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Karjakin erteilt Nepo eine Lehrstunde im Blitzschach

Karjakin erteilt Nepo eine Lehrstunde im Blitzschach

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Wenn man "Nepo" in den Chess.com Live Chat eingibt, wird man von der Auto-Korrektur gefragt, ob man nicht "Nero" gemeint hat. Im Sinn von "in Flammen untergehen", hat der Chess.com Server hier sogar Recht.

Anstatt des Jahres 64 waren es aber die 64 Felder des Schachbretts, auf denen GM Sergey Karjakin im zweiten Viertelfinale der 2017 Chess.com Speed Chess Championship ein Feuer entfachte, das es in sich hatte. Der amtierende Blitzweltmeister spielte die besten 10 Eröffnungspartien der Geschichte dieses Events und gewann am Ende überlegen mit 20:10.

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Während ja viele Spieler zugeben, dass sie sich auf dieses Event nicht besonders Vorbereiten, hat Karjakin wohl härter als jeder andere für das Viertelfinale trainiert. Wer diese Dokumentation über Karjakin gesehen hat, hat aber wohl auch nichts anderes erwartet.

"Die letzten Tage habe ich ausschließlich Blitzen trainiert und alle Partien des Achtelfinales zwischen Nepo und GM Levon Aronian sehr ausgiebig analysiert."

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Obwohl die Spannung bei diesem Ergebnis natürlich auf der Strecke geblieben war, boten die beiden Russen trotzdem Entertainment vom Feinsten. Anders als bei vielen vergangenen Duellen, wollte diesmal keiner der beiden seine Paradeeröffnung durchsetzen um dem Gegner zu beweisen, wer in dieser Eröffnung das Sagen hat. Im gesamten ersten Drittel wurde sogar keine einzige Eröffnung zweimal gespielt!

Karjakin beeindruckte dabei die Kommentatoren und Fans ein ums andere Mal. Es dauerte bis zum Bulletschach, als irgendjemand zum ersten mal einen Fehler des "Krimrussen" entdeckte. Die ersten beiden Drittel spielte er absolt fehlerfrei.

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Er beging aber nicht nur keine Fehler, sondern bot absolut hochklassiges Schach (seine CAPS Wertung stieg um 96 Punkte) und zeigte natürlich wieder, warum er den Spitznamen "der russische Verteidigungsminister" trägt. Nach 10 Partien führte er bereits mit 9:1 Punkten und brach damit sogar GM Magnus Carlsen's Rekord, der gegen GM Gadir Guisenov nach 10 Partien mit 8.5:1.5 geführt hatte. Und sogar seine eigene Bestmarke von 8 von 9 möglichen Punkten, die er beim 2017 St. Louis Rapid und Blitzturnier aufgestellt hatte, hat er damit überboten.

Nepomniachtchi konnte im ersten Drittel lediglich die abschließende Schach960 Partie gewinnen.

Bereits in der ersten Partie wurden die verschiedenen Spielstile im Mittelspiel verdeutlicht:


Nepomniachtchi erkämpfte sich in der zweiten Partie ein Remis, aber bereits in der dritten Partie konnte Karjakin seine Führung weiter ausbauen. Die Partie wurde eigentlich erst interessant, nachdem die Damen vom Brett verschwunden waren. Ein verrücktes Mittelspiel, in dem die Figuren der Reihe nach hingen wurde noch chaotischer, als Karjakin seine konservative Spielweise vorübergehend einstellte und selbst zum taktischen Angreifer wurde.

In der nächsten Partie wollte seinen Landsmann kopieren und brachte seinen ursprünglich auf den Damenflügel rochierten König von b1 den ganzen Weg bis nach h2. Irgendwie gelang es ihm aber nicht so gut, wie vorher Karjakin.

Landsmänner ist ein gutes Stichwort: GM Peter Svidler war fast das ganze Duell über im Twitch Chat und GM Alexander Grischuk, gewann nach dem gestrigen Viertelfinale, das "errate den Zug" Spiel auf dem Chess.com Live Server. Er sagte in der fünften Partie unglaubliche 33 von 45 Zügen richtig voraus!

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GM Sergey Karjakin's "ultramoderne" Kopfhörer, animierten zu einem Photoshop Doppelgänger Wettbewerb.

Und jetzt drehte Karjakin erst so richtig auf. Er gewann 5 Partien in Serie und baute seine Führung auf 9:1 aus.

"Irgendwann bin ich verzweifelt," sagte Nepomniachtchi nach dem Duell. "Ich verlor ja eine Partie nach der anderen."

In der achten Partie dachte er wohl, dass er mit seinem Kumpel endlich mithalten konnte, aber Karjakins Verteidiungskünste waren einfach zu genial.

Karjakin's Leistung steigerte sich in der nächsten Partie von "sehr gut" auf "erhaben". Der Kommentator IM Aman Hambleton nannte dies "den besten Zugzwang, den ich je gesehen habe."

Nachdem sich Nepomniachtchi einige Minuten später in einer Taktik verrechnet hatte, war Geschichte geschrieben. Karjakins Start in das Duell mit 8 Siegen und 2 Remis war der beste Start in ein Speechess Duell aller Zeiten, und das, obwohl beide Spieler dachten, dass eigentlich Nepo die etwas besseren Siegchancen haben würde!

"Es ist schwierig einen Grund für die Niederlage zu nennen, wenn man mit 10 Punkten Unterschied verliert," sagte Nepomniachtchi nach dem Duell. "Ich dachte eigentlich, dass ich etwas favorisiert wäre, aber nach dem ersten Drittel war schon alles entschieden."

