Grischuk zieht ins Halbfinale der Speechess Meisterschaft ein
Alexander Grischuk warf heute Maxime Vachier-Lagrave bei der MasterClass Speed Chess Meisterschaft aus dem Turnier und steht damit als erster Halbfinalist fest. Er trifft nun entweder auf Magnus Carlsen oder Wesley So.
Bis jetzt konnte bei der Speedchess Meisterschaft noch nie ein Außenseiter gegen einen Favoriten gewinnen, aber seit gestern hat sich das geändert.
OK, der Unterschied war jetzt nicht besonders groß. Grischuk war an 5 gesetzt und MVL an 4. Aber bei allen Duellen in diesem und im letzten Jahr hat sich der höher gesetzte Spieler durchgesetzt.
Das Duell, das ja praktisch eine Fortsetzung des Achtelfinales des Weltcups war (das MVL gewinnen konnte), war ganz zu Anfang noch ausgeglichen. Beide Spieler verbuchten je einen Sieg und die dritte Partie endete mit einem Remis.
Grischuks erster Sieg war eine tolle Lektion in Sachen Zugzwang -- Die Kommentatoren GM Eric Hansen und IM Danny Rensch rechneten schon mit einem Remis, als dies passierte:
Grischuk und MVL beim Weltcup. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.
Nachdem Grischuk die vierte Partie gewonnen hatte, war MVL drauf und dran erneut auszugleichen.
Was dann passierte, war aber vielleicht der kritische Moment des Duells. Es gibt ja in vielen Partien kritische Momente, aber auch ganze Duelle oder Serien können solche Momente haben.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Vachier-Lagrave 2 Minuten und 18 Sekunden auf seiner Uhr, während sein Gegner noch 8 Sekunden Bedenkzeit hatte...
"Ich habe 41...d2 nicht mal automatisch gezogen," sagte MVL hinterher. Er gab zu, dass ihm dieser verschenkte Sieg zu schaffen machte. "Danach war alles wie verhext."
Die nächste Partie verlor er in nur 18 Zügen.
Grischuk gewann dann auch noch die nächsten beiden Partien und landete damit einen Tiefschlag. Normalerweise wollte ein 4 Punkte Vorsprung in solch einem Duell noch nicht Vorentscheidend sein, aber Vachier-Lagrave sollte diesen Vorsprung nie mehr wettmachen können. Bezeichnenderweise könnte er erst in der 13. Partie seinen zweiten Sieg verbuchen.
Die Partien 9-12 endeten alle Unentschieden und MVL vergab immer wieder Chancen. Diesen Gewinnzug sahen übrigends die Kommentatoren - und nicht die Spieler:
Nach 10 Partien war das erste Drittel vorüber und es stand 7:3 für Grischuk.
Ergebnis: 5|2 Bedenkzeit
Land | Spieler | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | Gesamt |
Alexander Grischuk | 1 | 0 | ½ | 1 | ½ | 1 | 1 | 1 | ½ | ½ | 7 | |
Maxime Vachier-Lagrave | 0 | 1 | ½ | 0 | ½ | 0 | 0 | 0 | ½ | ½ | 3 |
Wie schon erwähnt, gewann MVL die 13. Partie. Dies gelang ihm durch eine sehenswerte Taktik. Danny Rensch sagte noch hoffnungsvoll: "Wenn MVL solch eine Taktik entdeckt, ist sein Selbstvertrauen wohl zurückgekehrt". Leider waren aber solche Geistesblitze des Franzosen gestern nur selten zu bewundern:
Die Partien 14-16 waren außergewöhnlich gut. Laut FM Mike Klein, "war das vielleicht beste Serie von 3 Partien, die wir je bei der Speedchess Meisterschaft zu sehen bekamen."
Zuerst durfen wir ein klassisches Lxh7 Opfer bestaunen, das vielleicht aber garnicht so klassiche war, denn Schwarz behielt die Mehrfigur:
Dann spielte Grischuk eine brilliante Angriffspartie. Er gab danach zu, dass er diese Stellung bis zu 13.Lxe7 studiert hatte, aber das macht die Partie nicht weniger beeindruckend.
Rensch: "Nach dem Matt lehnt sich Grischuk entspannt in seinem Stuhl zurück. Das ist fast schon gemein."
Hansen: "Das war eine der besten Partien, die ich je gesehen habe. Diese Partie hat MVL wirklich demoralisiert."
Grischuk: "Zu diesem Zeitpunkt hat Maxime gemerkt, dass der Grand Prix Angriff sein Najdorf widerlegt, also konnte er kein Najdorf mehr spielen."
MVL: "Ich freu mich schon auf unsere nächste klassische Partie, bei der Du den Grand Prix Angriff gegen mich spielst!"
In der Zwischenzeit war neben vielen anderen Großmeistern auch GM Hikaru Nakamura im Chess.com/tv Chat aufgetaucht. Meistens lies er sich aber nicht auf Diskussionen ein sondern schlug lediglich Züge vor -- starke Züge!
