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Eine Sensation und die Partie des Turniers in Runde 7

Eine Sensation und die Partie des Turniers in Runde 7

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Im Jänner gewann GM Babu Lalith gegen die Weltmeisterin GM Hou Yifan in 5 Zügen, als diese gegen die Auslosung protestierte. Das könnte die kürzeste Großmeisterpartie der Geschichte gewesen sein, oder?

Tja, heute bei den U.S. Championships 2017, brauchte GM Alex Shabalov nur 4 Züge um seinerseits einen amtierenden Weltmeister zu besiegen! GM Jeffery Xiong, der amtierende Jugend-Weltmeister, ging mit wehenden Fahnen unter.

Nun ja. So ganz stimmt dieser Satz nicht, denn technisch dauerte die Partie 26 Züge, aber nach den ersten 22 Zügen hatte Shabalov immer noch die volle Zeit auf seiner Uhr und am Ende war der Stand der Schachuhr 4 Minuten gegen 1 Stunde und 27 Minuten. Laut Shabalov's eigener Aussage, spielte er eigentlich nur 4 Züge, und danach war die Partie eigentlich gewonnen.

"Natürlich freue ich mich, aber eigentlich hab ich heute garnicht gespielt," sagte er.

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Er hatte genügend Zeit für einen Spaziergang: GM Alex Shabalov hatte nach 22 Zügen noch seine gesamten 90 Minuten zur Verfügung während die Uhr seines Gegners auf 5 Minuten heruntergetickt war.

Dennoch war die Tiefe und die Genauigkeit der vorbereiteten Variante beeindruckend, und es geschah noch nicht oft, dass ein Spieler der auf dem letzten Platz liegt, den Superstars die Schlagzeilen klaut. GM Ben Finegold schlug gar vor, für diese Partie einen "Schönheitspreis" zu vergeben.

Der Sieg von GM Yaroslav Zherebukh gegen GM Fabiano Caruana stellte die Wettquoten so dermaßen auf den Kopf, wie einst der KO Treffer von Buster Douglas gegen Mike Tyson in Japan.

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Die eben genannte Analogie ist nicht ganz richtig. Die Chancen, dass Buster Douglas gegen Tyson gewinnen würde, wurde von den Buchmachern mit 2.5% eingestuft, während diese GM Yaroslav Zherebukh immerhin 9% Gewinnchancen einräumten (und 30% auf ein Remis). Außerdem war Zherebukh nie so nah an einer K.O. Niederlage, wie Buster Douglas.

Aber zurück zu Shabalov-Xiong. Überraschenderweise hat der jüngste Spieler im Feld, Xiong, jetzt gegen die beiden ältesten Verloren, und das beide male mit den weißen Figuren (gegen GM Gata Kamsky in der fünften Runde).

Was lief also schief bei dem vielverprechenden Talent? Zwei Sachen. Eine große und eine kleine. Als erstes wählte er eine Eröffnung die seinem Gegner lag und dann merkte er viel zu spät, dass er genau in eine vorbereitete Variante lief. Und zweitens sah er nicht die großartige Erwiderung von Schwarz auf seinen 21. Zug.

In seiner Vorbereitung hat auch Shabalov diesen Zug nicht selbst gefunden. Er behauptete, dass sein Computer darauf bestand, im 20. Zug mit dem Läufer zu nehmen, aber er verstand einfach nicht warum, dann am Ende würde sein Turm auf a8 hängen.

"Der Computer verwies auf dieses Feld," sagt Shabalov und zeigte auf b6. "Und ich sagte nur noch: 'Whoah!'"

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Obwohl er 33 Jahre älter als GM Jeffery Xiong ist, benutzt GM Alex Shabalov den Computer mehr als sein Gegner. Heute hat es sich ausbezahlt.

Dies öffnete dann auch die Augen des Kommentators GM Eric Hansen, der in der Live Übertragung noch faszieniert feststellte: "Shabalov fand Db6 nach nur einer Minute nachdenken! Er sieht einfach alles! Wenn du nach 20 Zügen gegen den Juniorenweltmeister so eine Stellung hast, dann musst Du doch nervös werden."

Mit einem ungedeckten Turm im Zentrum ist der Gewinnzug ein so einfacher Rückzug? Tja, das ist, was die kaltblütigen Computer sehen.

Das war jetzt die kleine Sache, aber was ist mit der großen? Hätte Xiong auch eine ruhigere Partie haben können?

"Ich dachte nicht, dass diese Variante so scharf werden könnte," sagte Xiong.

"Sie ist auch nicht scharf wenn Du 6. Ld3 ziehst!" antwortete Shabalov.

Das war Teil 1A der heutigen Nachrichten und somit kommen wir zu Teil 1B: Titelverteidiger GM Fabiano Caruana wurde vom einzigen Turnierdebutanten, GM Yaroslav Zherebukh, verprügelt!

Ist dieser Ausdruck zu vulgär? Den Experten zufolge nicht:

Caruana's Figuren wurden so impotent, dass Zherebukh's Türme Zeit hatten, mit Tetris Zügen zum Königsflügel zu wandern.

"Ich habe noch nie eine so hoffnungslose Stellung gesehen," sagte GM Yasser Seirawan. "So eine Stellung erreicht man nicht gegen einen Spieler mit 2800, wenn Du nicht mindestens 2700 selbst hast."

