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Tata Steel Runde 11: Keymer remisiert am Tag der Remis
Abdusattorov kam durch sein Remis gegen Giri dem Gesamtsieg einen Schritt näher. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess Tournament.

Tata Steel Runde 11: Keymer remisiert am Tag der Remis

NM_Vanessa
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

In der 11. Runde des Tata Steel Turniers konnte nur Parham Maghsoodloo seine Partie gewinnen. Alle anderen Partien endeten Remis. Der einzige der 12 Spieler, dem die Punkteteilung wirklich weitergeholfen hat, ist Tabellenführer Nodirbek Abdusattorov, der seinen ärgsten Verfolger Anish Giri im direkten Vergleich auf Distanz halten konnte.

Im Challenger Turnier hat sich Alexander Donchenko durch einen Sieg über Amin Tabatabaei die alleinige Tabellenführung zurück erkämpft.

So könnt Ihr zusehen:
Wir übertragen alle 13 Runden des Turniers live und in voller Länge auf Chess.com/TV. Die Übertragung mit Kommentaren von IM Steve Berger findet Ihr aber auch auf Twitch und unserem deutschen YouTube-Kanal. Die englischsprachige Übertragung könnt Ihr Euch auf YouTube.com/ChesscomLive ansehen und alle Partien findet Ihr wie immer auf unserer Event-Seite.

Hier ist die Aufzeichnung der Übertragung der 11. Runde:

Der große Unterschied zwischen einem Vollrunden-Turnier und einem Schweizer System-Turnier ist: Im Schweizer System sehen wir in praktisch jeder Runde einen direkten Kampf um die Tabellenführung. In einem Vollrunden-Turnier wird der Kampf um den Platz an der Sonne meistens in Fernduellen ausgetragen.

Deshalb wurde die 11. Runde mit besonders großer Spannung erwartet. Mit Giri und Abdusattorov spielten nicht nur die beiden Führenden gegeneinander, sondern mit Magnus Carlsen und Wesley So auch die momentan direkten Konkurrenten um den dritten Platz.

Würde Giri den Anzugsvorteil der weißen Figuren nutzen und die Tabellenführung übernehmen können?

Oder wird es Abdusattorov schaffen, seine Führung zu zementieren?

Und werden entweder Carlsen oder So noch um den Kampf um den Gesamtsieg eingreifen können und den jeweils anderen Spieler mit einem Sieg aus dem Rennen werfen?

Wir werden es erfahren.

Als erstes wurde aber der direkte Vergleich zweier ehemaliger Wijk aan Zee Champions entschieden. Der viermalige Sieger Levon Aronian sah sich der relativ selten gespielten Tarrasch-Verteidigung des Siegers von 2020, Fabiano Caruana, ausgesetzt. Aronian gab seinen fianchettierten Läufer am Königsflügel auf, um den d4-Bauern seines Gegners zu gewinnen, was zu einem Endspiel mit Turm und Leichtfigur führte. Nachdem Caruana den Bauern zurückgewonnen hatte, war die Luft aus der Stellung und Aronian und die Spieler einigten sich auf ein Remis.

Fabiano Caruana und Levon Aronian. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess Tournament 2023.

Im Matchup zwischen den beiden Führenden überraschte Abdusattorov Giri in der Eröffnung und forderte seinen zehn Jahre älteren Gegner in einer ultrascharfen Variante des angenommenen Damengambits heraus. Kommentator Hess beschrieb die Bedeutung der Wahl des Tabellenführers:

"Das ist ein wichtiger Moment. Diese Stellungen sind superscharf. Anish sieht nervös aus. Er weiß, dass er erwischt wurde und er verbirgt es nicht.

Vor der Partie haben wir uns gefragt, ob der junge Nodirbek dem Vorbereitungszauberer Anish etwas entgegensetzen kann. Aber er sagt: Ich fordere meinen Gegner heraus. Ich werde nicht einfach mit den schwarzen Figuren dasitzen und Angst haben. Nein, er spielt eine sehr scharfe Variante."

He is saying: I am taking it to my opponent. I'm not going to just sit there with the black pieces and be scared.

-Robert Hess über Abdusattorov

Giri reagierte vorsichtig und entschied sich aufgrund des isolierten e6-Bauern von Schwarz dafür, in ein Endspiel mit einer besseren Bauernstruktur abzutauschen. Abdusattorov verteidigte jedoch hartnäckig seine einzige Schwäche und nachdem alle Türme das Brett verlassen hatten, kam Giri nicht weiter.

Nach der Partie verriet Giri, dass er seine Eröffnungsvorbereitung durcheinander gebracht hatte: "Ich habe meine ganz neue Strategie ausprobiert. Nämlich das eine vorzubereiten und das andere zu spielen. Bisher hat das in diesem Turnier eigentlich ziemlich gut funktioniert, aber heute nicht. Leider glaube ich, dass ich einfach zwei Varianten miteinander verwechselt habe."

Dieses Remis bedeutet, dass Giri das Turnier ohne Schützenhilfe von Wesley So und Jorden van Foreest, den letzten beiden Gegnern Abdusattorovs, das Turnier nicht mehr gewinnen kann. 

