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Hat Anand gegen Kramnik ungültig umgewandelt?

Hat Anand gegen Kramnik ungültig umgewandelt?

PeterDoggers
| 2 | Sonstige

Die neuen FIDE Schachregeln sind seit dem 1. Juli 2017 wirksam. Eine Neuerung ist, dass es ab sofort verboten ist, für die Umwandlung eines Bauern in eine andere Figur zwei Hände zu benutzen. Sollte dies in Blitz- oder Schnellschachpartien geschehen, hat der Schiedrichter die Partie als verloren zu werten. Interessanterweise passierte genau dies bei der Blitzpartie von Viswanathan Anand gegen Vladimir Kramnik, in Löwen 2017.

Anand's Umwandlung in der Partie gegen Kramnik. | Foto: Maria Emelianova

Vielleicht erinnert ihr euch noch an unseren Artikel über die neuen Schachregeln, die am 1. Juli 2014 in Kraft traten. Damals gab es wichtige Regeländerungen bezüglich der Umwandlung eines Bauern und der Definition von ungültigen Zügen in diesem Zusammenhang.

So gilt zum Beispiel seit 3 Jahren die Regel, dass das ziehen eines Bauern auf die Grundreihe und das drücken der Uhr, ohne diesen Bauern durch eine andere Figur zu ersetzen, ein ungültiger Zug ist, der wie weiter unten beschrieben, bestraft wird. Der Bauer wird dann automatisch in eine Dame umgewandelt.

Ferner gilt seit 2014 die Regel, dass wenn man in einer klassischen Partie einen ungültigen Zug macht, der Gegner eine Zeitgutschrift von 2 Minuten erhält und der zweite ungültige Zug die Partie verliert.

Schließlich gilt noch seit 2014, dass wenn ein Spieler in einer Blitzpartie einen ungültigen Zug mach, die Partie vom Schiedrichter sofort als verloren erklärt werden muss (außer, wenn der Spieler keine legale Möglichkeit mehr hat, die Partie zu gewinnen).

Nakamura-Savchenko, Welt-Blitzmeisterschaft 2014—Ein Endspiel das alles zu bieten hatte: Zwei Bauernumwandlungen und einen ungültigen Zug.

In den neuen Schachregeln, die seit 1. Juli 2017 in Kraft sind, wird auch ein Zug, der mit beiden Händen ausgeführt wird, als ungültig eingestuft. Ferner wurden noch 2 ganz neue Paragrafen in die Schachregeln aufgenommen:

7.7.1     Benützt ein Spieler zwei Hände zur Ausführung eines einzigen Zuges (beim Rochieren, Schlagen oder einer Bauernumwandlung), wird dies wie ein regelwidriger Zug
behandelt.

7.7.2 Für den ersten Verstoß gegen die Artikel 7.7.1 fügt der Schiedsrichter zwei zusätzliche Minuten zur Bedenkzeit des Gegners hinzu; für den zweiten Verstoß gegen die Artikel 7.7.1 durch denselben Spieler erklärt der Schiedsrichter die Partie für ihn verloren. Die Partie ist jedoch remis, wenn eine Stellung entstanden ist, in der es dem Gegner nicht möglich ist, den König des Spielers durch irgendeine Folge regelgemäßer Zügen matt zu setzen.

7.8.1.   Wenn der Spieler die Uhr drückt, ohne einen Zug ausgeführt zu haben, wird dies als regelwidriger Zug betrachtet.

7.8.2  Für den ersten Verstoß gegen die Artikel 7.8.1 fügt der Schiedsrichter zwei zusätzliche Minuten zur Bedenkzeit des Gegners hinzu; für den zweiten Verstoß gegen die Artikel 7.8.1 durch denselben Spieler erklärt der Schiedsrichter die Partie für ihn verloren. Die Partie ist jedoch remis, wenn eine Stellung entstanden ist, in der es dem Gegner nicht möglich ist, den König des Spielers durch irgendeine Folge regelgemäßer Zügen matt zu setzen.

Das betrifft jetzt aber nur klassische Partien. Die Bestrafung in Blitz- oder Schnellschachpartien ist strenger geregelt:

A.4.2
Wenn der Schiedsrichter einen abgeschlossenen regelwidrigen Zug beobachtet, erklärt
er die Partie für den Spieler verloren, vorausgesetzt der Gegner hat seinen nächsten Zug
noch nicht ausgeführt. Wenn der Schiedsrichter nicht eingreift, darf der Gegner den
Gewinn reklamieren, vorausgesetzt der Reklamierende hat seinen nächsten Zug noch
nicht ausgeführt. Die Partie ist jedoch remis, wenn der Gegner aus dieser Stellung
heraus mit keiner Folge regelgemäßer Züge den gegnerischen König matt setzen kann.
Wenn der Gegner nicht reklamiert und der Schiedsrichter nicht eingreift, bleibt der
regelwidrige Zug bestehen und die Partie wird fortgesetzt. Hat der Gegner seinen
nächsten Zug ausgeführt, kann der regelwidrige Zug nicht mehr korrigiert werden, es
sei denn, die Spieler einigen sich hierauf ohne Anrufung des Schiedsrichters.

