Shevchenko von spanischer Mannschaftsmeisterschaft ausgeschlossen, nach Handyfund auf der Toilette
Der 22-jährige GM Kirill Shevchenko wurde von der Spanischen Mannschaftsmeisterschaft 2024 ausgeschlossen, da sein Remis gegen GM Bassem Amin in der ersten Runde und sein Sieg gegen GM Francisco Vallejo in der zweiten Runde als Niederlagen gewertet wurden. Als Shevchenkos regelmäßiges Fernbleiben vom Brett in Runde zwei Verdacht erregte, wurde ein gesperrtes Telefon in der Toilette gefunden, woraufhin die Schiedsrichter:innen aufgrund von Handschrift und Verhalten eine Verbindung des Telefons zu Shevchenko unterstellten.
Die spanische Mannschaftsmeisterschaft 2024, die vom 12. bis 18. Oktober in der nordafrikanischen spanischen Stadt Melilla stattfindet, wurde von einem Skandal erschüttert, nachdem Shevchenko, der für C.A. Silla - Integrant Col·lectius spielt, vom Turnier ausgeschlossen wurde.
Shevchenko, der in der Ukraine geboren wurde und inzwischen Rumänien vertritt, ist die Nummer 69 der Welt und wurde im Alter von 14 Jahren und neun Monaten Großmeister. Zu seinen größten Erfolgen zählen der Gewinn der Mannschaftseuropameisterschaft 2021 mit der Ukraine sowie der Gewinn des Einzel-Blitzturniers Lindores Abbey Blitz in Riga im selben Jahr, bei dem er vor den GMs Fabiano Caruana und Arjun Erigaisi den ersten Platz belegte.
Der Hauptschiedsrichter Oscar Bruno de Prado Rodriguez fasste seine Entscheidung zusammen:
In der festen Überzeugung und angesichts der im Laufe der Untersuchung gesammelten Beweise, dass dieser Spieler das Mobiltelefon während der Partie benutzt und zudem meine Aufforderung, mich zu benachrichtigen, wenn er den Raum verlässt, ignoriert hat, was einen Verstoß gegen die FIDE-Regeln darstellt, beschließe ich, die folgende Sanktion zu verhängen:
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- Die beiden Partien in Runde 1 gegen Amin Bassem und in Runde 2 gegen Francisco Vallejo Pons werden aufgrund von Artikel 12.8, der die Benutzung von Mobilgeräten verbietet, für ungültig erklärt. Die beiden Gegner in den Runden 1 und 2 gewinnen ihre Partien.
- Kiriil Shevchenko wird vom Wettbewerb ausgeschlossen, da es sich um einen sehr schweren Verstoß gemäß Artikel 19.9.9 handelt.
- Ein vollständiger Bericht mit allen Beweisen wird dem Technischen Schiedsrichterausschuss der FEDA und der FIDE-Ethikkommission vorgelegt.
In der Erklärung heißt es, dass die Untersuchung dadurch eingeleitet wurde, dass Vallejo sich beim Schiedsrichter beschwerte, dass sein Gegner Shevchenko in der zweiten Runde zu lange vom Brett weg war. Der Schiedsrichter sprach Shevchenko darauf an, der sagte, er habe ein Problem und müsse auf die Toilette. Der Schiedsrichter erinnerte den Spieler daran, dass er um Erlaubnis bitten muss, um die Toilette zu besuchen, die sich außerhalb des Spielsaals in einem Gemeinschaftsbereich mit zwei Kabinen und drei Pissoirs befindet.
Die Besuche gingen weiter und der Schiedsrichter bat ein Mitglied des Organisationskomitees um Nachforschungen. Er sah, wie Shevchenko eine einzelne Kabine aufsuchte und dort ein neues Mobiltelefon fand, mit der handschriftlichen Notiz "¡No toques! ¡El teléfono se dejó para que el huésped contestara por la noche!“ ("Nicht anfassen! Dieses Telefon wurde zurückgelassen, damit der Besitzer nachts rangehen kann!")
Etwa 2,5 Stunden nach Beginn der Runde wurde das Telefon konfisziert und die Toilette verschlossen. Die Reinigungskraft stellte fest, dass ein ähnliches Telefon bereits am Vortag dort gefunden und nicht abgeholt worden war, nachdem es an der Rezeption abgegeben worden war. Der Schiedsrichter sagt, dass andere Mitglieder des Organisationskomitees dann beobachteten, wie Shevchenko die Toilette betrat, feststellte, dass die Toilette geschlossen war, und einige Zeit wartete, bevor er sie verließ, anstatt eine freie Toilette zu benutzen. Dies geschah mehr als einmal.
Nach der Runde verglichen die Schiedsrichter die handschriftliche Notiz mit Shevchenkos Partieformularen der ersten und zweiten Runde und stellten Ähnlichkeiten in der Tinte und der Handschrift fest. Außerdem stellten sie fest, dass die Zeitzone des Telefons eine Stunde vor der Spaniens (und zwei vor der des nahegelegenen Marokkos) lag - das könnte ein Hinweis auf die Zeitzone in Rumänien sein.
Als er mit Hilfe seines Teamkollegen GM Daniil Yuffa als Dolmetscher zu den Details befragt wurde, stritt Shevchenko alles ab.
Die Schiedsrichter:innen stellen fest, dass zwei weitere Beschwerden eingegangen sind. GM Jose Carlos Ibarra Jerez, der seinen Teamkollegen Amin vertritt, stellt fest, dass Amin die Abwesenheit von Shevchenko am Brett während der ersten Runde insgeheim bemerkt hatte. Amin sagte Chess.com, er sei „immer noch geschockt“ und erklärte:
Für mich fingen die Dinge im sechsten Zug an, seltsam zu werden. Er spielte seinen Zug und verließ den Spielsaal für mehr als 10 Minuten, und das wiederholte sich in den nächsten Zügen noch viele Male. Ich dachte, er hätte Magenprobleme! Aber irgendwann beschloss ich, rauszugehen, um zu sehen, wo er ist. Er stand vor dem Toilettenraum und als er mich sah, ging er zurück in den Spielsaal. Und dann, irgendwann im Laufe der Partie, ging er nicht mehr raus, bis die Partie zu Ende war.
Auf die Frage, wie sich das auf sein Spiel ausgewirkt hat, antwortete Amin:
Normalerweise versuche ich, nicht zu sehr darüber nachzudenken, dass jemand vielleicht betrügt, weil man dann nicht wirklich spielen kann, aber als es viele Male passierte, war es wirklich nicht gut, vor allem, weil er, wenn er zurück ans Brett kam, sehr schnell und wirklich gut spielte!
Vallejo hat auch eine Analyse der Partie eingereicht, die er gegen Shevchenko verloren hat. Dabei ist bemerkenswert, dass Shevchenko während eines Großteils der Partie keinen Zugang zu einem Telefon hatte (falls er ein Telefon auf der Toilette benutzt hat). Du kannst die beiden Partien unten durchspielen:
Die Forfait-Niederlage von Shevchenko ändert zwar den Punktestand aber nicht das Resultat des 4,5:1,5-Sieges seines Teams in der ersten Runde, aber das 3:3-Remis in der zweiten Runde wird nun zu einer 4:2-Niederlage.
Chess.com hat Shevchenko um einen Kommentar gebeten. Sein Mannschaftskapitän, Jose Antonio Garcia Domingo, zog es vor, zu diesem Zeitpunkt keinen Kommentar abzugeben.