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Schach-WM, Runde 4: Ein weiteres Remis und ein Video

Schach-WM, Runde 4: Ein weiteres Remis und ein Video

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Die vierte Runde der Schachweltmeisterschaft 2018 zwischen Magnus Carlsen und Fabiano Caruana dauerte nicht einmal drei Stunden und endete, nachdem Carlsens Englische Eröffnung im Sand verlaufen ist, mit einem weiteren Remis. Die eigentliche Intrige begann aber um 6 Uhr Ortszeit.

Magnus Carlsen

Magnus Carlsen trug heute einen neuen Anzug, aber das Ergebnis blieb dasselbe. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Wahrscheinlich bevor einer der beiden Spieler aufstand (Carlsen schläft ja meistens ziemlich lange, oft sogar bis Mittags), wurde ein Video für das vom Saint Louis Chess Club produzierte Programm "Today in Chess" online gestellt. Caruana hängt auf Rex und Jeanne Sinquefields Farm am Osage River rum. Er spielt Basketball, fährt auf einem Quad und bereitet sich auf die WM vor.

So weit so gut, aber es gab ein krasses Problem: Einige Szenen zeigen deutlich die Namen der Eröffnung auf einem Computerbildschirm und bestimmte Variationen, die er für London vorbereitete. Die meisten Dateinamen befassten sich mit der Frage, wie er sich mit Schwarz gegen 1.d4 oder 1.e4 verteidigen will, aber heute stand er vor 1.c4, daher war das kein Problem. Zumindest noch nicht.

Fabiano Caruana

Fabiano Caruana war bei der Pressekonferenz in sichtlich schlechter Laune und das änderte sich nur kurz, als der Präsident des Jamaikanischen Schachverbands die Spieler "Gladiatoren" nannte. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Cristian Chirila, das einzige Mitglied des Teams Caruana, das in der Öffentlichkeit auftritt, wollte diesen Vorfall gegenüber Chess.com nicht kommentieren und auch sein Chef gab bei der Pressekonferenz kein Statement ab: "Ich möchte das eigentlich nicht kommentieren."

Aber was ist mit Carlsen? Wusste er vor der heutigen Partie, dass dieses Video existiert?

"Tja.. ich...äääh... ich muss mir das Video erst einmal ansehen!" sagte er und erntete dafür einige Lacher. "Danach bilde ich mir eine Meinung darüber."

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Auch die Journalisten und Kommentatoren wollten das Video sehen. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Chess.com möchte aber betonen, dass Carlsen ausdrücklich das Futur benutzt hat und er bestätigte das später noch einmal: "Ich kann ehrlich sagen, dass ich das Video noch nicht gesehen habe. Ich weiß aber, dass es existiert." Er wurde auch darüber informiert, dass es mittlerweile auf YouTube gelöscht wurde.

Die Veröffentlichung des Videos ist aber ein solcher Fauxpas, dass einige sogar vermuten, dass es "Fake News" enthält und absichtlich veröffentlicht wurde, um den Weltmeister zu verwirren. Die Indizien sprechen aber dagegen. Chirilas Tonfall gegenüber Chess.com war extrem düster und niemand würde Caruana solche Methoden zutrauen.

"Es gab da so viele detaillierte und tief greifende Informationen über eine Eröffnung, die bereits gespielt wurde," sagte Jon Ludvig Hammer dem norwegischen Fernsehsender VG. "Es ist einfach offensichtlich, dass diese Informationen relevant sind."

Er bezog sich dabei auf einen Screenshot der die Variante mit 10...Te8 zeigte, die in der zweiten Partie gespielt wurde (Caruana spielte zwar 10...Td8, aber der Screenshot beweist, dass sich Caruana auf diese Eröffnung vorbereitet hat).

Magnus Carlsen

Wird sich der Weltmeister das Video ansehen? | Foto: Mike Klein/Chess.com.

In diesem Aspekt scheint der Weltmeister mehr Erfahrung zu haben. Carlsen, mit der Erfahrung aus 3 Weltmeisterschaften, veröffentlichte diese Woche zwar auch ein Video über eines seiner Trainingslager, aber die meisten Stellungen und die Helfer des Großmeisters waren verpixelt.

Vor der heutigen Partie hat Carlsen in den nächsten 3 Partien zweimal Weiß. Sollte er aus dem Video einen Vorteil ziehen können, dann sollte sich dieser also recht bald zeigen. Das Team Caruana hat aber jetzt immerhin 48 Stunden Zeit um die Pläne zu ändern, da am Mittwoch ein Ruhetag ansteht und Caruana am Donnerstag Weiß haben wird. Wir sehen also alle mit Spannung der Freitagspartie entgegen.

