Shankland gewinnt die US Meisterschaft
GM Sam Shankland hat heute Nacht seine sechste Partie bei den US Meisterschaften gewonnen und sich damit nicht nur mit herausragenden 8.5 Punkten den Titel gesichert, sondern auch die 2700 ELO Marke überschritten und sich einen Platz im amerikanischen Team bei der nächsten Schacholympiade gesichert.
Mit 8.5 von 11 möglichen Punkten stellte er außerdem die Bestleistung von GM Fabiano Caruana ein, der 2016 das Turnier mit genau derselben Punkteausbeute gewonnen hatte und diesmal Zweiter wurde.
GM Sam Shankland war die längste Zeit der Partie hoch konzentriert. Erst als sein Turniersieg so gut wie feststand, konnte er seine Emotionen nicht mehr verbergen. | Foto: Mike Klein/Chess.com.
Caruana gewann in der letzten Runde gegen GM Alex Onischuk doch alle Mühe war letztendlich vergebens. Shankland (2701, Weltrangliste #45) ließ die Nummer 2 der Welt nicht mehr ins Turnier zurück und besiegte GM Awonder Liang nur wenige Momente nach Caruana's Sieg am Nachbartisch.
Auf der anderen Seite des Raums nahm das Turnier aber einen ganz anderen Verlauf. WIM Annie Wang kam zum ersten Mal in diesem Turnier ins Stolpern und ihr vielversprechender Angriff gegen WGM Sabina Foisor geriet ins Stocken und den Konter konnte Annie dann nicht mehr parieren.
Nur wenige Sekunden nachdem die Niederlage besiegelt war bot IM Nazi Paikidze ihrer Gegnerin IM Rusa Goletiani in einer unklaren Stellung ein Remis, das sofort angenommen wurde und somit wird die US Damenmeisterschaft erst heute Nacht in einem Playoff entschieden.
"Die Fernopposition." | Foto: Mike Klein/Chess.com.
Das Playoff beginnt um 20.00 Uhr deutscher Zeit und besteht aus 2 Schnellpartien mit 25+5 im Bronstein Modus. Sollte aus diesen Partien keine Siegerin hervorgehen werden Wang und Paikidze eine Armageddon Partie spielen, bei der Weiß 5 Minuten Bedenkzeit und Schwarz nur 4 Minuten hat. Weiß muss diese Partie allerdings gewinnen. Bei einem Remis ist Schwarz der Sieger. (Paikidze sagte zu Chess.com, dass sie hier lieber mit Schwarz spielen möchte.)
Shankland strotzte schon den ganzen Tag voller Selbstvertrauen. Sein Gegner wollte ihn mit dem seltenen Zug 7...e5 in der Abtauschvariante des Caro-Kann überraschen, aber Shankland war damit bestens vertraut und antwortete darauf mit dem ebenfalls wenig bekannten Zug 8.h3.
"Ich wollte keinesfalls ab dem ersten Zug angreifen," sagte Shankland. "In dieser Variante bin ich flexibel, aber sie ist trotzdem giftig." Liang vermied dann aber die Fortsetzung, die Shankland als besonders kritisch eingestuft hatte.
Ist in die Liga der Super-GM´s aufgestiegen: Sam Shankland. | Foto: Mike Klein/Chess.com.
Im Gegensatz zum bisherigen Turnierverlauf verbrachte Shankland wenig Zeit am Brett und wanderte stattdessen zwischen seinen Zügen umher. Dann wanderte er noch mehr und wenn er zu seinem Brett zurückkam, stand er oft neben seinem Stuhl.
Drei der vier Partien, die mit dem Turnierausgang nichts zu tun hatten, endeten mit frühen Remis. Fast wie überrundete Autos bei einem Autorennen überließen sie die Bühne den Führenden. Und Shankland gab, wie schon das ganze Turnier über, weiter Gas.
