FIDE Schacholympiade, Tag 9 - Österreich gewinnt 8:0 und Deutschland revanchiert sich für Wembley
Für Österreich könnte es der beste Tag in der Geschichte der Schacholympiaden gewesen sein, denn sowohl die Herren als auch die Damen konnten ihre jeweiligen Gegner mit 4:0 besiegen!
Die deutschen Damen haben sich für die Niederlage im Finale der (Damen-)Fußball-EM revanchiert und die Herren trotzten den starken Litauern immerhin ein Unentschieden ab.
Nur die Schachfans aus der Schweiz hatten heute keinen Grund zu feiern. Die Damen waren gegen Indien chancenlos und die Herren spielten gegen Portugal nur Unentschieden.
Heute kam es übrigens bei den 24 Partien mit deutschsprachiger Beteiligung nur zu 3 Remis! Wer sagt da, dass im Schach sowieso alle Partien Remis enden? Man muss halt einfach nur die Olympiade gucken
Open:
Liechtenstein, Uruguay und andere Teams
Damen:
Deutschland - Litauen
Mit Litauen wartete ein höchst unangenehmer Gegner, der bisher nur gegen die starken Engländer und Gastgeber Indien verloren und alle anderen Aufgaben mit Bravour erledigt hat, auf die deutsche Mannschaft.
Das Match begann mit einer unglücklichen Niederlage von Dmitrij Kollars. Unglücklich vor allem deshalb, weil sein Gegner eine fast perfekte Partie spielte und jede Ungenauigkeit von Dmitrij mit computerähnlicher Präzision ausnutze.
Zum Glück haben wir aber Vincent Keymer in unserer Mannschaft, der in einem wilden taktischen Schlagabtausch ständig die Übersicht behielt und den Spielstand umgehend wieder ausglich.
Hier ist die Partie zum ansehen und genießen mit Kommentaren von "The Big Greek" Georgios Souleidis:
Danach musste sich Rasmus Svane geschlagen geben, aber wenn der Gegner gleich acht(!) Züge spielt, die von der Engine ein Ausrufezeichen bekommen - was soll man da machen?
Damit lagen einmal mehr alle deutschen Hoffnungen bei Matthias Blübaum und endlich gelang dem Lemgoer sein zweiter Sieg bei dieser Olympiade. Und wie wichtig der war!
Hier ist der wilde Kampf von Matthias:
Deutschland | 2:2 | Litauen | ||
Keymer, Vincent | 2686 | 1-0 | Laurusas, Tomas | 2561 |
Blübaum, Matthias | 2673 | 1-0 | Stremavicius, Titas | 2532 |
Svane, Rasmus | 2649 | 0-1 | Pultinevicius, Paulius | 2539 |
Kollars, Dmitrij | 2648 | 0-1 | Kazakouski, Valery | 2528 |
Schweiz - Portugal
Die Schweizer sind seit ihrer unglücklichen Niederlage in der sechsten Runde gegen Frankreich völlig von der Rolle.
Nach drei Niederlagen in Serie konnten sie zwar heute erstmals wieder punkten, allerdings reichte es nur zu einem Punkt und das gegen den klaren Außenseiter Portugal, der an allen vier Brettern etwa 100 Elo Punkte weniger aufzuweisen hatte, als die Schweizer.
Oliver Kurmann spielte mit 2 Türmen gegen eine Dame und konnte in seinen restlichen 6 Minuten Bedenkzeit nicht das richtige Feld für seinen Turm finden, mit dem er die Partie wohl gewonnen hätte und nahm das Remis seines Gegners an.
Findet Ihr ein sicheres Feld für den Turm?
Yannik Pelletier konnte mit Schwarz zwar ausgleichen, aber niemals einen Vorteil erzielen. Nach 32 Zügen hatte er ein Turmendspiel mit 5 gegen 5 Bauern erreicht und die Partie endete Remis.
Sebastian Bogner spielte eine Partie mit vielen Hochs und Tiefs. Der entscheidende Zug war aber wirklich allererste Sahne und wir versuchen, diesen Zug möglichst genau zu erklären.
Dieser Sieg war aber auch bitter nötig, denn heute hatte Nico Georgiadis einen rabenschwarzen Tag erwischt. Er verlor im 15. Zug einen Bauern - opferte im 31. Zug einen zweiten - erlangte für beide Bauern nie eine Kompensation - und gab nach 48 Zügen, fast zeitgleich mit Sebastians Sieg, das hoffnungslose Turmendspiel mit 2 Minusbauern auf.
Über dieses Unentschieden haben sich wohl nur die Portugiesen gefreut.
Schweiz | 2:2 | Portugal | ||
Georgiadis, Nico | 2578 | 0-1 | Ferreira, Jorge Viterbo | 2499 |
Bogner, Sebastian | 2545 | 1-0 | Galego, Luis | 2462 |
Pelletier, Yannick | 2551 | 0.5-0.5 | Sousa, Andre Ventura | 2420 |
Kurmann, Oliver | 2451 | 0.5-0.5 | Santos, Jose Guilherme B Lima | 2361 |
Österreich - Bolivien
Die Österreicher haben an den armen Bolivianern wohl ihre ganze Wut über die gestrige Niederlage gegen Irland (und die gegen Ungarn einen Tag zuvor) ausgelassen.