Eben dieser Van Foreest spielte heute gegen Ding Liren die kühne Neuerung 10...dxc4 und verleitete damit die Nummer zwei der Welt dazu, den b7-Bauern mit seiner Dame zu schlagen und danach den schwarzen König mit einem Springerschach auf c7 zu sekkieren. Van Foreests Idee war, dass die beiden abenteuerlustigen weißen Figuren in der daraus resultierenden wilden Stellung sehr vorsichtig sein mussten, um nicht von der schwarzen Armee überwältigt zu werden. Ding war der Herausforderung gewachsen. Er kalkulierte genau und konnte aus den Komplikationen heraus ein ausgeglichenes Endspiel erreichen.

Von allen heutigen Eröffnungs-Überraschungen war die von Van Foreest sicherlich die wildeste. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess Tournament 2023.

Vincent Keymer musste mit den weißen Figuren gegen den rumänischen Großmeister Richard Rapport antreten.

Angesichts der berüchtigten Kreativität des Rumänen und der scharfen königsindischen Verteidigung, für die sich Rapport entschieden hatte, ließ Keymer überhaupt nichts anbrennen, wählte einen grundsoliden Aufbau und geriet nie in Gefahr, die Partie zu verlieren.

Der ebenfalls rumänische Internationale Meister Adrian Petrisor erklärt uns, wie man selbst gegen einen Super-GM wie Rapport ein sicheres Remis erzielen kann.

Auch das "Mittens-Hemd" hat Rapport nicht zu einem Sieg verholfen. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess Tournament 2023.

Arjun Erigaisi peppte die Berliner Verteidigung seines Gegners mit den Zügen 6.dxe5 und 10.f4 auf und eroberte Raum im Zentrum und am Königsflügel. Sein Landsmann Gukesh D. konterte, indem er das weiße Zentrum mit den Bauernvorstößen c5 und f6 herausforderte. Dies führte zu vielen Bauern- und Figurentäuschen in Zentrum, wonach ein ausgeglichenes Endspiel entstand, in dem sich die beiden Inder auf ein Remis einigten.

Nach den ganzen Remis bekamen wir aber doch noch einen Sieg zu sehen. Praggnanandhaa R. verunsicherte zunächst Maghsoodloo im Najorf-Sizilianer mit dem kreativen und seltenen Zug 8.Sh2. Der iranische Großmeister antwortete darauf mit pragmatischer Entwicklung und im daraus resultierenden Mittelspiel versuchte das indische Wunderkind eine kühne taktische Idee, bei der er allerdings den schwarzen Gegenschlag im Zentrum übersah.

Das Endspiel brachte Maghsoodloo dann mit einer exquisiten taktischen Idee nach Hause. Wer kann sie ebenfalls finden?

Das ist natürlich auch unsere Partie des Tages und Großmeister Rafael Leitao hat sie für uns analysiert.

GM Rafael Leitao GotD

Im Interview nach der Partie teilte Maghsoodloo seine Gedanken über Praggnanandhaas ungewöhnlichen Eröffnungszug: "Nach Sh2 war ich wirklich schockiert. Es ist ein sehr neuer Zug. Ich war nicht glücklich darüber, besonders weil auch Magnus mit Lg4 einen neuen Zug gespielt hat und ich diese Partie verloren habe. Ich war nicht darauf vorbereitet und in diesem Moment auch sehr nervös. Aber danach habe ich, glaube ich, viele gute Züge gefunden und eine normale Stellung bekommen und als er auch aus der Vorbereitung war, hatten wir einen Kampf."

Der ungestüme Angreifer gegen das kreative Wunderkind. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess Tournament 2023.

Wesley So überraschte den Weltmeister im Nimzo-Inder so sehr, dass der amerikanische Großmeister nach der Eröffnung mehr Zeit als zu Beginn der Partie auf der Uhr hatte, während Carlsens Uhr bereits auf eine Stunde herunter getickt war.

Carlsen schaffte es aber, das Zentrum und die meisten Leichtfiguren zu liquidieren. Carlsen hielt dies für eine pragmatische Entscheidung, die es ihm ermöglichte, in der daraus entstandenen Läufer-gegen-Springer-Stellung auf einen kleinen Vorteil zu spielen und gleichzeitig das Risiko angesichts der Vorbereitung seines Gegners zu minimieren.

Carlsen versuchte dann 40 Züge lang in einer vereinfachten, symmetrischen Stellung Gewinnchancen zu kreieren, aber So verteidigte sich stets genau und nach 58 Zügen waren dann nur noch die nackten Könige auf dem Brett.

Obwohl Carlsen mit diesem Remis keinen Boden auf den Tabellenführer gutmachen konnte und nur noch 2 Runden zu spielen sind, sagte er, dass er von der Partie nicht wirklich enttäuscht war: "Ich denke, Ihr Eindruck ist falsch. Ich war ziemlich zufrieden mit meiner Stellung. Ich spielte mit einem sehr guten Läufer gegen seinen Springer, der keine Anker hatte. Ich erinnere mich, dass Ivanchuk einmal ein ganz ähnliches Endspiel gegen Kramnik gewonnen hat."

Da nur noch 2 Runden zu spielen sind, läuft Carlsen die Zeit davon. Foto: Jurriaan Hoefsmit/Tata Steel Chess Tournament 2023.

Im Challenger Turnier gewann Alex Donchenko gegen Amin Tabatabaei durch eine wunderschöne Taktik. Wer kann sie finden?

Ergebnisse der 11. Runde - Masters

Die Tabelle nach 11 von 13 Runden  

Die Paarungen der 12. Runde

Alle Partien der 11. Runde - Masters


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NM Vanessa West

Vanessa West is a National Master, a chess teacher, and a writer for Chess.com. In 2017, they won the Chess Journalist of the Year award.

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