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EILMELDUNG: Radjabov zieht sich vom Kandidatenturnier zurück und wird von Vachier-Lagrave ersetzt
Radjabov (links) und Vachier-Lagrave. Fotos: Maria Emelianova/Chess.com.

EILMELDUNG: Radjabov zieht sich vom Kandidatenturnier zurück und wird von Vachier-Lagrave ersetzt

PeterDoggers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Vor wenigen Minuten gab die FIDE auf ihrer Webseite bekannt, dass sich GM Teimour Radjabov vom Kandidatenturnier zurückgezogen hat. Den damit freigewordenen Startplatz bekommt GM Maxime Vachier-Lagrave.

In einer Erklärung gegenüber Chess.com sagte Laurent Verat, der Manager von Vachier-Lagrave:

"Natürlich ist Maxime sehr glücklich, nachdem er die Qualifikation verpasst hat, nun doch beim Kandidatenturnier spielen zu können. Ich weiß, dass er es vorgezogen hätte, sich auf "normale Weise" zu qualifizieren, aber daran kann man jetzt nichts mehr ändern. Er nimmt es jetzt genau so an, wie er bereits die verpasste Qualifikation angenommen hatte. Seit Gibraltar hat er nur eine Bundesliga-Partie gespielt und ein paar Tage Urlaub gemacht. Ansonsten hat er seitdem viel trainiert."

"Ich habe nicht mit ihm noch nicht über Radjabovs Entscheidung gesprochen, aber Tatsache ist, dass er sich jetzt vorrangig auf seine Vorbereitung konzentrieren muss. Außerdem sind noch so viele Fragen offen: Reisen, Visum, Coronavirus, das Team. Das alles muss so schnell wie möglich geklärt werden. Die Gesamtsituation ist ziemlich schwierig. Ich kann Ihnen momentan nur sagen, dass er so früh wie möglich nach Jekaterinburg reisen möchte..."

Radjabov, der sich mit dem Gewinn des FIDE-Weltcups 2019 für das Kandidatenturnier qualifiziert hatte, hat laut FIDE "persönliche Gründe" für seinen Rückzug genannt.

Allerdings hat der aserbaidschanische Großmeister dies auf Instagram dementiert:

"Liebe Landsleute, Schachfans, die gesamte Schachgemeinschaft, Kollegen und Freunde. Was die FIDE behauptet ist nicht richtig. Ich habe mich nicht aus persönlichen Gründen vom Turnier zurückgezogen. Ich werde sehr bald eine Erklärung veröffentlichen und Briefe, die ich an die FIDE geschrieben habe, sowie deren Antworten auf diese Briefe zeigen."

Bald darauf veröffentlichte AzeriSport.com ein Statement von Radjabov. Hier ist sie ins Deutsche übersetzt:

"Vom 15. März bis zum 5. April 2020 sollte ich am Kandidatenturnier in Jekaterinburg, Russland, teilnehmen. Wie Sie wissen, gibt es derzeit sich weltweit ausbreitende Epidemie des Coronavirus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sie auf einer Skala für Epidemien mit der höchsten Stufe rot eingestuft. Viele Turniere und andere wichtige Ereignisse auf der ganzen Welt wurden aufgrund der aktuellen Situation abgesagt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

"Der Internationale Schachverband hat eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen getroffen, aber nicht alle. Es wurde gesagt, dass die chinesischen Spieler und ihre Trainer und Begleitpersonen in Russland für 14 Tage unter Quarantäne gestellt werden. Einer der chinesischen Schachspieler [Ding Liren - PD], die Trainer und die Delegation wurden auch tatsächlich unter Quarantäne gestellt. Der andere Teilnehmer aus China [Wang Hao - PD] wird jedoch nicht unter Quarantäne gestellt und reist erst kurz vor dem Turnierbeginn aus einem Land an, in dem die Coronavirus-Epidemie täglich zunimmt [Japan - PD].