David Shengalia gewann in 20(!) Zügen, Markus Ragger in 33, Felix Blohberger in 36 und Dominik Horvath in 40.
Hier ist der Sieg von David Shangalia:
Da auch die Damen mit 4:0 gewannen (zum Bericht), war dies mit Sicherheit der erfolgreichste Tag für Österreich bei dieser Olympiade. Oder vielleicht sogar bei allen Olympiaden überhaupt? Wer das weiß, kann es gerne ins Kommentarfeld schreiben.
Österreich | 4:0 | Bolivien | ||
Ragger, Markus | 2647 | 1-0 | Gemy, Jose Daniel | 2373 |
Blohberger, Felix | 2492 | 1-0 | Pinto, Daniel | 2249 |
Shengelia, David | 2462 | 1-0 | Mendoza, Rodrigo | 2215 |
Horvath, Dominik | 2488 | 1-0 | Bolanos, Fernando | 2258 |
Was sonst noch so geschah
Liechtenstein zog auch gegen Nigeria den Kürzeren und musste sich mit 1.5-2.5 geschlagen geben. Den ganzen Punkt gewann Dejan Jelic an Brett 3 und den halben Punkt Renato Frick an Brett 4.
Georg Meier gelang beim Duell Uruguay gegen Kroatien ein toller Sieg über Europameister Ivan Saric!
Die junge Mannschaft aus Usbekistan um Schnellschach-Weltmeister Nodirbek Abdusattorov konnte den bisherigen Tabellenführer Armenien überraschend und klar mit 3:1 besiegen und grüßt jetzt selbst vom Platz an der Sonne.
Und Shakhriyar Mamedyarov gelang beim Kampf zwischen Aserbaidschan und der zweiten Mannschaft Indiens das Kunststück, als erster Spieler bei dieser Olympiade nicht gegen das 16-jährige indische Wunderkind D. Gukesh zu verlieren! Dieses Match endete 2:2 und damit haben wir nach 9 von 11 Runden folgenden Tabellenstand erreicht:
Open
Platz | Team | Punkte | Brettpunkte* |
1 | Usbekistan | 16 | 28.5 |
2 | Indien 2 | 15 | 27.5 |
3 | Armenien | 15 | 23.0 |
4 | Holland | 14 | 25.5 |
5 | Türkei | 14 | 25.5 |
17 | Deutschland | 13 | 22.5 |
46 | Österreich | 11 | 20.0 |
52 | Schweiz | 11 | 20.0 |
142 | Liechtenstein | 7 | 14.0 |
*Die Brettpunkte sind erst nach der Buchholz-Wertung maßgeblich für die Platzierung
Und jetzt sind die Damen an der Reihe!
Auch bei den Damen kam es zu einem Wechsel an der Tabellenspitze. Völlig überraschend konnten die Polinnen um Alina Kashlinskaya und Großmeisterin Monika Socko Gastgeber Indien besiegen und aufgrund der besseren Feinwertung in der Tabelle überholen. Ebenfalls punktgleich sind die Damen aus Kasachstan, die heute gegen Bulgarien gewonnen haben und die Damen aus Georgien.
Damentabelle nach 9 von 11 Runden
Platz | Team | Punkte | Brettpunkte* |
1 | Polen | 15 | 27.0 |
2 | Kasachstan | 15 | 25.0 |
3 | Indien | 15 | 24.5 |
4 | Georgien | 15 | 24.0 |
5 | Armenien | 14 | 26.0 |
8 | Deutschland | 14 | 25.0 |
42 | Österreich | 11 | 22.0 |
46 | Schweiz | 11 | 20.0 |
*Die Brettpunkte sind erst nach der Buchholz-Wertung maßgeblich für die Platzierung
Deutschland - England
Letzte Woche spielten die Damen aus England und Deutschland noch um die Europameisterschaft im Fußball. Heute bei der Schacholympiade ging es zwar nicht um den Titel, die Revanche ist aber trotzdem geglückt.
Jana Schneider, die normalerweise dafür zuständig ist, den deutschen Damen den letzten, entscheidenden Punkt zu sichern, wollte heute nicht so lange warten und gewann ihre Partie mit einem wunderschönen Angriff zur Abwechslung mal gleich als erste! Sportlich fair spielte Zoe Varney bis zum Schachmatt!
Elli Pähtz hatte das Ergebnis von Jana natürlich registriert und wickelte ihre vorteilhafte Stellung sofort nach Janas Sieg in ein Remis ab.
Hanna Marie Klek hatte ihre Gegnerin nach 38 Zügen bereits im Sack, aber in Zeitnot fand sich nicht die richtigen Züge, um diesen Sack zuzumachen und die Engländerin konnte sich mit einem Konter in eine ausgeglichene Stellung retten. Nur wenige Züge später gewann Hanna Marie die Stellung aber ein zweites Mal und dieses Mal brachten sie den Sieg auch nach Hause und Deutschland lag uneinholbar in Führung.
