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Kasparov "überlebt", aber 4 Spieler liegen vor ihm

Kasparov "überlebt", aber 4 Spieler liegen vor ihm

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Noch nie hatten sich Schachfans so sehr über Remispartien gefreut und GM Garry Kasparov hatte auch nichts dagegen.

"Anders als vor 20 Jahren freue ich mich heute über 3 Remis," sagte er ermüdet am Ende dieses anstrengenden Tages.

Titelfoto: Chess.com/Maria Emelianova.

Nach 3 Remis aus 3 Partien liegt Kasparov beim St. Louis Blitz and Rapid Turnier im Mittelfeld, was angesichts seiner 12jährigen Pause durchaus ein Erfolg ist.

"Ich bin mit meiner Leistung ziemlich zufrieden," sagte Kasparov. "Mein Ziel war es, den ersten Tag zu überleben."

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Kurzärmlich, ohne Armbanduhr und ohne Sacko. GM Garry Kasparov wollte heute volle Bewegungsfreiheit haben. Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Er überlebte, aber ohne dabei zu glänzen. Seine erste Partie war ein rein russisches K&K Duell, aber diesesmal war es nicht GM Anatoly Karpov, der ihm gegenübersaß, sondern GM Sergey Karjakin. Kasparov konnte Karjakin zu keiner Zeit unter Druck setzten, war aber selbst auch nie in großer Gefahr. 

Die zweiter Partie war um einiges wackeliger, nachdem er einen ziemlichen Vorteil weggeworfen hatte, aber nach GM Hikaru Nakamura im Endspiel ein entscheidender Fehler unterlief, konnte er auch diese Partie remis halten. Die dritte Partie endete dann ebenfalls in einem Remis, nachdem es dem 13 maligen Weltmeister gelungen war, den isolierten Damenbauern von GM Leinier Dominguez, der das einzige Ungleichgewicht in der Stellung war, vom Brett zu bekommen. 

"Ich war nicht glücklich heute 2 mal Weiß gehabt zu haben, denn am ersten Tag wollte ich einfach nur sehr solide spielen" sagte Kasparov.

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Da GM Hikaru Nakamura von GM Maurice Ashley den Spitznamen "Bär" bekam und Kasparov seine Zähne fletschte ist diese Stellung wohl "Der Rückkehrer-Angriff".  Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Es ist sicher nicht üblich, dass man in einem Artikel die Führenden eines Turniers total ignoriert, aber Kasparovs Name ist einfach der hellste Stern am Schachhimmel. Er liegt mit einem halben Punkt Rückstand hinter einem Führungsquartett auf dem geteilten fünften Platz.

Drei der vier führenden, die alle 2 Punkte haben, wählten den Gegenteiligen Weg von Kasparov und beendeten überhaupt keine Partie mit einem Remis. GM Levon Aronian, GM Fabiano Caruana und GM Le Quang Liem konnten jeweils zwei Partien gewinnen, und sorgten damit zusammen für zwei drittel aller heutigen Siege. GM Ian Nepomniachtchi hat auch 2 von 3 möglichen Punkten, erzielte diese aber die "traditionelle" Großmeisterweise, mit einem Sieg und zwei Remis.

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In der Schnellschach-Rangliste findet sich seit heute in neuer Name! Bild: 2700chess.com.

Vielleicht wird sich ja am zweiten Turniertag die Aufmerksamkeit auf mehrere Schultern verteilen, aber am ersten Tag lag die volle Aufmerksamkeit aller Zuschauer auf den 3 Partien von Kasparov.

Sogar die besten Schachspieler der Welt interessierte nur ein Mann:

Nach der ersten Partie gegen Karjakin gab Kasparov zu, dass er "ziemlich schlecht stand und auch weniger Zeit hatte". Wie man es nicht anders erwarten konnte, waren seine Form und sein Selbstvertrauen noch nicht auf dem ehemaligen Level angelangt.

Speziell beim 18. Zug machten sich seine Fans sorgen, denn er dachte 10 Minuten und 55 Sekunden über diesen Zug nach. In seiner Glanzzeit hätte Kasparov sich nicht 40% seiner Bedenkzeit in einen einzigen Zug investiert. (Die Bedenkzeit beträgt 25 Minuten für die Partie + eine 10sekündige Verzögerung bei jedem Zug).

"Ich musste mich an die Athmosphäre gewöhnen," sagter er, und fügte hinzu, dass er gestern sehr nervös gewesen sei.

In der zweiten Partie musste Kasparov gegem seinen ehemaligen Schüler Nakamura antreten. Die meisten Teilnehmer liesen sich zu einer Spekulation über Kasparovs Tabellenplatz beim Turnierende bewegen, aber nicht so Hakamura. Er sagte lediglich, dass es wohl unwahrscheinlich wäre, dass Kasparov das Turnier gewinnen würde (und er schätzte die Wettquoten auf 3:1 gegen Kasparov, dass er letzter wird).