Magnus Carlsen

Carlsen konnte heute sein Stirnrunzeln nicht ablegen. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Chess.com hat die redaktionelle Entscheidung getroffen, das Video nicht zu zeigen, aber hier ist die aufschlussreichste Szene, da von dieser Sequenz ohnehin zahlreiche Versionen online verbreitet wurden:

Heute Morgen wurde ein 2-minütiger Clip aus einem Trainingslager von Caruana auf YouTube hochgeladen (jetzt gelöscht). Es wurden verschiedene Aktivitäten gezeigt, darunter auch Schach. Betrachter konnten auch einen Laptopbildschirm mit einer geöffneten ChessBase-Datei sehen. Der größte intellektuelle Fehler in der Schachgeschichte oder ein Fake?

Was die eigentliche Partie angeht, entschied sich Carlsen heute für die Englische Eröffnung, bestand jedoch darauf, dass keine Verbindung zwischen der Wahl der Eröffnung und des Landes, indem die Weltmeisterschaft stattfindet, besteht.

"Es gab keine besondere Bedeutung", sagte er. Als er im Anschluss gefragt wurde, ob es stattdessen einen "Schachgrund" für die Eröffnung gab, antwortete Carlsen mit dem Offensichtlichen: "Nun, es muss ja einen gegeben haben, oder?"

Magnus Carlsen Fabiano Caruana

Bis jetzt musste noch kein Spieler dem anderen zum Sieg gratulieren. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Der Norweger wiederholte eine Variante, die Wesley So bei der Grand Chess Tour in Paris im Blitz gegen Caruana gespielt hatte. Caruana sagte, diese Partie sei nicht bedeutsam und er habe sie schon lange vergessen.

Als der Amerikaner 4...d5 spielte, zog der Champion verstohlen eine Augenbraue hoch, fuhr dann jedoch mit Sos Partie bis zum 11. Zug fort. Statt den a-Turm in die halboffenen Linie zu entwickeln, entschied er sich aber dann für den provokanten Zug 11.b4. Caruana verzog keine Augenbrauen und zog sich sofort nach d6 zurück, obwohl 11...Lb6 genauso spielbar gewesen wäre. Wenn es also Vorbereitungsprobleme geben würde, haben sie sich heute noch nicht manifestiert.
"Es scheint, als ob er mich bis jetzt mit Schwarz immer überspielt hätte", sagte Carlsen.

Sam Shankland

"Diese Partie wird die Herzen der Schachfans sicher nicht höher schlagen lassen," sagte Carlsen. "Es gibt eigentlich keinen Grund, nach dieser Partie aufgeregt zu sein."

Da die Spieler morgen ihren zweiten Ruhetag haben, führte Chess.com einige Simulationen durch, was in den verbleibenden zwei Dritteln der Weltmeisterschaft passieren könnte:

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Obwohl viele Experten vorhersagen, dass ein Playoff für Caruana Nachteilhaft wäre, geben ihm die Simulationen nach der heutigen Partie sogar einen kleinen Vorteil. | Bild: SmarterChess.

Und wie steht es um die Tatsache, dass bei dieser Weltmeisterschaft plötzlich Schwarz einen Vorteil zu haben scheint?

"Das ist eine voreilige Schlussfolgerung nach einer sehr begrenzten Stichprobengröße", sagte Carlsen. "Aber es stimmt, dass sich Schwarz bisher sehr gut gefühlt hat. Es wird aber noch härtere Tests geben."

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Der Zuschauerbereich war auch heute bestens gefüllt. Ein Veteran von früheren Weltmeisterschaften sagte, dass der Austragungsort dem Lubyanka Building in Moskau ähneln würde. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

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Heute hatten sogar die Medienvertreter nur 30-minütige Zeitfenster, um die Spieler beobachten zu dürfen. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Natürlich könnt ihr die Weltmeisterschaft live auf Chess.com verfolgen. Ferner findet ihr jeden Tag Berichte, Fotos und Analysen auf Chess.com/news.

Alle Partien könnt ihr auf Chess.com/wcc2018 nachspielen und die Live-Übertragungen mit unseren Kommentatoren IM Danny Rensch und GM Robert Hess findet ihr auf Twitch.tv/Chess oder Chess.com/TV. Die beiden werden außerdem abwechselnd von Schachgrößen wie Hikaru Nakamura, Maxime Vachier-Lagrave, Wesley So und Sam Shankland unterstützt.

GM Alex Yermolinsky wird jeden Tag ein Video mit den Höhepunkten des Tages veröffentlichen, welches ihr auf Twitch, YouTube, Facebook und Chess.com ansehen könnt. 

US-Meister GM Sam Shankland wird jede Partie für euch analysieren.

Und an jedem Ruhetag wird euch GM Yasser Seirawan mit exklusiven Videos für Chess.com Mitglieder unterhalten


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    Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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