GM Igors Rausis unter Betrugsverdacht
Nachdem er während einer Partie bei den Straßburg Open mit seinem Handy erwischt wurde, wird gegen GM Igors Rausis wird wegen Betrugs ermittelt. Den Verdacht hatte der 58-jährige lettisch-tschechische Großmeister bereits geschürt, da er seine Elo in den letzten Jahren auf fast 2700 gestiegen war.
Während eines Opens, das momentan in Straßburg stattfindet, wurde in einer Toilette ein Smartphone gefunden, das Rausis kurz zuvor benutzt hatte. Später unterschrieb er eine Erklärung, dass das Smartphone ihm gehört.
Ob er das Smartphone und die Engine auf der Toilette benutzt hat, ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar.
Gegenüber Chess.com sagte Rausis:
Ich habe gestern einfach den Verstand verloren. Ich habe die Tatsache, dass ich mein Handy während der Partie benutze, durch eine schriftliche Erklärung bestätigt. Was kann ich sonst noch sagen? Ja, ich war nach der Morgenrunde müde und alle Facebook-Posts meiner Ankläger haben die bekannten Auswirkungen. Zumindest ist das, was ich gestern gemacht habe, eine gute Lektion. Aber nicht für mich, denn ich habe meine letzte Partie bereits gespielt.
Yuri Garrett, FIDE-Geschäftsführer und zuständig für Fairplay, sagte gegenüber Chess.com, Rausis habe sich freiwillig vom Turnier zurückgezogen. Dies widerspricht einem auf Russisch verfassten Facebook Post von FIDE-Generaldirektor Emil Sutovsky, der sagte, Rausis sei vom Turnier "suspendiert" worden.
Laut Sutovsky stand Rausis schon länger unter Verdacht. Er erwähnte auch, dass sich nun die Ethikkommission der FIDE mit dem Fall befassen werde und sogar die französische Polizei eingeschaltet worden sei.
Garrett hatte den Fall schon zuvor in einem Facebook Post erwähnt, allerdings ohne den lettischen Großmeister namentlich zu nennen. Er schrieb, dass der Spieler schon seit Monaten genau beobachtet wurde, weil sie von den "hervorragenden statistischen Erkenntnissen" von Ken Regan alarmiert gewesen waren.
Regan ist Privatdozent an der Universität von Buffalo, der State University von New York, und berät die FIDE seit mehreren Jahren nach einem Modell, das er entwickelt hat, um statistische Tests für das Betrügen beim Schach durchzuführen.
Garrett sagte zu Chess.com:
Die FIDE scannt kontinuierlich alle Spieler und alle verdächtigen Partien und identifiziert dadurch alle statistischen Ausreißer. Dies löst unauffällige Aktionen seitens der FPC aus. Wenn die Abweichung auf Betrug basiert, wird ein Team, bestehend aus einem guten Organisator und einem guten Schiedsrichter, die mit der FPC zusammenarbeiten, den Betrüger vor Ort überführen. Die Einhaltung der Betrugsbekämpfungsmaßnahmen [hier als PDF] ist dabei natürlich von größter Bedeutung.
Der internationale Schiedsrichter Laurent Freyd, der als Schiedsrichterobmann des französischen Schachbundes eng mit den lokalen Schiedsrichtern in Straßburg zusammenarbeitet, war ebenfalls in den Fall verwickelt. Freyd konnte keine Details liefern, nannte Rausis Überführung aber "Teamwork".
Der in der sowjetischen Ukraine geborene lettische GM vertritt seit 2007 den tschechischen Schachverband, nachdem er zwischen 2003 und 2007 für Bangladesch gespielt hatte. Rausis ist der älteste Spieler in den Top 100 der FIDE-Liste und derzeit mit einer Elo von 2686, die Nummer 53 der Welt.
Vor sechs Jahren, im Mai 2013, lag sein Rating noch bei 2518 und schwankte seit über 10 Jahren um die 2500-Marke. Seitdem hat er seine Elo aber um fast 200 Punkte gesteigert.
In den letzten sechs Jahren steigerte Rausis seine Elo stetig, da er hauptsächlich gegen Gegner mit einer niedrigeren Wertung spielte, und gegen diese fast immer gewann. Zum Beispiel hat er in der Elo-Wertung vom Juli 2019 fast nur Partien gegen Spieler, die eine um mehr als 400 Punkte geringere Elo-Zahl als er selbst haben, und erzielte dabei 24,5 von 25 möglichen Punkten.
Auf diese Weise hat Rausis von der "400-Punkte-Regel" gemäß Absatz 8.54 der FIDE-Ratingregeln profitiert: "Ein Unterschied im Rating von mehr als 400 Punkten wird für Ratingzwecke so gewertet, als ob es ein Unterschied von 400 Punkten wäre." Ein Spieler gewinnt also immer noch 0,8 Bewertungspunkte, auch wenn sein Gegner um mehr als 400 Punkte weniger hat.
Um seine Rating auf diese Art zu verbessern, muss man aber über einen sehr langen Zeitraum fast perfekt spielen, was selbst bei sehr schwächeren Gegnern nicht einfach ist.
Der Fall Rausis ähnelt dem eines georgischen Großmeisters, der 2015, nachdem sein Telefon in einer Toilette gefunden wurde, von einem Turnier ausgeschlossen wurde. In diesem Fall stellte sich heraus, dass er seine Stellung mit einer Schachengine analysiert hatte. Er wurde für drei Jahre gesperrt und verlor seinen GM Titel.