FIDE WM Partie 3: Magnus mit Schwarz erneut bombensicher
Herausforderer Ian Nepomniachtchi und Weltmeister Magnus Carlsen haben auch die dritte Partie der Schach WM 2021 remisiert. Am Montag ist in Dubai ein Ruhetag angesetzt. Die vierte Partie startet am Dienstag um 13.30 Uhr.
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Nach dem spannenden und intensiven zweiten Partie, in der beide Spieler zu verschiedenen Zeitpunkten in leichten Schwierigkeiten steckten, verlief die dritte Partie am Sonntag viel ruhiger und ausgeglichener. "Präzise" war das Wort von Chess.coms Starkommentator Fabiano Caruana mit der er die Partie, deren letzte Züge eine reine Formalität waren, um vorschriftsgemäß den 40. Zug zu erreichen, beschrieb.
Interessanterweise hatte Carlsen in einem Interview nach der 2. Partie erwähnt, dass er der Meinung war, dass sowohl seine als auch Ians Nerven die Qualität der Partien beeinflusst hätten. Er war der Meinung, dass Nepomniachtchi seinen Vorteil hätte nutzen können, wenn es eine ganz normale Turnierpartie gewesen wäre, und er sagte auch voraus, dass die dritte Partie ein weniger aufregendes Remis werden würde, weil beide Spieler den ersten Ruhetag herbeisehnen. Diese Vorhersage erwies sich als richtig.
Der erste Zug in der Glasbox wurde von einem von der FIDE eingeladenen Gast ausgeführt: Der French-Open-Siegerin von 2004, Anastasia Myskina. Im Interview mit Chess.coms Mike Klein, erzählte sie, dass Schach und Tennis erstaunliche Ähnlichkeiten haben:
"Als ich ein kleines Kind war, sagte mir mein Trainer, dass Tennis wie Schach auf einem großen Feld ist. Man muss immer daran denken, wohin man den nächsten Ball spielt. Ich denke, es ist sehr wichtig, Schach ins Tennistraining zu integrieren.
Wie sich herausstellte, kann sie auch spielen. "Mein Vater wollte immer, dass ich vor und zwischen den Spielen Schach spiele, weil er sagte, dass man beim Schachspielen besser nachdenkt", sagte Myskina.
Gestern hatte Carlsen FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich angewiesen, den Zug 1.e4 zu spielen. Danach änderte er ihn aber zu 1.d4. Heute drehte Nepomniachtchi den Spieß um, und wies Myskina an, den Zug 1.d4 zu spielen. Nachdem dann der Schiedsrichter die Uhr gestartet hatte, stelle er diesen Bauern aber vorsichtig auf sein Startfeld zurück und spielte, genau wie in der ersten Partie, 1.e4.
Sieben Züge lang kopierten die Spieler ihre Züge der ersten Partie. Also ein weiteres Anti-Marshall, d.h. eine weitere Partie, bei der Weiß das von Frank Marshall erfundene Gambit vermied. Marshall verlor ja 1907 eine Weltmeisterschaft gegen den großen Emanuel Lasker, aber er hielt den US-Meistertitel genauso lange, wie Lasker den Weltmeistertitel: 27 Jahre.
Der achte Zug von Nepomniachtchi war die erste Abweichung und erinnerte an eine andere historische Schlacht. Das letzte Mal, dass in einer Weltmeisterschaft der Zug 8.a4 gespielt wurde, war 1993 in London von Garry Kasparov gegen Nigel Short. Der twitterte direkt nach diesem Zug: "Diese Stellung weckt sehr viele schmerzhafte Erinnerungen. Auch nach 28 Jahren sind die Narben noch immer nicht verheilt."
Danach verließ sich Carseln auf sein normales Repertoire. Die Stellung nach 9...d6 hatte er schon 14 Mal in seiner Karriere gespielt. Dem Zug 10.Sbd2 war er jedoch noch nie ausgesetzt. Gegen ihn wurde bis jetzt nur 10.Sc3, 10.c3 und 10.Ld2 gespielt. Short hingegen kennt diesen Zug aus seiner Partie gegen Kasparov.
