine attraktive Stellung nicht in einen Sieg verwandeln konnte: "Ich bin wirklich frustriert. Ich habe das Gefühl, dass ich aus meiner Stellung viel mehr herausholen hätte sollen. Aber er hat sich auch wirklich gut verteidigt."
Gukesh D. konnte gegen Levon Aronian im Mittelspiel einen gewissen Druck aufbauen und erreichte ein Turmendspiel mit Mehrbauern. Aronian verteidigte sich aber aktiv und schuf einen eigenen Freibauern, der ihm genügend Gegenspiel gab und nach 72. Zügen stand ein weiteres Remis zu Buche.
Wie die Partie Gukesh gegen Aronian wurde auch die Partie von Jorden van Foreest gegen Anish Giri mit einem Ragozin eröffnet. Van Foreest fand mit dem Zug 8.h4 eine experimentelle Neuerung und opferte eine Qualität. Nach einem komplexen Mittelspiel, in dem beide Seiten um die Initiative rangen, tauschten die Spieler in ein Endspiel mit einem sehr ungewöhnlichen Ungleichgewicht. Giri hatte eine Qualität und einen gefährlichen Freibauern am Damenflügel und van Foreest verbundene Freibauern am Königsflügel, die von seinem aktiven König, Turm und Läufer unterstützt wurden. Nach 79 Zügen endete dieser komplizierte Kampf mit einem Dauerschach.
Nach der Partie waren Giri und van Foreest bester Laune und gaben ein gemeinsames Interview, bei dem nicht nur Ideen ausgetauscht, sondern auch viel gelacht wurde:
Der heutige Tag wird über den Gewinn des Tata Steel Turniers 2023 entscheiden. Wie steht es um die Nerven der Anwärter auf den Gesamtsieg, wenn es um die Entscheidung geht? Es gibt eine einzigartige Mischung von Emotionen, die auftreten können, wenn man kurz davor steht, etwas zu erreichen, von dem man früher nur geträumt hat: Eine Mischung aus Emotionen, die irgendwo zwischen Nervosität und Anspannung liegen, gepaart mit einem Hauch von Unglauben und einer Welle der Entschlossenheit.
Dann kommt der Moment, in dem man Möglichkeiten in Realität verwandeln kann und es schießen einem tausend Fragen durch den Kopf: Kann ich die Ziele erreichen, die ich mir gesetzt habe? Kann ich meinen Traum verwirklichen?
Zwei Spieler in sehr unterschiedlichen Stadien ihrer Schachkarriere stehen nun vor dieser Herausforderung: Giri und Abdusattorov.
In der einen Ecke haben wir den 18-jährigen Abdusattorov, das usbekische Wunderkind, das im letzten Jahr einen so kometenhaften Aufstieg hingelegt hat. Abdusattorov ist ein Jahrzehnt jünger als Giri und stand erstmals 2021 im Rampenlicht, als er ausgerechnet Giri aus dem Weltcup warf und etwas später im selben Jahr Weltmeister im Schnellschach wurde. Im Jahr 2022 führte er das usbekische Team an Brett eins zum Gewinn der Schacholympiade und gewann das Gashimov Memorial. Bei den Tata Steel Challengers wurde er 2020 Zweiter und dies ist sein allererster Auftritt beim Masters-Turnier. Kann er seine bisher schon mehr als erstaunlichen Erfolge mit einem Turniersieg in Wijk aan Zee krönen?
In der anderen Ecke haben wir den 28-jährigen Anish Giri, die niederländische Nummer eins. Im Laufe der Jahre ist der Turniersaal in Wijk aan Zee praktisch zu seinem zweiten Wohnzimmer geworden. 2009 erspielter er als 14-Jähriger in der Gruppe C seine letzte GM-Norm. Im folgenden Jahr gewann er die Gruppe B (entspricht dem heutigen Challenger-Turnier) und qualifizierte sich damit für das Masters, bei dem er seitdem jedes Jahr antritt. Dies ist sein 13. Auftritt beim Masters-Turnier, der mit Leistungen im Mittelfeld und einmal sogar auf dem letzten Platz begann. Dann arbeitete sich Giri aber hoch und kämpfte regelmäßig um Spitzenplätze. Er war fünf Mal Zweiter, wobei er zweimal erst in den Playoffs besiegt wurde – einmal davon erst im Armageddon.
Heute liegt er als Zweiter erneut in Schlagdistanz zum Führenden und im Laufe dieses Turniers hat er die Nummer eins der Welt und die Nummer zwei der Welt besiegt. Wird er es schaffen, heute auf Abruf gewinnen und sich damit seine beste Chance auf seinen allerersten Tata-Steel-Titel erspielen?
Best bet according to Forbes here!😂 #TataSteelChess https://t.co/XkDxyK1a8h pic.twitter.com/kiUAuKfmJ6
— Anish Giri (@anishgiri) December 1, 2022
Hinter den beiden liegen auch noch Carlsen und So in Lauerstellung und hoffen auf Ausrutscher der beiden Führenden, die es ihnen ermöglichen würden, auch noch um den Kampf um den Turniersieg einzugreifen.
In der Zwischenzeit ist das Challenger Turnier bereits entschieden. Alex Donchenko besiegte Thomas Beerdsen und damit ist ihm der Turniersieg nicht mehr zu nehmen. Durch seinen Turniersieg hat sich der Gießener auch einen Startplatz für das Master Turnier im Jahr 2024 erspielt.
In den Kommentaren könnt Ihr Alex gerne zu seinem Sieg gratulieren! Er wird das sicher lesen
Congratulations to Alexander Donchenko for winning the 2023 #TataSteelChess Challengers with a round to spare! 🙌
— Chess.com (@chesscom) January 28, 2023
He qualifies for next year's Masters tournament regardless of his result in tomorrow's final round! 👏 pic.twitter.com/t74poGzTky
Ergebnisse der 12. Runde - Masters
Die Tabelle nach 12. von 13. Runden
Die Paarungen der letzten Runde
Alle Partien der 12. Runde - Masters
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