Interessanterweise, war ein solcher Vorfall auf dem höchsten Level, beim Grand Chess Tour Turnier in Löwen zu beobachten. In unserem Bericht dieses Spieltages, war auch die Partie von Anand gegen Kramnik vorgestellt. Sie wurde am 1. Juli gespielt und endete mit einem Hochgeschwindigkeitsfinale.

Wir haben auch einen Tweet mit dem Video der letzten Züge dieser Partie versendet.

Was uns damals aber noch nicht aufgefallen war, war die Tatsache, dass Anand bei der Umwandlung seines Bauern zwei Hände benutzt hatte. Und da dies eine Blitzpartie war hätten die Schiedsrichter eigentlich die Uhr stoppen und die Partie für Kramnik als gewonnen erklären müssen, denn die Regel war seit genau diesem Tag in Kraft! (Die Organisatoren hatten auch zu Chess.com gesagt, dass sie die neuen Regeln anwenden würden und die Spieler darüber informiert hätten.)

Es gibt aber wohl nur wenige Schiedrichter auf der Welt, die den Mut haben einem fünfmaligen Weltmeister zu belehren, dass er die Partie gerade wegen eines ungültigen Zuges verloren hat. In Löwen waren 2 Schiedrichter für 5 Bretter zuständig, und an diesem Brett stand jetzt gerade keiner von den beiden. Und bevor irgendwer einschreiten konnte, hatten sich beide Spieler schon auf ein Remis geeinigt.

Noch in der selben Woche berichteten wir von einem Event, bei dem der selbe Fall auftrat. FM MIke Klein berichtete von der Kanadischen Meisterschaft wo ein Spieler im Blitz-Playoff einen Bauern in einen "umgedrehten" Turm umwandelte, den der Schiedrichter dann als Turm, und nicht als Dame erklärte.

Das führte natürlich zu einer langen Diskussion, aber eines ist niemanden aufgefallen: Der Spieler benutzte auch zwei Hände für die Umwandlung.

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IM Nikolay Noritsyn benutzt für seine Umwandlung in der Partie gegen GM Bator Sambuev beide Hände.

Zufälligerweise wurde diese Partie auch genau am 1. Juli gespielt. Man könnte sich jetzt aber fragen, ob ein Turnier, das schon vor dem 1. Juli begann, nicht mit den alten Regeln zu Ende gespielt werden sollte.

Takis Nikolopoulos, der internationale Schiedsrichter und Vorsitzende des FIDE Regel-Ausschusses sagte dazu zu Chess.com: "Meiner Meinung nach müssen bei einem Turnier bei allen Runden die selben Regeln gelten. Es erscheint mir nicht fair, wenn die Regeln während eines Turniers geändert werden."

Dies sind jetzt aber nur 2 Beispiele die zeigen, wie alltäglich es ist, dass man beide Hände bei der Umwandlung eines Bauern, beim Rochieren oder beim Schlagen benutzt. Da werden in der nächsten Zeit viele Spieler den Sieg für sich reklamieren. Und da diese Regel nun mal in Kraft ist, solltet ihr euch besser ganz schnell daran gewöhnen. Speziell in Schnellschach- und Blitzpartien.


Update:

Eines unserer Mitglieder, saß sowohl am 1. als auch am 2. Juli in der ersten Zuschauerreihe in Löwen und berichtete uns folgendes Ereignis: Am Tag nach der Partie Anand-Kramnik informierte einer der Schiedsrichter alle Großmeister, dass es illegal wäre, für die Umwandlung einer Figur zwei Hände zu benutzen. Er bezog sich dabei auf "eine Partie, die gestern gespielt wurde". Als ihn einer der Spieler fragte, welche Partie dies denn gewesen sei, antwortete der Schiedrichter diplomatisch: "Das darf ich nicht sagen!" Viele der Großmeister, inclusive Anand und Kramnik konnten sich daraufhin ein Lachen nicht verkneifen. 

PeterDoggers
Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

Peter's first book The Chess Revolution is out now!

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