Der Weltmeister konterte mit einem gleichermaßen seltenen Zug (10...Te8), aber weiterhin war noch keiner der Spieler "aus dem Buch". Tatsächlich spielten sie einige weitere Züge relativ schnell, wobei die Züge 12.Ld2 von Weiß und 15...Sc6 für Schwarz – die Neuerung in dieser Partie - von allen Experten gelobt wurden.
Die Stellung nach 15...Sc6.
Laut Caruana war dieser unnatürlich aussehende Springerzug, der so schnell auf ein Feld zurückkehrte, von dem er gerade kam und auf dem er sogar noch seinen c-Bauern blockiert, "definitiv noch Vorbereitung".
Gegen Ende der Partie würde Caruana noch eine starke und hochinteressante Bemerkung über den Weltmeister machen:
"Nur weil Magnus eine etwas andere Herangehensweise hat und Varianten vorbereitet, die nicht theoretisch sind, heißt das nicht, dass er sie nicht gut vorbereitet hat. Das bedeutet nur, dass er das Gefühl hat, dass er dort die besten Chancen in der Eröffnung hat. Ich denke, dass Magnus schon seit vielen Jahren der am besten vorbereitete Eröffnungsspieler der Welt ist."
I think that as an overall opening player, Magnus is probably the best prepared in the world and has been for many years now.
—Fabiano Caruana
Im 16. Zug dachte Carlsen erstmals lange nach und als er im nächsten Zug seinen Läufer nach c8 gezogen hatte, sah die Stellung für seinen Gegner etwas angenehmer aus. Caruana ging sogar so weit zu sagen: "Ich mache mir jetzt ein bisschen Sorgen um Magnus."
Manchmal war zu sehen, dass sich Nepomniachtchi im Vollfokus-Modus befand. Er runzelte seine Stirn und drückte mit seinem Daumen dagegen. Dann verschränkte er seine Arme auf dem Tisch und legte seinen Kopf darauf, um sich auszuruhen.
Quick power nap for Nepo. #CarlsenNepo pic.twitter.com/oJAdScPq34
— Chess.com (@chesscom) November 28, 2021
Wie sich herausstellte, beabsichtige Carlsen mit dem Zug 17...Lc8 seinen Läufer auf e6 umzugruppieren, um den thematischen Vorstoß ...d6-d5 spielen zu können. In Tiefe 48 hält Stockfish 14.1 den ungewöhnlichen Zug 21.Dd3 für den einzigen Zug, der den weißen Vorteil hält, weil dann 21...d5 mit 22.Lxf6 und einem Schlagen auf d5 beantwortet werden kann.
Nepomniachtchi wählte einen anderen Weg und nach 23.e5 schien sich die Partie etwas aufzuheizen, aber leider sagte Caruana hier bereits voraus, dass die Stellung in wenigen Zügen nicht mehr so spannend sein würde.
Kurz darauf resümierte er: "Die Spieler haben sehr genau gespielt und jetzt sehen sie etwas gelangweilt aus, weil das nur noch eine reine Formalität ist."
Spielstand
Land | Name | Elo | 01 | 02 | 03 | 04 | 05 | 06 | 07 | 08 | 09 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | Punkte |
Magnus Carlsen | 2855 | ½ | ½ | ½ | . | . | . | . | . | . | . | . | . | . | . | 1½ | |
Ian Nepomniachtchi | 2782 | ½ | ½ | ½ | . | . | . | . | . | . | . | . | . | . | . | 1½ |
Obwohl Nepomniachtchi in den drei Remispartien bisher zweimal mit Weiß gespielt hatte, sagte er, er sei noch nicht frustriert und nannte es eine "saubere Partie".
"Ich habe offensichtlich einige ziemlich hässliche Züge gemacht, aber es schien alles einigermaßen gut zu funktionieren", sagte Carlsen. "Zumindest sah ich keine konkrete Möglichkeit für Weiß, mir ernsthafte Probleme zu machen. Ich denke, es war eine vernünftige Partie."
Hikaru Nakamura sah es in er After-Game-Show von Chess.com ganz ähnlich: "Magnus stand nur geringfügig schlechter—er schien immer alles unter Kontrolle zu haben."
Mit einem Journalisten, der argumentierte, dass die beiden Schwarzpartien für Carlsen sehr angenehm verlaufen wäre, stimmte Carlsen nicht überein.
