FIDE Kandidatenturnier 2020: Vachier-Lagrave besiegt Nepomniachtchi und übernimmt die Führung
GM Maxime Vachier-Lagrave besiegte in der 7. Runde des FIDE Kandidatenturnies in Jekaterinburg GM Ian Nepomniachtchi. Beide Spieler haben jetzt 4.5 Punkt auf der Habenseite, aber da bei Punktegleichstand zuerst der direkte Vergleich zählt, liegt der Franzose nach 7 von 14 gespielten Partien in Führung.
Ihr könnt das FIDE Kandidatenturnier täglich ab 12.00 Uhr mit Kommentaren von IM Steve Berger live auf Chess.com/de/TV ansehen. Wann die 8. Runde gespielt wird, steht noch nicht fest. Die Partien könnt Ihr hier auf Chess.com/events ansehen. Alle Informationen über das Kandidatenturnier findet Ihr in diesem Artikel.
Die Übertragung der siebten Runde in voller Länge
"Natürlich war es eine sehr wichtige Partie. Der Sieg war zwar nicht entscheidend, aber sehr willkommen", sagte Vachier-Lagrave nach seinem großen Sieg.
Die französischen Schachfans waren begeistert, als sie kurz vor dem Turnier erfuhren, dass MVL den aserbaidschanischen Großmeister Teimour Radjabov ersetzen würde. Sie träumten schon von einem Szenario wie bei der Fußball EM-1992, als die Dänen praktisch vom Strandkorb aus den Titel gewannen.
Nach 7 von 14 gespielten Partien ist dieses Szenario tatsächlich plausibel geworden.
Im Nachhinein könnte Nepomniachtchis Wahl, gegen den Franzosen auf die Französische-Verteidigung zu setzten, etwas riskant gewesen sein. Zum einen, da er ja schon in der dritten Runde gegen Kirill Alekseenko französisch gespielt hatte und er MVL damit sicher nicht mehr überraschen konnte.
"Ich dachte, er hätte damit nur Alekseenko überraschen wollen," sagte GM Vidit Gujrathi in der Chess.com Live-Übertragung dazu. "Ich bin von der Wahl seiner Eröffnung wirklich überrascht."
MVL hingegen war nur wenig überrascht: "Ich musste auf 1...e6 vorbereitet sein. Es kommt ja recht oft vor, dass ein Spieler eine Eröffnung für ein gesamtes Turnier vorbereitet hat."
Zum anderen hat es auch einen Grund, warum der Winawer nicht die beliebteste Variante in der Weltelite ist. Es geht um strategische Risiken, die von MVL sehr gut demonstriert wurden.
Seine Idee, mit dem h-Bauern vorzustoßen, führte er konsequenter aus als Alekseenko, was ihm das Potenzial gab, auf beiden Seiten des Bretts zu spielen. "Ich dachte die ganze Zeit, dass ich besser stehen sollte", sagte er.
Ein entscheidender Moment war der 18. Zug, als Nepomniachtchi beschloss, die Stellung mit ...c5-c4 zu schließen, was im Winawer immer eine wichtige Entscheidung ist.
Die Stellung nach 18...c4.
Hier war es laut Vachier-Lagrave ein schlechtes Timing: "Ich denke nicht, dass dies der richtige Plan war. Das Zentrum zu schließen ist zwar sinnvoll, aber ich glaube nicht, dass er es rechtzeitig gemacht hat."
Der Franzose rochierte, stellte einen Turm auf b4 und ließ ihn sogar dort stehen, als er von einem Springer angegriffen wurde. Ein brillantes Konzept, das ihm half, die Partie zu gewinnen.
Nepomniachtchi musste seinen Springer wieder nach e7 zurückziehen (ein trauriger Zug) und damit hatte Weiß die Zeit gewonnen, um seinen "schlechten" Läufer auf die lange a3-f8-Diagonale zu manövrieren und stand besser. Mit weniger Zeit auf der Uhr konnte Nepo dann nicht mehr alle Schläge des Franzosen parieren.
Nach seiner Pressekonferenz (von der seinen Anmerkungen in die nachstehende Analyse von GM Dejan Bojkov aufgenommen wurden) war MVL so freundlich, um der Live-Übertragung von Chess.com einen Besuch abzustatten.
MVL wies darauf hin, dass er sich im Vergleich zum Ende des letzten Jahres viel besser fühlt:
"Ich bin nicht nervös. Es ist ja auch erst Halbzeit. Wenn ich jetzt schon nervös wäre...", sagte Vachier-Lagrave. "Es ist wichtig, frisch zu sein. Ich denke, das ist der Hauptunterschied in meinen Partien im Vergleich zum Ende des letzten Jahres, als ich ohne Unterbrechung gespielt habe und mich überhaupt nicht frisch fühlte. Jetzt fühle ich mich frisch. Ich bin bereit, gegen diese Jungs zu spielen."
Ich fühle mich frisch. Ich bin bereit, gegen diese Jungs zu spielen.