In dieser Partie hatte Kasparov aber die größten Chancen auf einen Sieg.

"Garry sagte, dass er nichts anders machen würde als vor seinem Karriereende," sagte Nakamura vor der Partie zu Chess.com. "Und wir alle wissen, dass das natürlich nicht wahr ist."

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Das Foto zeigt den letzten Zug der Partie, mit dem Nakamura seinen Bauern in eine Dame umwandelt. Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Nakamura hätte lieber erst später im Turnier gegen Kasparov gespielt, um ein Gefühl für seine Spielweise und seine Eröffnungen zu bekommen. Dies war aber nicht der Fall. Und wirklich hatte Nakamura nach der Eröffnung schon Probleme.

"Diese Eröffnung ist ein Desaster für Hikaru,” sagte der Kommentator GM Yasser Seirawan. Und wirklich hatten die weißen Figuren Probleme nützliche Felder zu finden und zusätzlich hatte Kasparov nach dem 15. Zug noch das Läuferpaar.

Kasparov sah das nach der Partie genauso: "Seine Stellung sah schon sehr zweifelhaft aus."

Aus Nakamura's Lager kam hierzu kein Widerspruch. Sein langjähriger Sekundant, NM Kris Littlejohn, wurde vor der Runde gesehen, wie er zusammen mit Nakamura in einem angrenzenden Cafe vor einem Laptop saß. Er sagte, dass der Plan bereits gestanden hatte, und sie sich nur einige Dinge angesehen hatten.

"Wahrscheinlich die falschen Dinge!" korriegierte sich Littlejohn dann, als die Eröffnung gespielt war.

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Die scharfe Saucen Eröffnung? GM Hikaru Nakamura und NM Kris Littlejohn gehen in den kurzen Pausen zwischen den Partien nochmal die Pläne durch. Foto: Chess.com/Mike Klein.

GM Maurice Ashley hatte nach all den Jahren, in denen er Nakamuras Partien kommentierte, eine Vorahnung:

"Nakamura ist wie ein Bär, der nur schwer zu erlegen ist,” sagte Ashley nach dem Springerückzug 12. Sg1.

"Seine Figuren sind im Zentrum einfach zerbröselt," sagte Kasparov. 

Nachdem Hikaro seine Springer in eine Blockadestellung auf b3 und d4 gebracht hatte, sagte Kasparov, dass ein Opfer auf a7 "total verrückt" gewesen wäre, und fügte hinzu, dass er sich von seinem Läuferpaar hatte blenden lassen.

In seinen letzten Meisterpartien wies Kasparov noch auf die Schönheit und Wichtigkeit des Endspiels his, und nie wurde es deutlicher als hier aufgezeigt.

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Ein "Rentner" und ein vorübergehender "Nicht-Rentner". Der erste Zug wurde vom ehemaligen NFL Spieler John Urschel (mitte) ausgeführt. Kasparov lacht, während Turnierdirektor Tony Rich Urschel die "Null Toleranz" Regel mancher Turniere erklärt. Dies ist eine weitere Erfindung, mit der Kasparov noch keine Erfahrung machen musste (denn diese Regel findet in der Grand Chess Tour keine Anwendung). Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

In der dritten Partie zeichnete sich ab, was noch ein großes Problem für die Legende werden könnte -- eine starke Vorbereitung seiner Gegner und Konditionsschwächen am Nachmittag. Schon vor der Partie gegen Dominguez sagte Kasparov, dass er sich müde fühlen würde und dann musste er sich auch noch mit einem Zug, von dem er dachte, er wäre eine Neuerung, auseinandersetzten: 16...Se6.

"Ich bin in eine sehr sehr präzise Vorbereitung gelaufen," sagte Kasparov. "Das ist ein erzwungenes Remis."

Und wirklich, der Springer unterstützte den Bauernvorstoß ...d4. Wie so oft, hat Weiß keinen Vorteil mehr, wenn sich Schwarz des isolierten d-Bauern entledigen kann.

Kasparov kam nach der ersten Runde pflichtbewusst nach unten um Interviews zu geben, aber der Club ergriff außerordentliche Maßnahmen, die nicht einmal GM Magnus Carlsen zu teil wurden, und schirmte Kasparov von den Fans und der Presse ab. Die kurze Pause zwischen den Partien verbrachte er dann hinter verschlossenen Türen und betrat den Turniersaal danach durch eine Hintertür.

Nach der zweiten Runde brachten die Organisatoren eine Neuerung: Er verließ den Turniersaal durch einen Notausgang und betrat ihn vor der dritten Runde wieder, durch einen weiteren Notausgang.