"Das übertrifft meine kühnsten Träume," sagte Shankland. "Ich hätte niemals geglaubt, dass ich eine Chance haben würde, dieses Turnier zu gewinnen."
Shankland trug heute zum vierten Mal in diesem Turnier sein Glückshemd. "Ich hoffe, dass es noch nicht stinkt," sagte er zu Chess.com. | Foto: Mike Klein/Chess.com.
Er sagte zu Chess.com, dass er nach der neunten Runde, als er die Führung übernommen hatte, zum ersten Mal an den Turniersieg gedacht hatte. Caruana lag zu diesem Zeitpunkt einen halben Punkt zurück und dachte, dass er mit 1.5 Punkten aus den letzten beiden Partien ein Playoff erzwingen würde. Wie es sich zeigte, haben dafür aber sogar 2 Punkte nicht gereicht.
Shankland sagte, dass ihm die heutige Partie keinen besonders großen Spaß bereitet hätte, aber es war wohl eine der Besten, die er je gespielt hat.
"Das ist mein Lebenswerk," sagte Shankland. "Der ganze Schweiß, das Blut, die Tränen von all den Jahren. Aber das war es Wert!"
Seine ELO Leistung in diesem Turnier betrug 2885, was fast so hoch ist, wie GM Magnus Carlsen's bestes Rating aller Zeiten und Shankland ist damit auch der siebte Amerikaner, der die 2700 Schallmauer durchbricht. Er sagte, dass dies sein bestes Turnier aller Zeiten war, und noch besser, als der Gewinn der Goldmedaille bei der Schacholympiade mit einem Ergebnis von +8 (das war ja auch "nur" eine Leistung von 2831).
Chess.com's Interview mit Shankland
"Ich habe einfach nur gut gespielt und viel Glück gehabt, sagte Shankland. "Ich bin mir sicher, dass meine Mutter zusieht und gerade durchdreht."
"Es ist einfach Wahnsinn, dass ich mich jetzt U.S. Champion nennen kann."
GM Fabiano Caruana schaffte es nicht, das Turnier zum dritten Mal in Folge zu gewinnen. | Foto: Mike Klein/Chess.com.
Caruana's Sieg in der letzten Runde zeigt, wie unglaublich dieses Turnier verlaufen ist. GM Wesley So dachte, dass ein Ergebnis von +4 reichen würde, um das Turnier zu gewinnen. Carunana hat +5 erreicht und damit nicht einmal ein Playoff erzwungen!
Ob Kalifornien einen oder zwei Turniersieger ehren darf, bleibt abzuwarten. Der "Golden State" hätte heute noch goldener werden können, wenn Wang nicht ihre erste Partie des Turniers verloren hätte.
Caruana muss mit ansehen, wie Shankland seine Partie gewinnt. | Foto: Mike Klein/Chess.com.
Kurioserweise hat Shankland einen Anteil an Foisor's Sieg! Aber keine Angst. Es wurden keine Regeln verletzt. Foisor erklärte nämlich, dass sie gestern noch das neue Buch des US Meisters gelesen hatte.
Und während der Partie erinnerte sie sich an das Kapitel: "Bauern können nicht zurückziehen." Foisor nahm den h6-Bauern ins Visier und schwächte dadurch die Königsstellung ihrer jungen Gegnerin.
"Ich dachte, ich würde viel besser stehen," sagte Wang. "Und dann spiel ich aus irgendeinem Grund 19...Sb4! Aber immerhin bin ich in den Playoffs."
Analyse von GM Robert Hess.
"Ich war so aufgeregt vor der letzten Runde," sagte Wang zu Chess.com. "Es wäre viel besser gewesen, wenn ich heute gewonnen hätte. Der Sieg wäre ehrlicher gewesen."
Für ihre Hausaufgaben hat sie heute Abend aber keine Zeit. Obwohl sich viele junge Spieler in Schnellschachturnieren messen hat Wang keine große Erfahrung im Schnellschach.
