FIDE Grand Prix Belgrad Halbfinale: Rapport steht im Finale!
Richard Rapport konnte im Halbfinale des FIDE Grand Prix in Belgrad die zweite Partie gegen Maxime Vachier-Lagrave remisieren und steht damit völlig verdient im Finale. Sein Gegner wird heute im Playoff zwischen Anish Giri und Dmitry Andreikin ermittelt.
Die Partien waren mehr oder weniger genau das Gegenteil vom Vortag. Vachier-Lagrave erspielte sich einen Vorteil und gerade als es so aussah, dass er diesen Vorteil souverän konvertieren könnte, lief er in ein kreatives Gegenspiel von Rapport und musste sich mit einem bitteren Remis abfinden. Andreikin und Giri, die uns gestern noch so glänzend unterhalten hatten, spielten hingegen heute eine wirklich langweilige Partie.
Das Playoff zwischen Andreikin und Giri beginnt heute, am 11. März 2022, um 15.00 Uhr.
Alle Partien des FIDE Grand Prix findet Ihr auf unserer Event-Seite. Die deutschsprachigen Übertragungen mit Kommentaren von IM Steve Berger findet Ihr auf Twitch, YouTube, ChessTV und Chess.com/Events. Die englischsprachige Übertragung auf unserem YouTube-Kanal Chess.com Live.
Giri-Andreikin
Die erste Partie bot mehr Feuerwerke, als man von einer Partie zwischen zwei so grundsoliden Spielern wie Andreikin und Giri erwarten konnte. Die zweite Partie war aber genau das Gegenteil davon.
Andreikin entschied sich mit Weiß für den ultrasoliden altindischen Aufbau 1.d4 Nf6 2.Nf3 g6 und 3.b3. Vielleicht war er dabei ja von Giris gestrigem Zug 3.b3 inspiriert worden. Diese Variante wird zwar keineswegs als kritisch angesehen, aber sie führt aus der Mainstream-Theorie, in der ja Giri normalerweise unschlagbar ist, heraus. Der Holländer musste sich mit dieser Variante erst einmal zuvor beschäftigen und das war in einer Online-Partie gegen Fabiano Caruana, in der Giri bereits nach der Eröffnung besser stand und schließlich auch gewinnen konnte. Andreikin hatte diese Eröffnung schon 2019 in Moskau gegen Saleh Salem gespielt und ebenfalls schon früh in der Partie eine Gewinnstellung erreicht. Beide Partien haben wir in die nachstehende Analyse eingefügt.
Heute konnte sich aber keiner der Spieler einen Vorteil erspielen und nachdem einige Figuren das Brett verlassen hatten, wurde eine Stellung erreicht, die so etwa wie eine Maroczy-Struktur in der beschleunigten Drachenvariante der sizilianischen Verteidigung aussah. Allerdings hatte Schwarz seine typischen Raumprobleme in dieser Stellung durch die vorhergehenden Abtäusche bereits gelöst. Schließlich gelang es Schwarz, beide Bauernvorstöße zu erreichen, die Schwarz gegen die Maroczy-Struktur erreichen will: ...b6-b5 und ...d6-d5. Danach war die Stellung absolut ausgeglichen und die Partie endete mit einem Remis.
Rapport-Vachier-Lagrave
Da Rapport die erste Partie des Halbfinals gewonnen hat, könnte man meinen, er würde sich für etwas Solides oder Sicheres wie etwa die Berliner-Verteidigung oder eine Einladung zu einem Marshall-Angriff entscheiden. Allerdings würde man dann nicht wie Rapport denken. Schließlich hat er die Top 10 der Weltrangliste und seine Elo von 2762 ja nicht durch vorsichtiges und langweiliges Schach erreicht. Er kann es zwar spielen (wie wir in Runde sechs der Gruppenphase gesehen haben), aber viel lieber fordert er seine Gegner und sich selbst heraus, kreativ zu denken und ungewöhnliche Stellungen am Brett und mit dem eigenen Verstand zu lösen.
In dieser entscheidenden Partie überraschte Rapport Vachier-Lagrave mit 4...d6 gefolgt von 5...Lg4. Eine Variante, die mehr oder weniger von Schwarz verlangt, eine Figur für eine möglicherweise unzureichende Kompensation zu opfern. Obwohl objektiv zweifelhaft, brachte es Vachier-Lagrave zum Nachdenken und verbrauchte ein volles Drittel seiner Bedenkzeit, um 11.g3 zu spielen, was nicht als die kritische Variante angesehen wird. Sehr bald zeigte sich, dass Rapport eine bequeme Stellung hatte und auf das Finale zusteuerte. Aber dann passierte das Unerwartete! Rapport, der bislang jede Partie mit einer sehr ruhigen Hand gespielt hatte, begann lässige und ungenaue Züge zu spielen und ermöglichte dem französischen Großmeister die Kontrolle über die Partie zu übernehmen und sich in einem Doppelturm und Springer Endspiel einen soliden Vorteil zu sichern.
Doch gerade als Weiß auf der Siegerstraße zu sein schien, wurde er mit einem kreativen Gegenspiel von Rapport konfrontiert und jetzt begannen sich bei Weiß Ungenauigkeiten einzuschleichen. Schließlich erwies sich das Gegenspiel von Schwarz am Damenflügel als ausreichend, um die Partie zu halten. Schade für Vachier-Lagrave, aber ein riesiger Triumph für Rapport, der sich morgen ganz entspannt das Playoff, in dem sein Finalgegner ermittelt wird, ansehen kann.
Turnierbaum
Der FIDE Grand Prix in Belgrad ist das zweite von drei Turnieren. Es findet vom 1. bis zum 14. März statt. Die Partien beginnen jeden Tag um 15.00 Uhr.
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