"Sehr angenehm würde ich nicht sagen", argumentierte Carlsen. "Ich habe das Gefühl, dass ich in beiden Partien versucht habe, Ausgleich zu erzielen, ohne viele Chancen zu bekommen."
Auf die Frage, wie Nepomniachtchi den "Trend" ändern wolle, bisher keinen greifbaren Eröffnungsvorteil erzielt zu haben, antwortete der russische GM: "Was auch immer ich tun werde, der Trend wird der gleiche bleiben. Es geht nicht um meine Vorbereitung, es geht um den aktuellen Stand der Theorie."
Direkt nach der Partie und noch vor der Pressekonferenz wurden die Spieler einem Dopingtest unterzogen. Die FIDE befolgt weiterhin die olympischen Richtlinien, was bedeutet, dass bei Großveranstaltungen Dopingkontrollen durchgeführt werden müssen. Die kleine Hoffnung, dass Schach eines Tages eine olympische Sportart werden könnte, ist also weiterhin am Leben.
Auf die Frage, ob es Dopingmittel gibt, das einem Schachspieler helfen könnte, antwortete Nepomniachtchi: "Wenn Du gedopt bist, wirst Du von der Veranstaltung ausgeschlossen. So funktioniert das! Davon abgesehen kenne ich aber keine Medikamente, die jemanden beim Schachspielen helfen könnten. Hoffentlich werden wir nicht erleben, dass jemand nach einer Partie seine Kopfhörer aus den Ohren nimmt!"
Carlsen: "Ich denke, da müssten wahrscheinlich Experimente gemacht werden. Ich meine, die Leute nehmen ja zum Beispiel auch Drogen, um sich auf Prüfungen vorzubereiten oder auch direkt vor den Prüfungen. Ich nehme an, diese Drogen könnten möglicherweise auch beim Schach helfen. Wenn mein Schachniveau irgendwann drastisch sinkt, werde ich vielleicht anfangen, damit zu experimentieren, aber im Moment sehe ich dafür keine Notwendigkeit!"
If at some point my level of chess drops drastically I might start experimenting, but for now, I don't see the need!
—Magnus Carlsen
Das dritte Remis dieser WM bedeutet auch, dass nun 17 WM-Partien mit klassischer Bedenkzeit in Folge Unentschieden endeten. Nepomniachtchis Kommentar dazu: "Nun, wenn kein Spieler einen Fehler macht, kann auch keiner gewinnen. Man könnte also sagen, dass die Spieler nicht allzu viele Fehler machen."
🕯RIP Classical Chess
— Anish Giri (@anishgiri) November 28, 2021
(born 1500CE - died every press conference of the World Championship match after a short draw)
Carlsen sagte, er wolle sich am Abend viel Sport ansehen und morgen den Ruhetag genießen und sich dann auf die nächste Partie, in der er wieder Weiß haben wird, vorbereiten. Auch nach dem nächsten Ruhetag wird er wieder Weiß haben und erst am dritten und vierten Ruhetag wird Nepomniachtchi diesen "Vorteil" haben.
Bei der Sendung Chess.com wurde diskutiert, inwieweit dies ein Vorteil ist. Die viermaligen Damenweltmeisterin Hou Yifan sagte dazu: "Das hängt vom jeweiligen Spielertyp ab. Von den spezifischen Stärken und wie sehr sie sich in ihrem eigenen Eröffnungsrepertoire wohlfühlen. Wenn Carlsen das Gefühl hat, dass er in der Katalanischen Eröffnung auch verwundbar sein könnte, wäre das ein riesiger Vorteil."
Viele Fans hoffen derweil vor allem, dass es bei der nächsten Partie am Dienstag endlich einen Sieger geben wird. Auf die etwas seltsame Frage, wie Carlsen denkt, dass er in 50 Jahren in Erinnerung bleiben wird, antwortete der Champion: "Während einer WM über sein Vermächtnis zu sprechen, ist ein Fass ohne Boden, dass ich nicht öffnen möchte. Aber hoffentlich werden sich die Menschen an einen Spieler erinnern, der auch nach 2016 noch eine WM-Partie gewonnen hat!"
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