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Hikaru Nakamura ist zum 5. Mal U.S. Meister

Hikaru Nakamura ist zum 5. Mal U.S. Meister

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Wenn 4 Spieler unter Siegzwang stehen, hat derjenige, der dann auch tatsächlich gewinnt, gute Karten.

Genau das ist in der letzten Runde der U.S. Meisterschaft 2019 passiert. Da sich GM Hikaru Nakamura sicher war, dass ihm ein Remis nicht genügen würde, zauberte er mit der Holländischen Eröffnung einen Hasen aus dem Hut, der den jungen GM Jeffery Xiong in unbekannte Gewässer führte.

Hikaru Nakamura
Hikaru Nakamura checks up on the games while awaiting for his title to become official. Photo: Lennart Ootes/Saint Louis Chess Club.

Der Plan ist voll aufgegangen. Nakamura gewann die Partie und damit auch zum 5. Mal die U.S. Meisterschaft. Er zog damit an den Schachlegenden GM Yasser Seirawan und GM Alex Shabalov vorbei, die beide jeweils 4 Mal gewonnen hatten und mit GM Gata Kamsky, der ebenfalls 5 Meisterpokale in seinem Trophäenschrank stehen hat, gleich.

Vor dem letzten Tag schien GM Leinier Dominguez auf der Pole Position zu liegen. Er war der einzige des Führungstrios, der mit Weiß spielen durfte und hatte mit GM Timur Gareev einen der niedriger bewerteten Spieler als Gegner. Wie schon bei ihrer ersten Partie bei der Olympiade 2006 zeigte Gareev jedoch Einfallsreichtum und frustrierte seinen Gegner in einem Endspiel mit einer Figur weniger.

Leinier Dominguez Timur Gareev
Leinier Dominguez und Timur Gareev. Foto: Lennart Ootes/Saint Louis Chess Club.

Der dritte Spieler, der vor dem heutigen Tag bereits 7 Punkte auf dem Konto hatte, war GM Fabiano Caruana. Er bekam gegen den scheidenden Meister GM Sam Shankland aber nie eine Partie aufs Brett und musste sich schon früh mit einem Remis zufriedengeben.

GM Wesley So lag nur einen halben Punkt hinter dem Führungstrio und hatte somit auch noch theoretische Chancen auf den Gesamtsieg, die er allerdings durch seine Niederlage gegen den jüngsten Spieler des Turniers, GM Awonder Liang, der mit dem Sieg eine ELO von 2600 erzielte, begraben konnte.

Wesley So
Wesley So fand heute einfach nicht den richtigen Sitz. Foto: Lennart Ootes/Saint Louis Chess Club.

Die Damenmeisterschaft wurde bereits gestern entschieden, aber die neue U.S. Meisterin WGM Jennifer Yu spielte einfach weiter, als wenn nichts geschehen wäre. Sie gewann auch ihre letzte Partie, erzielte 10 von 11 möglichen Punkten und gewann das Turnier mit einem überlegenen Vorsprung von 2.5 Punkten.

Nakamura hatte die halbe Nacht damit verbracht, sich auf Xiongs 1.e4 vorzubereiten, um eine echte Partie aufs Brett zu bekommen und wurde dann von 1.d4 überrascht. Da aber gestern schon Caruana unter Siegzwang stand und auf 1.d4 erfolgreich mit der Holländischen Verteidigung geantwortet hatte, entschied sich Nakamura dafür, es Caruana gleichzutun.

“Ich habe gewußt, dass Jeffery diese Strukturen nicht gerne spielt," erklärte Nakamura. “Die Stellung war sehr komplex und er kannte sie nicht besonders gut.”

Nakamura sagte, dass sich das Brett nach 23. Sge2 Sg4 "in ein einziges Chaos verwandelt hatte... und dann hat sich das Blatt gedreht.”

Obwohl sein Turm auf der a-Linie in die gegnerische Stellung eingedrungen war, sah Weiß keinen Grund, sich jetzt kampflos zu ergeben.

"Jeffery hat sehr interessante Taktiken gefunden und sich lange gewehrt." Nach seinem Sieg musste er aber noch die letzten Züge der Partie Dominguez-Gareev abwarten und erst als sich die beiden die Hände schüttelten, war ihm der Titel des U.S. Meisters sicher.

Hikaru Nakamura Sam Shankland
Noch Meister Sam Shankland sieht sich sie Partie seines Nachfolgers Hikaru Nakamura an. Foto: Lennart Ootes/Saint Louis Chess Club.

"Diese Meisterschaft war wirklich anders, weil es so viele Partien gab, die ich gewinnen musste", sagte Nakamura. "Alleine Wege zu finden, wie ich diese Partien mit Schwarz gewinnen konnte, war schon etwas ganz Besonderes."

Er sagte, dass ihm zwei Dinge bei dieser Veranstaltung besonders geholfen hatten. Erstens erinnerte er sich an einen langsamen Start bei der Meisterschaft 2006, bei der er am Ende noch beinahe den Titel gewinnen konnte, jedoch seine Chancen auf den Turniersieg in der letzten Runde verspielte.

"Im Grund habe ich mit dieser Partie das ganze Turnier in die Tonne geklopft", erinnert er sich. "Dieses Jahr habe versucht, freier zu sein und das Turnier einfach zu genießen, anstatt mir Sorgen zu machen, was schiefgehen könnte... Es hat sich angefühlt wie in alten Zeiten."

Nakamura Shankland
Shankland gratuliert Nakamura zum Titel. Foto: Lennart Ootes/Saint Louis Chess Club.

Er wiederholte auch, was er schon vor ein paar Tagen zu Chess.com gesagt hatte: Die Unterstützung seiner vielen Twitch-Anhänger und Abonnenten motivierte ihn ganz besonders.

