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Sinquefield Cup, Runde 3: Ein Bauer macht noch keinen Sommer

Sinquefield Cup, Runde 3: Ein Bauer macht noch keinen Sommer

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Nachdem es in den ersten beiden Runden des Sinquefield Cup´s 2017 mehr Siege als Remis gab, konnte in der dritten Runde kein einziger Spieler seine Partie gewinnen. Es sah aber nicht von Anfang an danach aus.

GM Peter Svidler musste am härtesten um sein Remis kämpfen. | Lennart Ootes, Grand Chess Tour.

Zwei Partien endeten mit frühen Zugwiederholungen, aber in den anderen 3 Partien hatte jeweils ein Spieler klare Vorteile. Trotzdem konnte kein Spieler diese Vorteile verwerten. Es war einfach der Tag der Verteidiger -- und wann sahen wir schon, dass Spieler eines Kalibers von GM Maxime Vachier-Lagrave, GM Wesley So und GM Magnus Carlsen, allesamt mit einem Mehrbauern nicht gewinnen konnten?

Durch die 5 Remis hat sich natürlich in der Tabelle nichts verändert: Vachier-Lagrave, Carlsen und Caruana führen weiterhin mit einem halben Punkt Vorsprung das Feld an.

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Wo man auch hinsah. Überall hatte ein Spieler einen Vorteil aber niemand konnte den Vorteil verwerten. | Spectrum Studios.

Der Nachmittag stand aber zuerst im Zeichen einer kürzlich verstorbenen Schachlegende. IM Mark Dvoretsky´s Endspielband wurde von amerikanischen Schachjournalisten als bestes Schachbuch des Jahres gewählt, und gleich mehrere Spieler bezeichneten dies als ihr Lieblingsbuch über Endspiele.

Dann wurde aber Schach gespielt, und Vachier-Lagrave hatte die besten Gewinnchancen, während So und Carlsen, die beide ebenfalls einen Mehrbauern hatten, nie die erforderliche dynamik entwickeln konnten, um ihre Partien zu gewinnen.

Der Franzose, der den Sinquefield Cup noch nie gewinnen konnte, setzte GM Peter Svidler schon früh unter Druck. Der Russe war schon kurz davor das Handtuch zu werfen, aber Svidler, der große Kenner der Pop Kultur, erinnerte sich wahrscheinlich an "Rocky".

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GM Maxime Vachier-Lagrave denkt entweder über seinen nächsten Zug nach, oder darüber, ob er, als Franzose, vielleicht die falsche Sportart ausübt. | Austin Fuller, Chess Club and Scholastic Center of Saint Louis.

"Ich war mir sicher, dass die Partie praktisch vorbei war, aber man kann doch nicht im 20. Zug aufgeben," sagte Svidler. Er war besonders geschockt, dass er in einer Eröffnung, die er eigentlich in- und auswendig kennt, absolut überspielt wurde.

"Das ärgerlichste ist, dass das genau mein Eröffnungsrepertoire ist und ich habe diese Variante mehr oder weniger gegen jeden gespielt, der in den letzten eineinhalb Jahren gegen mich 1.e4 gezogen hat."

Er sagte, dass er "viele Stunden vor dem Computer verbracht hatte" um die Stellung nach 12...Sc6 zu analysieren. Aber sogar Amazon weiß, dass  Automtismen eine menschliche Anleitung benötigen. Das Problem war, dass er einfach zu viele Varianten im Kopf hatte.

"An der Stelle in meinem Kopf, in der präzise Varianten abrufbar hätten sein sollen, war nur Nebel," sagte Svidler.

Nach dem Fehler 20...Kh8, sah er vor seinem geistigen Auge schon Varianten, in denen sein König regelrecht überrollt werden würde, und entschloß sich, den f7 Bauern zu opfern..

"Ich konnte absolut nichts finden, womit ich meine Partie forsetzten hätte können. Außer vielleicht ...h6, aber nach diesem Zug musste ich einfach irgendwie verloren sein."

