Iranische Spielerin spielt bei Weltmeisterschaften ohne Kopftuch - und flieht nach Spanien
IM Sarasadat Khademalsharieh (kurz: Sara Khadem) hat sich bei der FIDE Schnellschach- und Blitzweltmeisterschaft geweigert ein Kopftuch zu tragen und sich damit über die iranische Kleiderordnung für Frauen hinweggesetzt. Aus Angst vor Repressalien wird sie nun nicht in ihre iranische Heimat zurückkehren. Mit ihrem Ehemann, dem Filmregisseur Ardeshir Ahmadi und dem kleinen Kind des Paares ist sie in eine unbekannte Stadt in Spanien gezogen. Bis diesem Zeitpunkt hat sie zwar noch keine öffentliche Erklärung zu ihrer Entscheidung abgegeben, aber zwei ihr nahestehende Quellen haben diese Nachricht gegenüber der spanischen Tageszeitung El Pais bestätigt.
Sara schließt sich damit den Protesten gegen die iranische Regierung an, die seit September 2022, nachdem die 22-jährige Mahsa Amini wegen "unsachgemäßen" Tragens eines Kopftuches verhaftet und dann in Polizeigewahrsam gestorben war, das Land erschüttern. Iranische Stimmen (oder deren Fehlen) werden weit über die Schachbretter hinaus gehört und die Proteste haben die Nation mittlerweile in einer der größten Krisen ihrer Geschichte gestürzt. Auch die iranische Fußballnationalmannschaft schloss sich den Protesten an, indem sich die Spieler weigerten, vor dem ersten Spiel bei der FIFA-Weltmeisterschaft 2022 in Katar die Nationalhymne zu singen.
My favorite chess player in the World right now: Sara Khadem, representing Iran in the World Rapid & Blitz in Kazakhstan ❤️❤️❤️
— Jennifer Shahade (@JenShahade) December 27, 2022
photo @LennartOotes https://t.co/prsQMuCJrw #RapidBlitz #MahsaAmini pic.twitter.com/qbeTo3lyr5
Bei der Schnellschach- und Blitz-Weltmeisterschaft in Almaty, Kasachstan, überschwemmten dann Fotos von Khadem und WGM Atousa Pourkashiyan (die ebenfalls iranischer Abstammung ist, aber in den USA lebt) während der gesamten Woche die sozialen Medien und viele Tweets brachten ihre Unterstützung zum Ausdruck. Was für uns Europäer wie ein kleiner Akt des Trotzes erscheinen mag, hat für die Spielerinnen aber schwerwiegende Auswirkungen, da seit Beginn der Unruhen schon Tausende von Menschen festgenommen und einige davon zum Tode verurteilt wurden.
Bravo to Sara Khadem and Atousa Pourkashiyan, two top-level Iranian female players, not wearing their hijabs at the World Rapid/Blitz Championships!! I have so much admiration for these 2 courageous ladies! @FIDE_chess @ECUonline @WOMChess #MahsaAmini Photos L. Ootes/FIDE pic.twitter.com/RsyCz5H3xQ
— Susan Polgar (@SusanPolgar) December 28, 2022
Obwohl dies bei Schachturnieren auf höchstem Niveau nichts Neues und seit vielen Jahren eine traurige Tatsache ist, wurden auch bei dieser Weltmeisterschaft iranische Spieler unter Druck gesetzt, ihre Partien "kampflos" an israelische Spieler abzugeben. So "gewann" der israelische Großmeister Boris Gelfand letzte Woche unverschuldet drei Partien, weil seine iranischen Gegner Bardiya Daneshvar, Pouya Idani und Amin Tabatabaei keinen einzigen Zug spielten.
Der Iran hat in den letzten Jahren viele großartige Schachspieler hervorgebracht, aber einige der besten von ihnen entschieden sich dafür, das Land zu verlassen. Khadem, die Nummer 10 der iranischen Rangliste und die Nummer 17 der Damen-Weltrangliste, ist nur die letzte in einer immer länger werdenden Reihe.
Der ebenfalls aus dem Iran stammende Alireza Firouzja, der jüngste Spieler aller Zeiten, der eine Elo von 2800 erreichen konnte und es mit nur 18 Jahren auf den zweiten Platz der Weltrangliste geschafft hat, verließ das Land 2019 und spielt seit dem letzten Jahr für Frankreich. IM Dorsa Derakhshani verließ den Iran 2017, nachdem sie bei einem Turnier ohne Kopftuch gespielt hatte und die internationale Schiedsrichterin Shohreh Bayat verließ den Iran vor 2 Jahren aus ähnlichen Gründen.
Was diese Entscheidung für Sara Khadems Leben, ihre Schachkarriere und die Zukunft des iranischen Schachsports bedeutet, wird die Zukunft zeigen. Chess.com wünscht der jungen Mutter auf jeden Fall alles Gute