Kirill Alekseenko wird Österreicher
Das russische Schach verliert weiterhin seine Spitzenspieler. Der ehemalige Teilnehmer des Kandidatenturniers, Kirill Alekseenko, hat den Wechsel nach Österreich abgeschlossen und ist damit die neue Nummer 1 der Alpenrepublik.
Der 26-jährige St. Petersburger, der 2021 zu den 30 besten Spielern der Welt zählte, liegt derzeit mit einer Elo von 2674 auf Platz 63 der Weltrangliste. Damit ist Alekseenko einer der stärksten Russen, die seit Russlands Einmarsch in die Ukraine den Verband gewechselt haben.
"Ich bin sehr glücklich und freue mich darauf, dem österreichischen Schach weiterzuhelfen, meine Erfahrungen zu teilen und Trophäen auf internationaler Ebene zu gewinnen", sagte Alekseenko in einem kurzen Kommentar zu Chess.com.
Im Februar dieses Jahres gab der Internationale Schachverband (FIDE) als Reaktion auf den Wechsel Russlands zum Asiatischen Verband bekannt, dass russische Spieler, die weiterhin einen europäischen Schachverband repräsentieren möchten, ohne jegliche Einschränkungen und Transfergebühren den Verband wechseln dürfen. Laut dem Präsidenten des Österreichischen Schachbundes Michael Stöttinger verlief der gesamte Transfer super einfach und wurde innerhalb von 24 Stunden bestätigt.
"Kirill bekommen zu haben ist großartig. Er ist ein ehemaliger Kandidatenspieler – und hoffentlich auch ein zukünftiger. Er ist ein wahrer Weltklassespieler. Wenn man sein Alter bedenkt, ist er vielleicht noch nicht einmal auf dem Höhepunkt seiner Karriere angelangt und dennoch wurde er sofort Österreichs Nummer eins", sagte Stöttinger zu Chess.com.
Seinen ersten Einsatz für die Russische Nationalmannschaft hatte Alekseenko 2019 gewann dabei sofort Gold bei der Mannschafts EM. Wenige Monate später erspielte er sich seine bislang beste Elo von 2715. Ein Höhepunkt seiner Karriere war sicher das Kandidatenturnier 2020/2021 in Jekaterinburg, für das er eine Wildcard erhalten hatte. Er belegte mit 5,5 von 13 möglichen Punkten den siebten Platz und konnte gegen Alexander Grischuk und Anish Giri gewinnen.
Alekseenko spielt bereits seit zwei Saisonen in der österreichischen Bundesliga für den ASV Linz und lebt mittlerweile auch in der Landeshauptstadt von Oberösterreich. Außerdem spricht er mittlerweile schon sehr gut deutsch.
Stöttinger legte auch Wert darauf, dass es dem Österreichischen Verband nicht nur darum ging, einen starken Großmeister zu bekommen. "Kirill ist wirklich ein großartiger Kerl, ein junger Mann mit hervorragenden Werten, fleißig und mit großem Potenzial. Ich persönlich mag es nicht, wenn Verbände gewechselt werden, nur weil es bequem oder lukrativ erscheint, aber Kirill machte mir klar, dass er seine Zukunft in Österreich sieht. Deshalb hatte er meine volle Unterstützung."
Alekseenko gehörte zu den 44 russischen Schachspielern, die einen offenen Brief mit der Überschrift "Stop the War" unterzeichneten, in dem sie gegen die Invasion der Ukraine protestierten. Auf die Frage, wie wichtig das für den Wechsel gewesen sei, sagt Stöttinger:
"Wir wissen das natürlich sehr zu schätzen, aber auch ohne seine Unterschrift wäre aus mehreren Gesprächen mit Kirill klar geworden, dass er es nicht gutheißt, jemandem zu schaden. Niemanden, niemals und nirgendwo", sagt Stöttinger.
Der russische Schachverband hat seit der Invasion schon mehrere Spitzenspieler verloren. Erst letzten Monat wechselte der ehemalige Europameister Alexander Motylev nach Rumänien und im März wechselte die ehemalige Weltmeisterin Alexandra Kosteniuk in die Schweiz.
Alekseenko ist der vierte Russe unter den Top 100, der seit der Invasion den Verband gewechselt hat. Die anderen sind Alexey Sarana und GM Alexander Predke, die beide nach Serbien gewechselt sind und Grigory Oparin, der nach jahrelangem Studium in den USA dem US-amerikanischen Verband angeschlossen hat. Andere Top-Großmeister wie Dmitry Andreikin, Vladimir Fedoseev, and Nikita Vitiugov spielen derzeit unter der neutralen FIDE-Flagge.
Alekseenko ist aber nicht der einzige "Neuzugang" für Österreich. Wie der Österreichische Schachbund am 15. Juli bekannt gab, wechselte auch der 20-jährige ukrainische Internationale Meister Valentin Baidetskyi nach Österreich. Baidetskyi wohnt schon seit 2021 in Wien und war bereits mit dem österreichischen Nationalteam in einem Trainingslager in der Südstadt.