Weitere Gedanken von Nakamura zu seinem Titelgewinn seht Ihr in diesem Video.

Sind ihm jetzt 5 Titel genug? Nakamura wollte keine Vorhersagungen treffen.

“Ich bin nicht Irina [Krush - die sieben Titel gewonnen hat]. Es wäre wirklich unglaublich, wenn ich das schaffen würde.” 

Zuerst sah aber noch alles danach aus, als ob Dominguez ein Playoff erzwingen könnte. Nakamura hatte Gareev eine 20% Chance gegeben, die Partie nicht zu verlieren, aber dieser fand einen genialen Zug nach dem anderen und erreichte im Endspiel eine Remisstellung, obwohl er einen Springer weniger hatte.

Timur Gareev
Timur Gareev. Foto: Lennart Ootes/Saint Louis Chess Club.

Während Dominguez mit einigen Gewinnmöglichkeiten geflirtet hatte, hatte Caruana nie wirklich die Möglichkeit, mit Nakamura gleichzuziehen.

“Ich spielte eine extrem scharfe Variante," sagte Caruana, "aber er wollte einfach nur ein Remis und sobald sich die erste Möglichkeit dafür ergab, packte er seine Chance beim Schopf.”

Er sagte, seine Eröffnung sei absichtlich grenzwertig schlecht gewesen, weil er seinen Gegner provozieren wollte. Es gab dabei nur ein Problem: Shankland ließ sich nicht provozieren.

Fabiano Caruana Rustam Kasimdzhanov
Rustam Kasimdzhanov und Fabiano Caruana. Foto: Justin Keller/Saint Louis Chess Club.

Und warum hat er nicht auf die Holländische Eröffnung, die Nakamura heute zum Sieg verhalf, zurückgegriffen, wie er es schon früher getan hat? Caruana dachte, dass die Katze bereits aus dem Sack war.

“Ich habe schon über die Holländische Eröffnung nachgedacht, aber ich dachte, er wäre darauf vorbereitet.”

“Es ist eine große Ehre, dieses Turnier zu gewinnen," sagte Caruana. "Ich habe es einmal geschafft und will es wieder schaffen.”

Als Shankland bereits wusste, dass er seinen Titel in wenigen Stunden verlieren würde, blickte er auf das vergangene Jahr.

“Das war sicher nicht mein schlechtestes Turnier, aber sicher das schmerzhafte," sagte Shankland. “Ich werde jezt in ein selbstbestimmtes Exil gehen und mich davon erholen ... Ich brauche eine Pause. Die vergangenen Ereignisse waren sehr schmerzhaft. Ich habe aber schon vorher Schläge bekommen und das werden nicht die letzten gewesen sein.”

Er sagte, dass es die größte Ehre seines Lebens war, U.S. Meister gewesen zu sein und dass er die nächsten Monate damit verbringen würde, seinem Buch, "Small Steps to Giant Improvement (Mit kleinen Schritten zu einem großen Fortschritt)" einige Kapitel hinzuzufügen.

Im Damenturnier gab es einige bemerkenswerte Ergebnisse. GM Irina Krush beendete das Turnier genauso, wie sie begonnen hatte: Mit einem Sieg. Alles, was in den 9 Runden dazwischen vorgefallen war, will sie allerdings nach eigener Aussage so schnell wie möglich vergessen. Kurioserweise landet sie trotz einer negativen Bilanz (5/ 11) in der oberen Hälfte der Tabelle.

IM Anna Zatonskih verlor heute erneut gegen WGM Sabina Foisor, wodurch sich WGM Tatev Abrahamyan noch den zweiten Platz sichern konnte.

Die Schlagzeile der heutigen Runde ist allerdings die gleiche, wie bei (fast) allen anderen Runden auch: Yu hat gewonnen. Einige denken vielleicht, dass man ein Turnier, bei dem man bereits 9/10 erzielt hat und den Titel sicher in der Tasche hat, die letzte Partie ruhiger angehen lassen kann, aber wenn es eine Spielerin gibt, die hier anderer Meinung ist, dann ist das Jennifer Yu. Auch bei der U-12 Mädchen Weltmeisterschaft 2014 hatte sie die Goldmedaille schon vor der letzten Runde sicher und gewann dann noch ihre letzte Partie.

Jennifer Yu
Jennifer Yus 10/11 sind das beste Damenergebnis aller Zeiten in St. Louis und vergleichbar mit Caruanas 8.5/10 beim Sinquefueld Cup 2014 . Foto: Lennart Ootes/Saint Louis Chess Club.

Und genau wie damals gewann sie auch heute ihre letzte, bedeutungslose, Partie. Das zeigt wirklich von ganz großer Klasse.

Yu sagte, dass sie mit derselben Einstellung wir vor jeder anderen Runde in die Partie gegangen ist, aber jetzt braucht ihr Verstand eine Pause.

"Ich glaube, dass ich nach den 11 Runden hier und nach den sieben Runden davon bei der High School Meisterschaft eine kleine Pause brauche", sagte sie.

Ihr nächstes Ziel ist der IM Titel. Wie Abrahamyan hat sie die drei Normen dafür bereits in der Tasche. Es dreht sich also nur noch um die Frage, wer zuerst auf 2400 kommt (Abrahamyan war in diesem Turnier bereits sehr nah dran).

Hier ist die komplette Übertragung der letzten Runde.

Die offizielle Übertragung der 9. Runde.

GM Robert Hess hat alle Runden der U.S. Meisterschaft auf seinem Twitch Kanal kommentiert. Hier ist die Übertragung der letzten Runde:

Watch US Championship Commentary from gmhess on www.twitch.tv


Weitere Artikel über die U.S. Meisterschaft 2019 (alle auf Englisch):

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FM Mike Klein

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Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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