FIDE Grand Prix Belgrad Halbfinal-Playoff: Andreikin zieht ins Finale ein
Richard Rapport hatte sich seinen Platz im Finale durch sein gestriges Remis gegen Maxime Vachier-Lagrave bereits gesichert. Heute ermittelten Dmitry Andreikin und Anish Giri im Schnellschach-Playoff, wer gegen den Ungarn im Finale antreten darf.
Andreikin hat seine Fähigkeiten in diesem Format bereits unter Beweis gestellt, als er sich für das Finale des Weltcups 2013 (und damit für das Kandidatenturnier) qualifizierte. Heute hat er einmal mehr gezeigt, warum er in diesem Format so gefährlich ist. Selbst wenn er in objektiv schlechtere Stellungen geraten war machte er das Beste aus seinen Chancen und sicherte sich dadurch seinen Platz im Finale gegen Rapport.
Das Finale zwischen Rapport und Andreikin beginnt am Samstag, dem 12. März, um 15.00 Uhr.
Alle Partien des FIDE Grand Prix findet Ihr auf unserer Event-Seite. Die deutschsprachigen Übertragungen mit Kommentaren von IM Steve Berger findet Ihr auf Twitch, YouTube, ChessTV und Chess.com/Events. Die englischsprachige Übertragung auf unserem YouTube-Kanal Chess.com Live.
Giri-Andreikin: 0.5-1.5
In der ersten Partie entschied sich Andreikin mit dem Läuferspiel (1.e4 e5 2.Lc4) für eine Eröffnung, die ich in früheren Partien des Russen überhaupt nicht finden konnte. Giri hingegen war mit Schwarz schon mehrmals mit dieser Eröffnung konfrontiert worden und folgte die ersten elf Züge einer Partie, die er 2017 in Wijk aan Zee gegen Adhiban Baskaran gespielt hatte.
Andreikin versuchte es mit einer Neuerung im 12. Zug, aber Schwarz hatte bereits eine völlig ausgeglichene Stellung erreicht und nach ein paar Ungenauigkeiten von Andreikin hatte Schwarz einen kleinen Vorteil, vielleicht sogar einen klaren Vorteil. Dann entschloss sich Giri aber unerklärlicherweise, zu einer Zugwiederholung einzuladen, was Andreikin gerne akzeptierte.
Giris Landsmann Benjamin Bok, der das Playoff kommentierte, stellte Giris Entscheidung ernsthaft in Frage:
...natürlich ist ein Remis mit Schwarz in der ersten Partie ein gutes Ergebnis, aber in dieser Stellung solltest Du auf mehr spielen.
—GM Benjamin Bok
Bok sagte schon zu diesem Zeitpunkt voraus, dass es ein schwerer Fehler von Giri gewesen sei, ein Remis zu akzeptieren.
In der zweiten Partie spielte Giri wie schon in der klassischen Partie 1.e4 und auch Andreikin wiederholte seine Wahl des Sizilianers mit 2...e6. Kommentator Benjamin Bok war von dieser Entscheidung von Andreikin etwas überrascht, da er sich damit wahrscheinlich einer starken Vorbereitung von Giri aussetzen würde. Allerdings räumte Bok ein, dass dies wahrscheinlich sowieso der Fall gewesen wäre - egal was er gespielt hätte.
Andreikin hat aber diese Variante des Paulsen-Sizilianers mit 2...e6, 4...Sc6 und 5...a6 in der Vergangenheit schon mehrfach gespielt. Sowohl am Brett als auch Online.
Im 9. Zug entschied sich Andreikin dann allerdings mit 9...Lb7 für einen Zug, den er zuvor noch nicht gespielt hatte. In Partien gegen seine russischen Landsmänner Ian Nepomniachtchi und Vladimir Kramnik hatte er immer 9...Le7 bevorzugt - wogegen Giri zweifellos etwas vorbereitet hatte.
Die erste wirkliche Abweichung von seiner bisherigen Praxis war aber Andreikins Zug 11...h5. Der sah wild aus, aber möglicherweise wollte er Giri, der bis zu diesem Zeitpunkt kaum Zeit verbraucht hatte, aus seiner Vorbereitung bringen.
Weiß reagierte darauf mit dem ruhigen Zug 12.h3 und hatte sich dank der schlechten Figurenkoordination von Schwarz einen soliden Vorteil gesichert. Im Mittelspiel schien Giri dann auf dem besten Weg zu sein, einen vollen Punkt zu erzielen. Unterstützt von seinem zentralisierten Springer und seiner Dame, brach er mit beiden Türmen auf der b-Linie durch, während die schwarzen Figuren mit Türmen auf a8 und h8, einem Springer auf h5 und einem König auf g8 hoffnungslos unkoordiniert wirkten. Nur die Dame nahm aktiv an der Schlacht teil und diese stürmte wie wild herum und versuchte verzweifelt, irgendwie eine Ablenkung zu schaffen.
Im 32. Zug, als die Spieler den Druck der Uhr zu spüren bekamen, verpasste Weiß gleich mehrere gute Züge, vor allem aber die hervorragende Gelegenheit, mit 32.Sb5 die schwarze Dame anzugreifen und sich danach auf d6 einzunisten.
Danach geriet Giri in Panik uns spielte gleich mehrere unterdurchschnittliche Züge, die ihren Höhepunkt mit 36.Sxg6?? fanden. Nach 36.Sxf5 hätte er zumindest noch Remischancen gehabt. Zugegebenermaßen hat die Situation auf der Uhr Giris Entscheidungsfindung beeinflusst, denn er musste mehrere Züge mit nur noch Sekunden auf der Uhr spielen und hat dabei wohl Andreikins sehr coolen und unglaublich starken Zug 36...Dc6! einfach völlig übersehen.
Im Endspiel verwandelte Andreikin seinen Vorteil dann souverän, auch wenn er etwas zögerte, den brillanten Vorschlag der Kommentatorin Keti Tsatsalashvili, mit ...Dh1+ einen Damentausch zu erzwingen, in die Tat umzusetzen.
Turnierbaum
Der FIDE Grand Prix in Belgrad ist das zweite von drei Turnieren. Es findet vom 1. bis zum 14. März statt. Die Partien beginnen jeden Tag um 15.00 Uhr.
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