Er nannte den Zug "eine neue Chance" aber es war ein anderer Bauernzug, der viel später kam, mit dem er dem Teufel von der Schippe sprang.

"Für das, was ich gemacht habe, gibt es einfach keine Erklärung," sagte Vachier-Lagrave. Er sagte, er war sich natürlich im klaren, dass der ...d5 Durchbruch irgendwann kommen würde, aber in der entscheidenden Stellung übersah er diesen Zug.

"Ich hab sofort mit Schrecken festgestellt, dass mir der Sieg durch die Finger geglitten war," sagte er über seine Idee, den König nach h2 zu ziehen. "Und das ist wirklich ärgerlich."

Eine weitere Partie, die fast 1-0 geendet hätte, hätte auch mit 0-1 enden können, aber dann endete Caruana-Nepomniachtchi doch genauso, wie die anderen 4 Partien.

Es gab nur einen Unterschied: Es war kein Doppelbauer auf dem Königsflügel. Caruana entschied sich für eine geschlossene sizilianische Eröffnung - konnte Nepo damit aber nicht überraschen.

"Vor ein paar Monaten hat er das gegen Topalov in einer Blitzpartie gespielt," sagte GM Ian Nepomniachtchi. "Ich hab solche Stellungen schon ein paar mal mit Weiß in der Englischen Eröffnung auf dem Brett gehabt. Das ist jedes Mal unklar."

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Vielleicht wusste GM Ian Nepomniachtchi nicht mehr weiter, vielleicht aber GM Fabiano Caruana auch nicht. Auf jeden Fall sahen beide keinen Grund, die Stellung auszuspielen. | Austin Fuller, Chess Club and Scholastic Center of Saint Louis.

Nepomniachtchi opferte eine Qualität und sein König hätte in ernsthafte Schwierigkeiten kommen können, aber Caruana, der bereits in Zeitnot war, spielte passiv weiter. Nach dem 30. Zug hatte er nur noch 3 Minuten Bedenkzeit übrig - Schwarz noch 40!

Der Russe, der bis dahin beide Partien verloren hatte, musste sich einige Züge später entscheiden: Entweder Caruana zu zwingen bis zur Zeitkontrolle weiterzuspielen oder das stillschweigende Remisangebot durch Zugwiederholung anzunehmen. Er entschied sich für letzteres.

"In einer anderen Turniersituation hätte ich weitergespielt," sagte Nepomniachtchi. "Aber ich wollte auf keinen Fall verlieren."

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"Weiß steht sehr passiv, aber solide," sagte Nepomniachtchi. "Wahrscheinlich hätte ich weiterspielen sollen, einfach einen kalten Zug machen, aber ich war mir nicht sicher was passieren würde, wenn der De3 spielt und die Damen tauscht."

Als er die verschiedenen Varianten nach der De3 Idee für Caruana kommentieren sollte, änderten sich seine Antworten.

"Ich glaube Schwarz hat genügend Feuerkraft um seinen König zu verteidigen," sagte er. Kurz darauf und nach einem flüchtigen Blick auf die Stellung wurde er zurückhaltender. "Ich glaube es ist nicht so gefährlich wie es aussieht. Ok, vielleicht kann Weiß doch Matt setzten. Ich weiß es nicht. Das sieht doch irgendwie gefährlich aus."

Kommentator GM Maurice Ashley, beschrieb die schwarze Stellung blumiger.

"Ich würde mir in die Hose machen, wenn ich diesen Angriff auf mich zukommen sehen würde," sagte er.

Wesley So hatte auch einige Ideen, wie der seinen Mehrbauern in einen Sieg ummünzen könnte, aber GM Hikaru Nakamura nahe die Herausforderung an und verteidigte sich glänzend. Nach der Partie gab er zu, dass er in einer Stellung, in der er "wirklich nichts machen konnte" zu ehrgeizig gewesen sei.