"Ich glaube, ich muss das noch üben," sagte sie über ihre Pläne für den Abend. "Ich kann diese Zeit nicht ohne Vorbereitung spielen."
Nur wenige Momente nachdem Wangs Partie beendet war, ließ sich Paikidze das Ergebnis bestätigen und bot ihrer Gegnerin Remis.
IM Nazi Paikidze kann zum zweiten Mal US Meisterin werden. | Foto: Mike Klein/Chess.com.
Sie war glücklich, diese Chance erhalten zu haben. Sie sagte zu Chess.com, dass ihre Chance auf einen Turniersieg vor dem heutigen Spieltag bei etwa 40%gelegen hätten. Nach der Eröffnung, als Wang die Initiative in ihrer Partie erlangt hatte, lag die Chance bei etwa 10%.
Anders als Wang, die nicht einmal auf Paikidzes Stellung gesehen hatte, war die Jägerin ständig über die Partie ihrer Rivalin im Bilde. Einmal machte sie sogar einen eigenen Zug von Wangs nächsten Zug abhängig.
Paikidze hatte aber überhaupt nicht mit einem Playoff gerechnet. Bis zum Ende ihrer Partie wusste sie nicht einmal die Bedenkzeit im Playoff.
Genau wie Wang will sie sich heute Abend ebenfalls vorbereiten.
"Ich habe einen Freund, der mich schon das ganze Turnier über beraten hat," sagte sie zu Chess.com. Dieser mysteriöse Freund hat eine ELO von 2550. Auf die Frage, ob sie lieber mit einem starken Großmeister oder besser mit einem Spieler der Stärke ihrer Gegnerin trainieren wird, antwortete Paikidze, dass sie die erstere Option wählen würde, da ihr die morgige Partie dann einfach leichter fallen würde.
IM Rusa Goletiani ist dafür verantwortlich, dass alle Mitarbeiter des Turniers einen Tag mehr arbeiten müssen :-) | Foto: Mike Klein/Chess.com.
"Ich glaube, ich bin die leichte Favoritin," sagte Paikidze über das Playoff. "Ich bin aber natürlich nicht objektiv. 60% vielleicht." Ihr Ehemann war im LiveChat und bestätigte, dass sie sich als Favoritin sehen würde.
"Natürlich habe ich den Vorteil, dass ich sie das ganze Turnier gejagt und am Ende eingeholt habe. Aber sie hat einfach Nerven aus Stahl."
Über eines können wir uns aber sicher sein: Paikidze wird - wie immer - als erste Spielerin im Turniersaal eintreffen, denn sie hat die Angewohnheit, immer mindestens eine halbe Stunde vor Spielbeginn im Turniersaal zu sein.
"Ich habe eine schreckliche Angst davor, zu spät zu kommen," sagte sie.
Das Pünktlichkeits Gambit -- Paikidze ist meistens die erste Spielerin im Turniersaal. | Foto: Mike Klein/Chess.com.
Der Sieg von GM Ray Robson über GM Jeffery Xiong war ebenfalls von Bedeutung, denn die beiden kämpfen um den 5. amerikanischen Startplatz bei der Schacholympiade. Das Verfahren, wer diesen Startplatz bekommen wird ist allerdings so kompliziert, dass wir die Entscheidung noch nicht mitteilen können. Robsons Chancen auf das Flugticket nach Batumi sind durch diesen Sieg aber sicher nicht gefallen.