"Außerdem gibt es keine Erklärung der FIDE, wie das Turnier ablaufen würde, wenn ein Teilnehmer oder Trainer oder eine Begleitperson, ein Journalist, ein Interviewer oder ein Schiedsrichter Anzeichen einer Erkältung oder Influenza zeigt, oder falls es sich, Gott bewahre, um den Coronavirus handeln sollte. Werden die Teilnehmer dann unter Quarantäne gestellt und wie viel Zeit und Schritte sind erforderlich, um genau zu bestimmen und analysieren, ob es sich tatsächlich um den Coronavirus handeln sollte?

"Das Kandidatenturnier ist ein Schachmarathon, der aus 14 Runden an 22 Tagen besteht. Wie sich das Turnier während dieser globalen Epidemie entwickeln wird, welche Maßnahmen im Falle der Erkennung des Virus oder im Falle einer Erkrankung eines Spielers ergriffen würden, hat mir niemand erklärt. Aufgrund der Komplexität all dieser Punkte wandte ich mich an die FIDE und bat darum, das Turnier auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Dies wurde abgelehnt. Im Zusammenhang mit dem oben Gesagten war ich der Ansicht, dass solche Bedingungen große Auswirkungen auf die Konzentration und Stimmung, das für das bestmögliche Spiel in einem so wichtigen Turnier erforderlich ist, haben könnten und eine mögliche Gefahr für die Gesundheit der Spieler nicht ausgeschlossen ist. Infolgedessen wurde ich durch einen anderen Teilnehmer ersetzt."

Teimour Radjabov
Teimour Radjabov. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

FIDE-Generaldirektor Emil Sutovsky gab dann eine Erklärung aus Sicht der FIDE ab und erklärte in einem Kommentar auf Championat.com auch die Wahl des Ausdrucks "persönliche Gründe".

"In den letzten Tagen waren wir mit Teimour in Kontakt. Er ist besorgt über die Ausbreitung des Coronavirus. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen in Bezug auf die Situation ergriffen: Wir minimieren den Kontakt zwischen den Spielern und dem Publikum und wir werden in der Spielhalle alle nötigen Vorkehrungen treffen. Wir haben den Spielern auch empfohlen, sich vor der Partie nicht die Hand zu geben."

"Sie müssen verstehen, dass dies kein riesiges Turnier ist - es spielen nur acht Spieler. Wirklich große Events werden wir absagen oder verschieben. Dieses Turnier wurde aber nicht nur von der FIDE, sondern auch von den russischen Gesundheitsbehörden genehmigt und wir stehen mit Gesundheitsdienstleistern in täglichem Kontakt."

"Teimour glaubt, dass das Problem des Virus nicht richtig gelöst wurde und dass die FIDE nicht für alle möglichen Szenarien bereit sei, was aus seiner Sicht logisch ist. Wir haben jedoch bei dem Turnier medizinisches Personal vor Ort und sehen keine Gefahr."

"Wir haben die Erklärung 'persönliche Gründe' verwendet, obwohl es möglicherweise genauer gewesen wäre, den Ausdruck 'persönliche Entscheidung' zu verwenden, denn wir wollten Teimour nicht der Übertreibung beschuldigen. Sie können argumentieren, ob Radjabovs Entscheidung angemessen ist, aber er traf sie ganz sicher nicht auf Anweisungen von irgendwelchen Behörden. Wir haben all seine Fragen beantwortet und ihm eine Liste von Maßnahmen, die wir ergriffen haben, zur Verfügung gestellt."

"Natürlich liegt die Entscheidung aber letztendlich beim Spieler selbst. Wir verstehen, dass dies eine ungewöhnliche Situation ist. In jeder anderen Situation würden gegen einen Spieler, der sich 10 Tage vor einem so wichtigen Turnier aus dem Turnier zurückzieht, Sanktionen verhängt. Das steht aber hier selbstverständlich außer Frage."