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In der Schach960 Partie, mit der das erste Drittel abgeschlossen wurde, schlug Nepo dann das erste Mal zu:

Nepomniachtchi gab viele schlechte Stellungen sehr früh verloren und somit stellten die beiden mit 11 gespielten Partien auch den Rekord in Sachen Anzahl der Partien im ersten Drittel ein. Das zweite Duell, bei dem im ersten Drittel 11 Partien gespielt wurden war GM Maxime Vachier-Lagrave gegen GM Jeffery Xiong. Der große Unterschied war jedoch, dass das erste Drittel zwischen MVL und Xiong mit 5.5:5.5 endete.

Ergebnis: 5|2 Bedenkzeit

Land Spieler 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Gesamt
Sergey Karjakin 1 ½ 1 1 ½ 1 1 1 1 1 0 9
Ian Nepomniachtchi 0 ½ 0 0 ½ 0 0 0 0 0 1 2

Um das Feuer, das Karjakin entfachte zu löschen, hätte Nepomiachtchi wohl einen ganzen Löschzug gebraucht, aber stattdessen kam er nur mit einem kleinen Eimer voll Wasser zurück. Er eröffnete das zweite Drittel mit einem Sieg und zwei Remis.

Im Achtelfinale gegen GM Levon Aronian punktete Nepomniachtchi noch regelmäßig mit seiner Lieblingseröffnung, der Pirc Verteidigung. Gestern brachte er sie erstmals in der 13. Partie aufs Brett.

Als er sie dann erneut aufs Brett bringen wollte, drehte Karjakin die Partie in eine Art Bajonett Angriff der Königsindischen Verteidigung (mit einem seltsamen Läufer auf h2). Das war ein kleiner aber feiner Unterschied, der sich bemerkbar machte, als Weiß 29.Txg7 spielte!

Und so springen wir zu vielleicht besten Partie des Tages vor. Karjakin verbrauchte schon früh viel Bedenkzeit um eine Kombination zu berechnen und musste dann die ganze Partie in Zeitnot bewältigen.

Als er noch 30 Sekunden auf der Uhr hatte (sein Gegner noch 2:30) spielte er 10 Züge in 8 Sekunden - und gewann.

"Das war vielleicht die beste Blitzpartie des Jahres," sagte Hambleton dazu.

"Wie fantastisch war das denn? Bin ich hier der einzige, der sich wie ein ahnungsloses Schulkind vorkommt?" frohlockte IM Danny Rensch nach dieser Partie. "Das ist so ein Musterbeispiel für einen Springer, der seinen König beschützt, der von der Dame angegriffen wird."

Wir demoralisierend ist so eine Niederlage? Anstatt einfach Aufzugeben nutzte Nepo seinen Zeitvorsprung für das einzig nützliche: "Er stand auf, um etwas frische Luft zu schnappen, während seine 60 Sekunden Bedenkzeit gen Null tickten.

Doch selbst das half ihm nicht. Karjakin holte aus den letzten 3 Partien des zweiten Drittels wieder 2.5 Punkte...

Ergebnis: 3|2 Bedenkzeit

Land Spieler 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Gesamt
Sergey Karjakin ½ 0 ½ 1 ½ 1 1 ½ 1 6
Ian Nepomniachtchi ½ 1 ½ 0 ½ 0 0 ½ 0 3

Der Spielstand zeigte jetzt 15:5 und da im letzten Drittel etwa 10 Bullet Partien gespielt werden, benötigte Neopmniachtchi jetzt schon eine nie dagewesene Siegesserie und das Duell wieder spannend zu gestalten.

Wer daruaf gehofft hatte, wurde schon in der ersten Partie enttäuscht. Nepo wechselte zur Holländischen Verteidiung, aber Karjakin war davon wenig beeindruckt.

Doch dann fand er sein Glück in einer sehr seltenen Eröffnung. Dem "Mittelgambit." Kurzgefasst entsteht das Mittelgambit durch die Züge: 1. e4 e5 2. d4 exd4 3. Dxd4. GM Alexander Morozevich spielte es sogar manchmal in langen Partien und heute gewann Nepo sogar 2 mal mit dieser Eröffnung!

Hier ist die zweite, und Nepo konnte es Karjakin gleichtun, und ebenfalls durch ein Damenopfer gewinnen.

Nur eine Partie zuvor unterlief Karjakin der erste (!!!) ernsthafte Fehler im gesamten Duell. In einem komplett gewonnenen Endspiel stellte er einen Springer ein. Nepo benötigte dann aber trotzdem noch all sein Endspielwissen, denn eigentlich hatte er den "falschen" Läufer. Weiß wurden jedoch die eigenen Bauern zum Verhängnis.

Obwohl er zum ersten Mal zwei Partien in Serie verloren hatte, erholte sich Karjakin aber wieder, erreichte im letzten Drittel ein Unentschieden und behielt somit seinen 10 Punkte Vorsprung.

Das ist aber nicht der deutlichste Sieg in einem Viertelfinale. Diesen Rekord hält weiterhin GM Hikaru Nakamura der im letzten Jahr Vachier-Lagrave mit 11 Punkten Vorsprung nach Hause schickte (21.5:10.5).

Ergebnis: 1|1 Bedenkzeit

Land Spieler 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Gesamt
Sergey Karjakin 1 0 1 1 0 0 ½ 1 ½ 0 5
Ian Nepomniachtchi 0 1 0 0 1 1 ½ 0 ½ 1 5

Karjakin fasste den Abend so zusammen: "Ich glaube bei 5 Minuten Bedenkzeit habe ich gut gespielt. Bei 3 Minuten weniger gut und bei einer Minute richtig schlecht."

"Im allgemeinen bin ich aber in einer guten Form."

Die nächsten beiden Viertelfinals finden Anfang November statt. Das warten darauf wird sich lohnen:

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MikeKlein
FM Mike Klein

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Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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