Für Grischuks Mattangriff hatte er aber dann doch einen typischen Chatkommentar übrig: "OMG. OMFG. KRANK. KRANK. KRANK."
Und dann kam es zu dieser Partie, die dann auch den letzten Zuseher vom Hocker riss:
Dann folgten sechs Siege mit den schwarzen Figuren in Serie. Das beinhaltete auch die Schach960 Partie, die das zweite Drittel beendete. Man kann wirklich behaupten, dass MVL in dieser Partie das Zentrum kontrollierte!
Das zweite Drittel endete somit 4.5-4.5, aber der Gesamtstand war jetzt 11.5-7.5 für Grischuk.
Ergebnis: 3|2 Bedenkzeit
Land | Spieler | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | Gesamt |
Alexander Grischuk | ½ | ½ | 0 | 1 | 1 | ½ | 0 | 1 | 0 | 4.5 | |
Maxime Vachier-Lagrave | ½ | ½ | 1 | 0 | 0 | ½ | 1 | 0 | 1 | 4.5 |
Nach der 24. Partie und nachdem die Siegesserie von Schwarz beendet war, führte Grischuk weiterhin mit 4 Punkten Vorsprung. Der Zwischenstand war jetzt 14:10. Was dann passierte führte zu gemischten Reaktionen im Chat.
Grischuk spielte in einer verlorenen Stellung länger weiter als üblich und einen Zug vor dem Matt dachte er etwa 20 Sekunden lang nach (und zog dabei vor der Webcam Grimassen) bevor er aufgab.
In der 27. Partie tat er dann etwas ähnliches. In einem absolut ausgeglichenen Turmenspiel spielte er weiter und nahm dadurch Zeit von der Gesamtspieldauer, bis MVL aufgrund der 50 Züge Regel einen halben Punkt verbuchen konnte. Das war wirklich sehr ungewöhnlich für einen Spieler von Grischuks Format.
Im Interview nach dem Duell entschuldigte sich Grischuk aber für diese beiden Partien und gab zu, dass das ein wenig "dreckig" gewesen sei. Er wies aber auch darauf hin, dass Magnus Carlsen im letzten Jahr gegen ihn auf die selbe Taktik zurückgegriffen hatte, und er sich schon damals entschieden hatte, diese Taktik ebenfalls anzuwenden wenn er die Chance dazu bekommen würde.
Nakamura stand aber auf Grischuks Seite: "Für einen Sieg muss man sich nicht Entschuldigen!"
MVL zeigte sich nach dem Duell als fairer Verlierer und gratulierte seinem Gegner zum Sieg, obwohl er erwähnte, dass er über die Aktion von Grischuk nicht gerade erfreut gewesen war. "Irgendwo habe ich ihn ja verstanden, aber es war nicht nur frustrierend sondern auch unnötig."
Immerhin konnte der Franzose aber die letzte Partie des Viertelfinales, eine Schach960 Partie, gewinnen:
Immerhin konnte MVL die letzte Partie gewinnen.
Ergebnis: 1|1 Bedenkzeit
Land | Spieler | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | Gesamt |
Alexander Grischuk | 1 | 0 | 1 | ½ | 0 | 1 | 0 | ½ | ½ | 0 | 4.5 | |
Maxime Vachier-Lagrave | 0 | 1 | 0 | ½ | 1 | 0 | 1 | ½ | ½ | 1 | 5.5 |
Grischuk gewann damit $2,327.59 und erklärte, dass die Form ein wichtiger Faktor ist. "Gute und schlechte Form ist wirklich etwas seltsames, denn manchmal trainiert man gut und fühlt sich körperlich super und man findet einfach keine Züge. Ich bin heute erkältet und konnte mich fast nicht vorbereiten, aber habe wirklich gut gespielt. Du weißt irgendwie nie welche Form Du haben wirst. Form ist etwas seltsames."
"Am Anfang habe ich einige Chancen liegenlassen," sagte MVL, der immerhin noch $672.41 gewann. "Dann lies Sasha einige Chance liegen aber ich konnte den Rückstand einfach nicht aufholen. Irgendwann habe ich mich dann erholt und es wurde ein interessanter Kampf, aber ich habe weiterhin zu viele Chancen ungenutzt gelassen."
Grischuk trifft im Halfinale auf den Sieger des Duells Magnus Carlsen gegen Wesley So, das am 21. November stattfindet. Als er gefragt wurde, gegen wen er lieber Spielen würde, antwortete er: "Die Chance, dass Magnus gewinnt steht 10:1. Es ist völlig egal gegen wen ich spielen möchte, denn ich werde gegen Magnus spielen."
Verpasst nicht das zweite Viertelfinale zwischen Sergey Karjakin und Ian Nepomniachtchi, heute am 24. Oktober um 19.00 Uhr auf www.Chess.com/tv!