—Maxime Vachier-Lagrave
"Ich denke, das liegt hauptsächlich daran, dass ich eine große Pause hatte. Und obwohl ich nicht viel Zeit hatte, habe ich mich natürlich ab dem Zeitpunkt, an dem ich erfahren habe, dass ich dabei sein werde, mit der Hilfe meines Teams sorgfältig auf dieses Turnier vorbereitet. Was mir hilft, ist, dass mein Team bisher großartige Arbeit geleistet hat. Obwohl ich weniger Zeit als die anderen hatte, habe ich noch in keiner Eröffnung Schwierigkeiten gehabt und gute Stellungen bekommen. Ich denke, es hilft, wenn man gute Stellungen bekommt. Ich glaube nicht, dass es hier um die Nerven geht."
Eigentlich würde man erwarten, dass ein paar Spieler Nepomniachtchi und Vachier-Lagrave mit einem halben Punkt Abstand folgen würden, aber das ist nicht der Fall. Die beiden Spitzenreiter liegen mit einem ganzen Punkt Vorsprung vor einer Gruppe von vier Spielern: Fabiano Caruana, Anish Giri, Wang Hao und Alexander Grischuk.
Caruana und Wang remisierten nach einer Russischen-Eröffnung, bei der sich der amerikanische Großmeister der gleichen Variante ausgesetzt sah, die er selbst bei der Weltmeisterschaft 2018 gespielt hatte.
"Ich war nicht ganz glücklich, diese Variante zu sehen, weil sie, obwohl sie sehr gut ist, nicht die beliebteste ist", sagte er. "Wenn du Schwarz wirklich testen willst, spielst du entweder das Endspiel für das ich mich entschieden habe, oder du spielst eine sehr scharfe Variante mit Lg5, an die ich mich aber nicht ganz erinnern konnte."
Caruana sagte, seine Fortsetzung sei ein bisschen "nachlässig" gewesen und er sei sogar etwas schlechter gestanden. Laut Wang war sein Vorteil aber nur minimal.
Als Grischuk als Antwort auf Giris Neuerung einen Vorstoß mit seinem h-Bauern wagte, hatte die Partie zwischen Giri and Grischuk das Potenzial, sehr interessant zu werden. Nach Grischuks starken Zügen 12...Dd4 und 13...Dg4 verflachte die Partie dann aber recht schnell.
"Nach dem Zug 13…Dg4 konnte ich mich nicht mehr an meine Vorbereitung erinnern, aber wenn man sich die Stellung ansieht, bezweifle ich, dass es etwas Besonderes war. Schwarz steht schon extrem solide," sagte Giri.
Dann spielte der Holländer auf seine 14 Remis von vor vier Jahren an: "Ich hatte einen Interessenkonflikt. Einerseits möchte ich natürlich gewinnen. Andererseits möchte ich aber auch, dass Alexander alle 14 Partien mit einem Remis beendet, damit der Fluch von mir auf ihn übergeht!"
Die beiden Träger der Roten Laterne, Alekseenko und GM Ding Liren spielten eine geschlossene Katalanische-Eröffnung. Laut dem Chinesen war es aber keine gute Partie: "Ich habe 21...c5 übersehen, als ich 21.Da4 gespielt hatte. Danach musste ich sehr aufpassen, um nicht schlechter zu stehen."
Alekseenko: "Ich war mit meiner Stellung ziemlich zufrieden, aber Liren hat sehr solide Züge gefunden und ich konnte keinen Plan finden, um meine Stellung zu verbessern."
Die Tabelle nach der 7. Runde
# | Land | Name | Elo | Leistung | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | Punkte | SB |
1 | Vachier-Lagrave, Maxime | 2767 | 2876 | 1 | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | 4.5 | 15.25 | ||
2 | Nepomniachtchi, Ian | 2774 | 2875 | 0 | ½ | 1 | 1 | ½ | 1 | ½ | 4.5 | 14.25 | ||
3 | Caruana, Fabiano | 2842 | 2764 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 0 | 1 | 3.5 | 12.25 | ||
4-5 | Giri, Anish | 2763 | 2775 | ½ | 0 | ½ | ½ | ½ | ½ | 1 | 3.5 | 11.25 | ||
4-5 | Wang, Hao | 2762 | 2775 | ½ | 0 | ½ | ½ | ½ | 1 | ½ | 3.5 | 11.25 | ||
6 | Grischuk, Alexander | 2777 | 2773 | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | ½ | 3.5 | 12.25 | ||
7 | Ding, Liren | 2805 | 2667 | 0 | 0 | 1 | ½ | 0 | ½ | ½ | 2.5 | 8.25 | ||
8 | Alekseenko, Kirill | 2698 | 2683 | ½ | ½ | 0 | 0 | ½ | ½ | ½ | 2.5 | 9.25 |
Die Paarungen der 8. Runde lauten: Caruana-Vachier-Lagrave, Wang-Ding, Nepomniachtchi-Giri, Alekseenko-Grischuk. Den gesamten Spielplan findet Ihr hier.
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