FIDE Grand Prix Belgrad Halbfinale: Rapport gewinnt die erste Partie!
In der Gruppenphase des FIDE Grand Prix in Belgrad hatten sich Dmitry Andreikin, Anish Giri, Richard Rapport und Maxime Vachier-Lagrave für das Halbfinale qualifiziert. Jetzt mussten die Gruppensieger der Gruppen A und B, Andreikin und Giri, sowie die Sieger der Gruppen C und D, Rapport und Vachier-Lagrave, gegeneinander antreten.
Die erste Partie, die beendet wurde, war Rapports Sieg über MVL. In der zweiten Partie schien zuerst Giri und dann Andreikin die Oberhand zu haben, aber schließlich einigten sich die beiden auf ein Remis. Die zweiten Partien des Halbfinales beginnen heute um 15.00 Uhr.
Alle Partien des FIDE Grand Prix findet Ihr auf unserer Event-Seite. Die deutschsprachigen Übertragungen mit Kommentaren von IM Steve Berger findet Ihr auf Twitch, YouTube, ChessTV und Chess.com/Events. Die englischsprachige Übertragung auf unserem YouTube-Kanal Chess.com Live.
Giri-Andreikin
Wenn man sich dieses Matchup auf dem Papier ansieht, würde man erwarten, dass Giri, der sich in diesem Turnier bislang in großartiger Form präsentiert hat, der große Favorit ist. Auch Elo-technisch ist er der klare Favorit. Andreikin hat sich jedoch schon früher in ähnlichen Situationen als äußerst einfallsreich erwiesen. In der Must-Win-Partie am Montag gegen Bacrot ging er ein kalkuliertes Risiko ein, das sich auszahlte, obwohl sein Follow-up nicht gerade das beste war. Und vor einigen Jahren qualifizierte er sich für das Kandidatenturnier, indem er beim Weltcup das Finale erreichte und dabei mehrere Koryphäen besiegte. Außerdem ist er zweifacher russischer Meister und solche Ergebnisse entstehen nicht zufällig.
In der heutigen Partie entschied sich Giri wie schon in den ersten beiden Partien der Gruppenphase für den Eröffnungszug 1.e4 und Andreikin setzt auf eine ähnliche Variante der sizilianischen Verteidigung, die er schon in seiner Erstrundenpartie gegen Grischuk gespielt hatte. Anstelle des erwarteten offenen Sizilianers mit 3.d4 entschied sich Giri jedoch für das seltenere und ziemlich knifflige 3.b3. Eine Variante, gegen die es sehr schwer zu spielen ist, wenn man sie nicht ausgiebig studiert hat. Interessanterweise ist Andreikin dieser Variante zwar schon mehrere Male begegnet, aber das war immer nur Online und deshalb bestand eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Andreikins Partienalysen nicht besonders gründlich waren. Auf jeden Fall musste Giri etwas entdeckt haben, das ihn ermutigte, sich für diese Variante zu entscheiden.
Schnell wurde klar, dass Giri eine schöne Stellung hatte, denn die Kontrolle von Weiß über das Zentrum und das Spiel am Königsflügel (14. Th3!) wirkten, selbst nachdem Weiß lang rochiert hatte, stärker als das schwarze Gegenspiel am Damenflügel. 15...Sa5 von Schwarz war dann definitiv ein Fehler, obwohl der Plan, ...c5-c4 zu spielen, natürlich erscheint. Weiß unterband aber mit19.b4! einen Großteil des beabsichtigten Gegenspiels von Schwarz. Nur einen Zug später schockierte Giri aber alle Zuschauer mit dem Zug 20.Sxf7, der zwar verlockend, aber völlig unnötig war. Die Kommentatoren Benjamin Bok und Keti Tsatsalashvili versuchten alles, um diesen Zug zu verstehen, aber verstanden ihm am Ende genauso wenig wie die Computer-Engines. Trotzdem hatte Giri, besonders nach Andreikins zweifelhaftem Zug 22...Kg8, weiterhin den Angriff und die Initiative.
An already dynamic game has just spun out of control after a knight sacrifice 💣 by @anishgiri! #FIDEGrandPrix pic.twitter.com/Dy7OsFY6lW
— ChesscomLive (@ChesscomLive) March 9, 2022
Doch dann schockierte uns Giri erneut, indem er, beginnend mit 23.Txd5, nicht nur eine, sondern gleich zwei Qualitäten(!!) opferte. Wieder einmal völlig unnötig, denn 23.Dg4 hätte ihm klaren Vorteil verschafft. Da beiden Spielern jedoch nur noch wenig Zeit auf der Uhr blieb, gingen sie in ein Endspiel, in dem Giri mit einem Läuferpaar gegen zwei Türme von Andreikin spielen musste. Unangenehm für Giri? Absolut! Verloren für Giri? Absolut nicht, denn zu meiner großen Überraschung einigten sich die Spieler im 33. Zug, offensichtlich beide emotional erschöpft von dem intensiven Kampf, auf ein Remis. Schwarz hätte aber unbedingt weiterspielen sollen, da er die besseren Chancen hatte.
In der zweiten Partie wird Andreikin die weißen Figuren haben.
Rapport-Vachier-Lagrave
Im zweiten Halbfinale entschied sich Rapport für 1.d4 und hatte zweifellos erwartet, dass MVL mit seiner geliebten Grünfeld-Verteidigung treu bleiben würde. Eine Eröffnung, die er konsequent spielt, obwohl er sich in der Gruppenphase gegen Mamedyarov für eine andere Eröffnung entschieden hatte.
Rapport hatte eine etwas ungewöhnliche Variante vorbereitet: 10.Tc1 (anstelle des Hauptzugs 10.0-0) und darauf folgte der noch seltenere Zug 12.Tc3. Ein Zug, der vom jungen deutschen Großmeister Matthias Blübaum erfunden wurde. Gegen bestes Spiel (siehe Partieanalyse) sollte Schwarz in der Lage sein, ohne allzu große Kopfschmerzen auszugleichen. Die Antwort von MVL war jedoch entschieden nicht die beste und Weiß bekam einen klaren Vorteil. Nach weiteren Fehlern von MVL in den Zügen 18 und 19 wuchs dieser Vorteil zu einer absoluten Gewinnstellung, die Rapport mit präzisem Spiel verwandelte.
Vachier-Lagrave muss die zweite Partie also unbedingt gewinnen, um wenigstens ein Playoff um den Einzug ins Finale erzwingen zu können.
Turnierbaum
Der FIDE Grand Prix in Belgrad ist das zweite von drei Turnieren. Es findet vom 1. bis zum 14. März statt. Die Partien beginnen jeden Tag um 15.00 Uhr.
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