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GM Hikaru Nakamura trägt eine Brille mit fotochromen Linsen, die ihre Farbe den Lichtverhältnissen anpassen. | Lennart Ootes, Grand Chess Tour.

Über Schachliteratur waren sich beide Spieler noch einig.

Der viermalige US Meister sagte, dass er in seiner Jugend nicht viele Endspielbücher gelesen hatte, aber das Buch, das ihn am meisten beeinflußte war "Dvoretsky's Endgame Manual." Der aktuelle US Champion erwähnte mehrere Bücher, aber dieses nannte er als erstes.

Nakamura sagte, dass alle Teilnehmer beim Sinquefield Cup dieses Buch gut fänden. Nakamura's Kritik dieses Buches, das er einfach "The Manual" nennt, kam aber mit einer Warnung.

"Es ist fast unmöglich alle Bände zu studieren," sagte er. "Wenn Du nicht mindestens 2450 oder so hast, ist es unmöglich allem zu folgen und alles zu verstehen."

Rennt also nicht gleich in den nächsten Laden und kauft das Buch, oder macht es... das hängt von eurer ELO ab. Eine Sache hat Nakamura aber aus dem "Manual" gelernt: Türme tauschen um in ein Leichtfigurenendspiel mit 3 gegen 4 Bauern zu kommen wäre keine gute Idee. "Ich musste in ein Endspiel mit 2 gegen 3 Bauern kommen," sagte er, und genau das hat er auch gemacht.

Damit was das Manual aber noch nicht abgehakt. Nakamura wurde nach seiner Partie über seine Einschätzung des Endspiels zwischen GM Viswanathan Anand und Carlsen gefragt. Er war sich sicher: Remis.

"Dieses Endspiel, das Vishy gegen Magnus hat, das hab ich mir etwa 100 mal im Manual angesehen," sagte Nakamura.

"Ich war ein wenig enttäuscht dass ich nicht mehr aus der Stellung herausholen konnte, nachdem er diese kleine Gabel nicht gesehen hat," sagte Carlsen.

Als er nach seinem Lieblings Endspielbuch gefragt wurde, widerlegte er Nakamuras Aussage, dass alle Spieler das Manual nennen würden.

"Ich war in Endspielen ziemlich schlecht," sagte Carlsen über seine Lehrjahre. Aber das Buch "Grundlagen der Schachendspiele" hat ihm dann sehr geholfen.

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Schachfans sahen diese beiden nicht zum erstenmal gegeneinander spielen. | Lennart Ootes, Grand Chess Tour.

Das erste Remis des Tages ist zugleich die letzte Partie, auf die wir einen Blick werfen. Die Großmeister Sergey Karjakin und Levon Aronian wiederholten ihre Züge bevor das Feuer auf dem Brett richtig brannte.

Sinquefield Cup 2017 | Tabelle nach der 3. Runde

Platz Name Land ELO 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Punkte
1 GM Carlsen, Magnus 2822 ½ ½ 1 2
2 GM Caruana, Fabiano 2807 ½ 1 ½ 2
3 GM Vachier-Lagrave, Maxime 2789 1 ½ ½ 2
4 GM So, Wesley 2810 0 ½ 1 1.5
5 GM Aronian, Levon 2799 0 ½ 1 1.5
6 GM Nakamura, Hikaru 2792 ½ ½ ½ 1.5
7 GM Anand, Viswanathan 2783 ½ ½ ½ 1.5
8 GM Karjakin, Sergey 2773 0 ½ 1 1.5
9 GM Svidler, Peter 2751 ½ ½ 0 1
10 GM Nepomniachtchi, Ian 2751 ½ 0 0 0.5

Beim Sinquefield Cup 2017 spielen 10 Spieler vom 1. bis zum 12. August im Modus "Jeder-gegen-Jeden" um ein Preisgeld von $300.000. Die Partien beginnen täglich um 20.00 Uhr deutscher Zeit und können auf der offiziellen Seite oder auf www.chess.com/TV live verfolgt werden.

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Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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