Zherebukh hat "nur" 2619, wenngleich er sich bei diesem Turnier stark verbessern wird. Für GM Hikaru Nakamura ist Zherebukh aber ganz klar unterbewertet.

"Ich hab mich nach der Eröffnung schon nicht wohl gefühlt," sagte Caruana. "Ich bin mir aber nicht sicher, was heute genau falsch gelaufen ist."

Zherebukh dachte, Caruana hätte die schwarzfeldrigen Läufer tauschen sollen. Caruana gefiel die Stellung aber nicht nach diesem Tausch und er zeigte auch eine Fantastillion von möglichen Abspielen und Opfern auf, die aber alle auf das selbe Ergebnis hinausliefen: Sobald die weiße Dame auf h6 landete war die Partie verloren.

Sobal er die bessere Stellung hatte, lies Zherebukh Caruana nicht mehr aus dem Schwitzkasten.

"Ich habe ihm überhaupt keine Chance gegeben" sagte Zherebukh. "Wenn ich kein Matt sehe, das die Partie beendet, dann spiele ich ruhig weiter."

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Zherebukh, der ausser gegen GM Wesley So in dieem Turnier noch nie zuvor gegen einen 2800 Großmeister gespielt hatte, sagte nach der Partie zu Chess.com, dass der Status seines Gegners "eventuell" sein Spiel beeinflußt habe. Nachdem der Eröffnung vergaß er, wer auf der anderen Seite des Tisches saß, aber er wusste die ganze Partie hindurch, dass er sich keinen Fehler erlauben dürfte.

"Du hast nur einmal im Leben die Chance einen 2800 Spieler zu schlagen" sagte er zu Chess.com.

Der einzige Teilnehmer, der durch eine Wildcard ins Feld gekommen war, führt jetzt zusammen mit Wesley So die Tabelle an, und der Underdog findet das "einfach nur schön". Sein Traum sei es schon gewesen bei diesem Turnier teilnehmen zu dürfen. 2016 hatte er ein Rating von 2640 und es hätte vielleicht für eine Teilnahme gereicht wenn er diese Zahl gehalten hätte, aber dann machte er Fehler bei der Auswahl der Turniere an denen er teilnahm.

"Ich habe bei leichteren Turnieren teilgenommen," erklärte Zherebukh, warum er dann soviele Punkte verloren hat. "Ich war wirklich enttäuscht, dass ich mich für 2016 nicht qualifizieren konnte. Es war einfach die falsche Strategie, an schwächer besetzten Opens teilzunehmen."

Nach Zherebukh's Heldenstreich konnte Wesley So seine alleinige Tabellenführung, obwohl er es versuchte, nicht beibehalten.

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In der PRO Chess League verlor GM Ray Robson von den Webster Windmills noch gegen GM Wesley So von den Saint Louis Arch Bishops. Heute machte er seine Sache besser.

"Man kann nicht jede Partie, mit jeder Farbe, einfach so gewinnen" sagte Wesley So nach der Partie. "Auf d4 zu nehmen war ein Fehler von Ray, denn danach hatte ich ein sehr gutes Gegenspiel."

So sagte, er hätte die Partie auf zwei Arten gewinnen können: Erstens auf dem Brett und zweitens auf Zeit, denn Robson's Uhr tickte mehrfach auf "zwei oder drei Sekunden" herunter. Eigentlich kennt Wesley So aber Robson gut genug um zu wissen, dass Robson nur zu gerne "mit der Schachuhr flirtet".

Nachdem er 2016 noch von Sieg zu Sieg geeilt war, fällt es ihm dieses Jahr viel schwerer zu gewinnen. "Die Dinge laufen komisch für Hikaru, Fabiano und mich", war sein Kommentar dazu.

GM Hikaru Nakamura hätte nichts dagegen gehabt, einen "höllischen Angriff" auf GM Sam Shankland zu starten, aber ausser dem erfolglosen Versuch seinen Springer auf c5 zu bekommen, war nicht viel von einem Angriff zu sehen.

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GM Sam Shankland. Spielte er gegen Nakamura, oder Karjakin?

"Das erste Problem war, dass ich glaube, dass Sam diese Variante, die Magnus [Carlsen] für die Partie gegen Sergey Karjakin einstudiert hat, selbst einstudierte" sagte Nakamura. "Ich hatte ungefähr die selben Ideen für Schwarz wie Sam... Ich habe eigentlich garnichts erreicht."

"Nach dem bisherigen Turnierverlauf war es mir egal ob ich die Partie verlieren hätte können. Ich wollte nur Punkten."

Nakamura scheint es zu genießen, Morgen gegen Wesley So spielen zu dürfen, denn in dieser Partie hat er keinen Druck, gewinnen zu müssen.

Alle 3 Topspieler und sogar sechs der Top 8 haben bis jetzt Ratingpunkte verloren.

In den weiteren Partien trennten sich GM Varuzhan Akobian und Turnierveteran GM Alex Onischuk unentschieden, während GM Gata Kamsky GM Daniel Naroditsky mit seinem klassischen positionellen Schach überspielte und gewann.

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Alle Grafiken sind von: Spectrum Studios.

Ihr könnt die Berichterstattung mit Livespielen und Interviews täglich ab 20 Uhr auf Chess.com/TV oder offiziellen Seite uschesschamps.com verfolgen.

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Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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