FIDE Grand Prix Berlin: Keymer scheitert im Playoff an Mamedyarov
Am Dienstag standen beim FIDE Grand Prix in Berlin die Playoffs um den Einzug ins Halbfinale der Gruppen B und C auf dem Programm.
In der Gruppe B konnte sich der große Favorit Shakhriyar Mamedyarov gegen den Mainzer Vincent Keymer nur ganz knapp und erst im Blitz-Tiebreak durchsetzen. Im rein amerikanischen Duell in der Gruppe C zwischen Sam Shankland und Wesley So behielt mit So ebenfalls der Favorit die Oberhand.
Das Halbfinale beginnt am Mittwoch, dem 30. März, um 15.00 Uhr.
Alle Partien des FIDE Grand Prix findet Ihr auf unserer Event-Seite. Die deutschsprachigen Übertragungen mit Kommentaren von IM Steve Berger findet Ihr auf Twitch, YouTube, ChessTV und Chess.com/Events. Die englischsprachige Übertragung auf unserem YouTube-Kanal Chess.com Live.
Gruppe B: Mamedyarov-Keymer
Die Protagonisten des heutigen Playoffs haben es auf sehr unterschiedliche Weise dorthin geschafft. Mamedyarov erreichte das Playoff durch ein ultrakurzes Remis gegen Daniil Dubov, während Vincent Keymer gegen Leinier Dominguez Perez eine großartige Partie spielte und den ehemaligen Kubaner aus dem Turnier warf. Was wir dann im Playoff zu sehen bekamen, kann man wohl am besten als "Unglück im Katalanen" beschreiben.
Schnellschach - Partie 1: Mamedyarov-Keymer
Offensichtlich hatte Mamedyarov nach der geringen Anstrengung vom Vortag viel Energie und Kreativität im Tank. In einer relativ normalen katalanischen Eröffnung opferte er zuerst einen Bauern, obwohl er diesen wahrscheinlich bald wieder zurückgewinnen würde und warf dann alle Vorsicht über Bord und opferte mit 11.h4 und 12.g4 im Wesentlichen zwei weitere Bauern für einen Angriff am Königsflügel. Interessanterweise billigen die Engines diese Idee von Weiß, aber auf diese Weise zu spielen, wenn so viel auf dem Spiel steht, ist etwas Außergewöhnliches. Keymer reagierte darauf viel zu zaghaft und es dauerte nur wenige Züge, bis Schwarz zunächst schlechter stand und dann verloren hatte.
Schnellschach - Partie 2: Keymer-Mamedyarov
Wie geht man eine zweite Partie an, wenn man die erste Partie auf so verheerende Weise gewonnen hat? Es gibt viele Überlegungen, wie man mit einer solchen Situation umgehen könnte. Mamedyarov entschied sich für die hochtheoretische und ultrascharfe Botvinnik-Variante im Anti-Meran. Vielleicht nicht die Wahl, die die meisten getroffen. Keymer war darauf auch gut vorbereitet und verließ mit 12.h4 die Hauptvariante.
Keymer schien nach der Eröffnung etwas besser zu stehen und als Mamedyarov ungenau spielte, vergrößerte sich sein Vorteil erheblich. Im Endspiel, als die Spieler nur noch wenig Zeit auf der Uhr hatten, begannen sich auf beiden Seiten Fehler einzuschleichen. Beide Spieler verpassten Gelegenheiten, es dem anderen schwerer zu machen. Letztendlich war es jedoch Mamedyarov, der den König in die falsche Richtung schickte und es Keymer ermöglichte, die Partie zu gewinnen und eine Verlängerung der Verlängerung zu erzwingen.
Blitz - Partie 1: Keymer-Mamedyarov
Die Auslosung hatte ergeben, dass Keymer in der ersten Partie mit Weiß spielen durfte.
Anstatt die Anti-Meran-Variante zu wiederholen, entschieden sich die Spieler jetzt für die normale Meran-Variante, in der Schwarz leicht ausgleichen konnte und ein schlampiger Zug von Keymer führte dazu, dass Mamedyarovs Streitkräfte gnadenlos über den weißen König herfielen.
Blitz - Partie 2: Mamedyarov-Keymer
In einer weiteren katalanischen Partie versuchte Keymer einen anderen Ansatz als im Schnellschach. Er lenkte die Dinge in eine etwas vernünftigere Richtung und konnte scheinbar reibungslos ausgleichen. Dann brachte Mamedyarov seinen Springer nach f5, was Weiß eine sehr vielversprechende Stellung verschaffte, obwohl es für Schwarz objektiv noch in Ordnung war.
Das war aber nur der Auftakt zu einem wahnsinnigen Ende der Partie, in der beide Seiten, hauptsächlich aber Schwarz, Chancen hatten. Also die Zeit auf den Uhren immer weniger wurde, war praktische jeder Zug ein Fehler und Keymer beging den letzten, der auf der Stelle verlor.