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GM Garry Kasparov wartet darauf, dass ihm ein Notausgang geöffnet wird. Foto: Chess.com/Mike Klein.

Um dem Medienrummel zu entgehen verließ Kasparov den Club durch einen versteckten Kellerausgang. Da den Medien keine Interviews vor dem Turnier gewährt wurden, blieben die 3 Fragen, die ihm während der Eröffnungsfeier gestellt wurden die einzigen, die die unabhängige Presse Kasparov stellen konnte.

Die Schachfans können aber trotzdem auf einen Tag voller Höhepunkte zurückblicken. Der Höhepunkt der ersten Runde kam von einem Novitzen. Le war schon als Ersatzspieler beim Sinquefield Cup 2013 im Einsatz, aber seitdem hat er nie mehr auf so einem Level gespielt, obwohl er an der Webster Universität, die nur wenige Kilometer vom Turniersaal entfernt liegt, studiert.

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Der Hochschulabsolvent GM Le Quang Liem. Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Der Blitzweltmeister von 2013 setzte Caruana Matt, obwohl die Computeranalyse seine Stellung schon mit -6 bewertet hatte, und das noch dazu in Zeitnot.

"Irgendwie hat er diese 49. Td7 Idee nicht gesehen, die mir ein Gegenspiel ermöglicht hat," sagte Le. "Ich wäre ja schon mit einem Remis zufrieden gewesen."

Die Partie erinnerte stark an Caruanas Niederlage gegen GM Varuzhan Akobian bei den U.S. Meisterschaften 2017, die sich am selben Ort zugetragen hat -- in einer komplett gewonnen Stellung vergaß er seinen eigenen König.

"Das war pures Glück," sagte Le zu Chess.com. "Ich hätte eigentlich verlieren müssen. Das ist ein sehr glücklicher Sieg."

Und seine Glücksträhne setzte sich in der dritten Runde fort. In einem Endspiel, bei dem seine Bauern gegen Nakamuras Läufer kämpften war es Nakamuras Aufgabe, die richtige Verteidigung zu finden aber nach einem Fehler des Amerikaners war die Partie für diesen Verloren. Der richtige Weg des Königs wäre der Schlüssel zum Remis gewesen.

Neben Le's Abenteuern trug auch Aronian zu einigen Höhepunkten bei. In seiner ersten Partie zwang ihn seine Gegner förmlich zu Opfern.

"Es war doch klar, dass Schwarz einfach nur gut steht, wenn ich den Springer (im 19. Zug) wegziehe," sagte Aronian. "Also suchte ich nach einer Möglichkeit diesen Springer zu opfern.. In einer langen Partie hätte ich aber bestimmt länger darüber nachgedacht."I

"Levon trägt ein farbenfrohes Hemd und spielt farbenfrohes Schach," sagte GM Robert Hess

In der zweiten Runde versuchte Aronian gleich wieder einen mörderischen Angriff auf dem Königsflügel, aber diesesmal ging er schief, und Nepomniachtchi gewann seine erste Partie. In der dritten Runde schlug Aronian aber erneut zu, und Ashley nannte ihn einen "Künstler".

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GM Levon Aronian will es seinem französischem Freund gleichtun, und mit einem Vollbart das Turnier gewinnen. Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Obwohl sein Sieg in der ersten Runde spektakulärer war, sprach Aronian danach mehr über seinen zweiten Sieg. War das ein Kompliment oder ein Seitenhieb an den Sieger des Sinquefiled Cups?

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Caruana erholte sich von seinem Erstrundendebakel und gewann die restlichen beiden Partien. Zuerst schlug er den glücklosen GM David Navara und danach zerlegte er Karjakin.

Das war nicht einmal ein harter Kampf -- Caruana griff mit seiner gesamten Armee den schwarzen König an, und das Gegenspiel auf der a-Linie erwies sich als harmlos.

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Grafiken von Spectrum Studios.

Am Dienstag wird Kasparov gegen zwei der Führenden antreten: Aronian und Nepomniachtchi. In der dritten Partie des Tages wartet dann GM Viswanathan Anand.

Aronian sagte zu Chess.com, dass er mit Nakamura übereinstimmt -- es ist besser wenn man gegen Kasparov später in dem Turnier spielt.

"Es ist natürlich klar, dass Garry schon eine ganze Zeit nicht gespielt hat und keiner weiß, welche Eröffnungen er vorbereitet hat," sagte Aronian.

Ihr könnt alle Partien auf Chess.com/de/play/online verfolgen und das Turnier live, auf Chess.com/TV, mit Kommentaren von GM Yasser Seirawan, GM Maurice Ashley und WGM Jennifer Shahade, ansehen. Das Turnier startet jeden Tag um 20.00 Uhr.

Partien von TWIC.


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Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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