FIDE Director Emil Sutovsky
FIDE Generaldirektor Emil Sutovsky. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

In einer neuen Post auf Instagram sagte Radjabov, dass ihm die FIDE eine Frist bis zum 6. März um 12 Uhr Moskauer Zeit gegeben hat, um sich zu entscheiden. Falls er sich bis dahin nicht gemeldet hätte, wäre die FIDE von seinem Rückzug ausgegangen und hätte ihn ersetzt. 2 Stunden vor Ablauf dieser Frist hat Radjabov dann aber aus Anstandsgründen geantwortet und seinen Rückzug vom Kandidatenturnier bestätigt:

Laut der FIDE Regeln (hier als PDF) ist Vachier-Lagrave der erste Nachrücker. Das Verfahren ist in Artikel 2.2 und Artikel 2.1.E beschrieben:

2. 2. Falls ein Spieler ersetzt werden muss, auch aufgrund eines Rücktritts oder einer Verweigerung der Teilnahme, wird das Verfahren gemäß Artikel 2.1.E angewendet.

2.1.E Ein Platz ist für den Spieler mit der höchsten durchschnittlichen FIDE-Bewertung reserviert. Für die Entscheidung über das Qualifikationsmerkmal wird die durchschnittliche ELO-Bewertung aus den zwölf (12) FIDE-Standardbewertungslisten von Februar 2019 bis Jänner 2020 verwendet. (...). "

Nach Ding Liren und Anish Giri, die beide bereits qualifiziert sind, hat MVL die höchste durchschnittliche Bewertung während des oben genannten Zeitraums von 12 Monaten und ist somit der erste berechtigte Spieler. Laut der FIDE wurde der französische Großmeister bereits informiert und ist bereit, an dem Turnier teilzunehmen. "Zum Zeitpunkt dieser Ankündigung trifft er bereits seine Reisevorbereitungen."

GM Wang Hao, der am 13. März von Japan nach Russland reisen will, sagte gegenüber Chess.com, dass er der Meinung sei, dass die FIDE das Turnier verschieben sollte:

"Ich glaube, dass alle Großereignisse (nicht nur im Schach) vorerst verschoben werden sollten. Zum Beispiel geht die FIDE gerade mit der Ausrichtung der Senioren-WM ein großes Risiko ein. Obwohl es in der Tschechischen Republik nicht viele Fälle gibt, ist die Ausbreitung des Coronavirus in Europa scheinbar einfach nicht aufzuhalten. Die Senioren könnten sich auf dem Weg nach Prag leicht infizieren und sich dann dort gegenseitig anstecken."

Wang Hao
Wang Hao. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

"Beim Kandidatenturnier wären die Folgen zwar wahrscheinlich weniger gravierend, aber definitiv nicht leicht zu lösen. Wenn ein Spieler in Moskau ankommen und auf seinem Flug infiziert wurde oder bereits Anzeichen wie Fieber zeigt, würde der Spieler wahrscheinlich einfach 14 Tage lang unter Quarantäne gestellt werden und damit aber auch das Turnier verpassen."

"Was passieren würde, wenn ein Spieler während des Turniers Husten oder Fieber bekommt, weiß ich überhaupt nicht. Das ist eine große Frage. Weil es auch einfach nicht leicht ist, jemanden auf den Virus zu testen und die Ergebnisse auch falsch sein können. Außerdem ist es möglich, dass sich der Spieler einfach nur gerade erkältet hat oder die Grippe bekommt. Aber wenn so ein Fall passiert, was sollen wir dann tun? Ich glaube nicht, dass es dafür eine gute Lösung gibt."

"Ich habe gerade die Nachrichten über den Rücktritt von Radjabov gelesen. Ich denke, dass es eine anständige Entscheidung ist. Wahrscheinlich möchte er nur zu Hause bleiben, um alle möglichen Risiken zu vermeiden. Wenn das der Grund ist, kann ihm niemand eine Schuld geben."

Hier findet Ihr alle Infos zum Kandidatenturnier

PeterDoggers
Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

Peter's first book The Chess Revolution is out now!

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