Nach ihrem Match war Mamedyarov voll des Lobes für seinen Gegner: "Ich denke, er hat in unserer Gruppe das beste Schach gezeigt. Er kämpft, er ist sehr gut und noch jung. Ich hoffe, er wird 2800 erreichen und ich denke, dass er das auch wirklich schaffen kann. Ich denke, sein einziges Problem ist, dass er seine Schule und das Schach irgendwie unter einen Hut bringen muss. Wenn er das irgendwie lösen kann, könnte er der beste Spieler der Welt werden."
I think in our pool [Keymer] showed the best play.
—GM Shakhriyar Mamedyarov
In der Tat hat Keymer allen Grund, mit seiner Leistung bei diesem Turnier zufrieden zu sein. Er hat einige schöne Skalps gewonnen, seine Elo verbessert und einen Haufen Erfahrung gesammelt.
Gruppe C: Shankland-So
Das amerikanische Duo Shankland & So klingt wie der Name einer Country-Band aus Nashville, aber es sind natürlich zwei amerikanische Spieler, die in Berlin um den Einzug ins Halbfinale kämpften. In den beiden vorangegangenen Grand Prix Turnieren erlebten beide herzzerreißende Szenarien. Beim ersten Turnier, das ebenfalls in Berlin stattgefunden hatte, sah Wesley So bereits wie der sichere Gruppensieger aus, aber sein amerikanischer Landsmann Dominguez konnte So in der letzten Runde besiegen und ein Playoff erzwingen, dass er dann auch prompt gewann.
Beim zweiten Grand Prix in Belgrad lag Shankland nach sechs gespielten Partien in Führung, aber die Partie zwischen Dmitry Andreikin und Etienne Bacrot war noch am Laufen. Bei einem Remis hätte Shankland gegen Andreikin und bei einem Sieg von Bacrot, ein Playoff gegen den Franzosen gespielt. Und nur falls Andreikin seine völlig verlorene Stellung gewinnen noch könnte, wäre Shankland ausgeschieden gewesen... Das sensationelle Ende dieser Partie ist bekannt.
Schnellschach - Partie 1: Shankland-So
Auch Shankland entschied sich mit Weiß für die katalanische Eröffnung. Nach solidem, aber passivem Spiel von So konnte sich Shankland zwar einen leichten Vorteil erspielen, aber So konterte einige zögerliche Züge im Mittelspiel mit hervorragender Präzision und plötzlich war Schwarz am Drücker. Von da an verschlechterte sich Shanklands Stellung zusehends und So verwandelte seinen Vorteil überzeugend und brachte Shankland in der zweiten Partie in die schlechtest mögliche Ausgangslage.
Schnellschach - Partie 2: So-Shankland
Wesley So zu schlagen kann schwierig sein. So mit Schwarz zu schlagen ist noch schwieriger. Und So mit Schwarz zu schlagen, wenn er nur ein Remis braucht, ist nahezu unmöglich. Doch genau das war die Aufgabe, die Shankland jetzt zu bewerkstelligen hatte. Wie das geht? Nun, es beginnt damit, Remisvarianten zu vermeiden und eine spielbare Stellung, in der So nicht das halbe Brett abtauschen kann, zu bekommen. Und So hat schon mehrfach gegen Magnus Carlsen bewiesen, dass er genügend Rezepte in seinem Schrank hat, um genau das zu erreichen.
Shanklands Wahl führte zur einer Abtauschvariante im abgelehnten Damengambit, die über die Cambridge-Springs-Variante erreicht wurde (allerdings, ohne dass Schwarz die Chance hatte, ...Da5 zu spielen). Offensichtlich war das nichts Besonderes, aber es führte zu einer spielbaren Stellung. Nach präzisem Spiel von So traf Shankland eine radikale Entscheidung und opferte eine Qualität, um die Stellung zu verschärfen. So konnte er damit aber nicht aus der Fassung bringen und er erreichte relative problemlos eine Gewinnstellung, in der er aber dann eine ganze Reihe seltsamer Entscheidungen traf, die aus der Gewinn- eine Verluststellung machten. Es sah so aus, als würde Shankland das Unmögliche schaffen, aber dann übersah er, dass Weiß seinen Turm mit g2-g4 einsperren und komplett aus der Partie nehmen konnte. Danach war die Partie im Wesentlichen entschieden.
Shankland war nach seinem erneuten knappen Ausscheiden natürlich enttäuscht und wir können uns auf das Halbfinal-Duell zwischen Wesley So und Amin Tabatabaei freuen.
Das Halbfinale:
Alle Playoff-Partien
Der FIDE Grand Prix in Berlin ist das dritte und letzte Turnier des FIDE Grand Prix 2022. Es findet vom 22. März bis um 4. April statt. Die Partien beginnen jeden Tag um 15.00 Uhr.
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