U.S. Meisterschaft 2018 | Endstand
Platz | Name | ELO | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | Punkte |
1 | GM Shankland, Samuel | 2671 | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 8.5 | |
2 | GM Caruana, Fabiano | 2804 | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 1 | 0 | 1 | 1 | ½ | 1 | 8 | |
3 | GM So, Wesley | 2786 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | 1 | 6.5 | |
4 | GM Nakamura, Hikaru | 2787 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 0 | 1 | ½ | ½ | ½ | 5.5 | |
5 | GM Robson, Ray | 2660 | 0 | 0 | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 1 | 0 | ½ | ½ | 5.5 | |
6 | GM Lenderman, Aleksandr | 2599 | ½ | 0 | ½ | ½ | ½ | 0 | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 5.5 | |
7 | GM Xiong, Jeffery | 2665 | ½ | 0 | ½ | ½ | 0 | 1 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 5 | |
8 | GM Izoria, Zviad | 2599 | 0 | 1 | ½ | 1 | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | 0 | ½ | 5 | |
9 | GM Akobian, Varuzhan | 2647 | 0 | 0 | ½ | 0 | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 4.5 | |
10 | GM Zherebukh, Yaroslav | 2640 | 0 | 0 | 0 | ½ | 1 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 4.5 | |
11 | GM Liang, Awonder | 2552 | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | 0 | ½ | 1 | 0 | ½ | ½ | 4.5 | |
12 | GM Onischuk, Alexander | 2672 | 0 | 0 | 0 | ½ | ½ | 0 | ½ | ½ | 0 | ½ | ½ | 3 |
U.S. Damenmeisterschaft 2018 | Endstand
Platz | Name | ELO | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | Punkte |
1 | IM Paikidze, Nazi | 2352 | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | ½ | ½ | ½ | 1 | 8 | |
2 | FM Wang, Annie | 2321 | ½ | 1 | ½ | 1 | ½ | 0 | 1 | ½ | 1 | 1 | 1 | 8 | |
3 | GM Krush, Irina | 2422 | ½ | 0 | 1 | ½ | 1 | ½ | 0 | ½ | 1 | 1 | 1 | 7 | |
4 | IM Zatonskih, Anna | 2444 | ½ | ½ | 0 | 1 | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | 1 | 6.5 | |
5 | FM Yu, Jennifer | 2367 | 0 | 0 | ½ | 0 | ½ | 1 | ½ | 1 | 1 | 1 | 1 | 6.5 | |
6 | WGM Abrahamyan, Tatev | 2366 | 0 | ½ | 0 | ½ | ½ | ½ | 1 | 1 | 0 | 1 | ½ | 5.5 | |
7 | WGM Foisor, Sabina-Francesca | 2308 | 0 | 1 | ½ | ½ | 0 | ½ | 0 | 1 | ½ | ½ | ½ | 5 | |
8 | WGM Sharevich, Anna | 2281 | 0 | 0 | 1 | ½ | ½ | 0 | 1 | 1 | 0 | 0 | ½ | 4.5 | |
9 | FM Gorti, Akshita | 2252 | ½ | ½ | ½ | ½ | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | 1 | ½ | 4.5 | |
10 | FM Feng, Maggie | 2243 | ½ | 0 | 0 | 0 | 0 | 1 | ½ | 1 | 0 | 1 | ½ | 4.5 | |
11 | IM Goletiani, Rusudan | 2306 | ½ | 0 | 0 | ½ | 0 | 0 | ½ | 1 | 0 | 0 | 1 | 3.5 | |
12 | IM Derakhshani, Dorsa | 2306 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 0 | 2.5 |
Dann gratulieren wir noch dem Chess.com Mitglied grasshopperqc für die meisten richtigen Ergebnistipps bei den US Meisterschaften. Ihm folgen die Mitglieder amrugg, SharKuthri, fischerrook und Fast_eddie1. Alle bekommen eine kostenlose 3-monatige Diamant-Mitgliedschaft!
Die genauen Ergebnisse seht ihr hier.
Bei der U.S. Meisterschaft 2018 traten von 18. bis zum 30. April 12 Spieler und 12 Spielerinnen im Modus "Jeder gegen Jeden" an. Die Bedenkzeit betrug 40/90, SD/30 plus 30 Sekunden pro Zug.
Ältere Artikel über die US Meisterschaft (alle auf Englisch):
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