Josefine Heinemann setzte dann mit einem sehr starken "trickreicher Springer gegen lahmer Läufer Endspiel" den Schlusspunkt. Am Ende hatte sie den englischen König in einem Mattnetz gefangen:
Deutschland | 3.5:0.5 | England | ||
Pähtz, Elisabeth | 2484 | 0.5-0.5 | Houska, Jovanka | 2360 |
Heinemann, Josefine | 2321 | 1-0 | Toma, Katarzyna | 2303 |
Klek, Hanna Marie | 2366 | 1-0 | Kalaiyalahan, Akshaya | 2158 |
Schneider, Jana | 2342 | 1-0 | Varney, Zoe | 2045 |
Schweiz - Indien 2
Vorgestern hatten es die Schweizer Damen mit der dritten Mannschaft aus Indien zu tun und mussten am Ende eingestehen, obwohl sie den Gastgeberinnen einen harten Kampf liefern konnten, dass sie insgesamt doch eher chancenlos waren.
Heute wurden sie gegen die zweite Mannschaft Indiens gelost und da waren die Vorzeichen natürlich klar.
Gundula Heinatz konnte dem druckvollen Spiel ihrer Gegnerin von Anfang an nichts entgegensetzen und wurde einfach überspielt. Nach 30 Zügen stand Gundula, ohne einen echten Fehler gemacht zu haben, völlig platt und nach 35 Zügen gab sie die Partie verloren.
Etwas besser, aber leider wirklich nur etwas, erging es Ghazal Hakimirad. Auch Ghazal blickte nach etwa 30 Zügen auf eine verlorene Stellung und obwohl sie bis zum 65. Zug kämpfte, war es letztendlich ein Kampf gegen die Windmühlen.
Angesichts der Tatsache, dass ihre beiden Kolleginnen auf Verlust standen, entschied sich Camille De Seroux in einem Damenendspiel gegen ein Dauerschach und versuchte, trotz eines Minusbauern irgendwie zu gewinnen. Der Schuss ging nach hinten los...
Am längsten dauerte die Partie am Spitzenbrett. Lena Georgescu war schrecklich aus der Eröffnung gekommen, schaffte es aber trotzdem, zuerst eine spielbare und dann sogar eine absolut ausgeglichene Stellung zu bekommen und erst ein Fehler im 56. Zug entschied die Partie zu Gunsten der Gastgeberin.
Wer findet die einzige Aufstellung der schwarzen Figuren, die das Remis hält?
Schweiz | 0:4 | Indien 2 |
||
Georgescu, Lena | 2279 | 0-1 | Vantika, Agrawal | 2371 |
Hakimifard, Ghazal | 2296 | 0-1 | Padmini, Rout | 2374 |
Heinatz, Gundula | 2196 | 0-1 | Gomes, Mary Ann | 2324 |
De Seroux, Camille | 2106 | 0-1 | Divya, Deshmukh | 2319 |
Gundula Heinatz (links), Ghazal Hakimifard (mitte) und Lena Georgescu in voller Konzentration. Foto: Maria Emelianova/Chess.com
Österreich - Angola
Hurra! Da auch die Quarantäne von Katharina Newrkla beendet ist, sind die Österreicherinnen wieder vollzählig und konnten sich sogar den Luxus erlauben, Denise Trippold eine wohlverdiente Pause zu gönnen!
Die frisch genesene Katharina Newrkla legte dann auch gleich los wie die Feuerwehr und zerlegte ihre Gegnerin nach allen Regeln der Kunst in nur 22 Zügen!
Mit diesem Tempo konnte nicht einmal Nikola Mayrhuber mithalten, aber etwa 15 Minuten später hatte auch Nikola ihre Partie gewonnen!
Kurz vor der Zeitkontrolle gewann dann Chiara Polterauer ihre erste Partie in diesem Turnier (beim dritten Einsatz) und kurz nach der Zeitkontrolle stellte Elisabeth Hapala mit ihrem sechsten Sieg auf 4:0.
Mit 4 Spielerinnen spielt es sich einfach bedeutend leichter und wir sind gespannt, was die Österreicherinnen bei dieser Olympiade noch reißen werden.
Östereich | 4:0 | Angola |
||
Newrkla, Katharina | 2265 | 1-0 | Caxita, Esperanca | 1955 |
Polterauer, Chiara | 2183 | 1-0 | Junior, Ednasia | 1849 |
Mayrhuber, Nikola | 2141 | 1-0 | Paulo, Jemima | 1850 |
Hapala, Elisabeth | 2113 | 1-0 | Antonio, Renelsa Taiane | 1471 |
Morgen, am Montag, dem 8. August um 11.30 Uhr gehts weiter. Dann spielen bei den Herren:
Deutschland - Israel
Österreich - Andorra
Schweiz - Irland
Liechtenstein - Aruba
Und bei den Damen:
Deutschland - Ukraine
Österreich - Frankreich
Schweiz - Lettland
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