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EILMELDUNG: FIDE Kandidatenturnier abgebrochen
Photo: Maria Emelianova/Chess.com.

EILMELDUNG: FIDE Kandidatenturnier abgebrochen

PeterDoggers
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

Die zweite Hälfte des FIDE-Kandidatenturniers wurde verschoben. Die FIDE hat soeben eine offizielle Erklärung veröffentlicht, laut der die bevorstehende Unterbrechung des Flugverkehrs zwischen Russland und anderen Ländern diese Entscheidung unumgänglich macht.

Die russische Regierung gab am Donnerstagfrüh bekannt, dass alle Linien- und Charterflüge von und nach Russland auf unbestimmte Zeit ausgesetzt werden.

Ohne Garantien für eine sichere und rechtzeitige Rückkehr der Spieler und Offiziellen in ihre Heimatländer kann die FIDE das Turnier nicht fortsetzen. In dieser Situation und auf der Grundlage von Ziffer 1.5. des Regelwerks des Kandidatenturniers beschloss der Präsident der FIDE, das Turnier abzubrechen. Es soll, sobald es die globale Situation im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zulässt, fortgesetzt werden. Wie dies mit den Spielern vor Beginn des Events vereinbart wurde, bleiben die Ergebnisse der 7 gespielten Runden gültig und das Turnier wird mit der 8. Runde im gleichen Format fortgesetzt. Die FIDE bedankt sich bei allen Spielern, Offiziellen, Freiwilligen und dem gesamten Organisationsteam, einschließlich des russischen Schachverbandes und des Hauptsponsors des Turniers - SIMA-Land.

Mit freundlichem Gruß,
Arkady Dvorkovich,
FIDE Präsident

Das Turnier wird also zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt. Die aktuelle Tabelle behält ihre Gültigkeit:

Tabelle nach der 7. Runde

# Land Name Elo Leistung 1 2 3 4 5 6 7 8 Punkte SB
1 Vachier-Lagrave, Maxime 2767 2876 1 ½ ½ ½ ½ 1 ½ 4.5 15.25
2 Nepomniachtchi, Ian 2774 2875 0 ½ 1 1 ½ 1 ½ 4.5 14.25
3 Caruana, Fabiano 2842 2764 ½ ½ ½ ½ ½ 0 1 3.5 12.25
4-5 Giri, Anish 2763 2775 ½ 0 ½ ½ ½ ½ 1 3.5 11.25
4-5 Wang, Hao 2762 2775 ½ 0 ½ ½ ½ 1 ½ 3.5 11.25
6 Grischuk, Alexander 2777 2773 ½ ½ ½ ½ ½ ½ ½ 3.5 12.25
7 Ding, Liren 2805 2667 0 0 1 ½ 0 ½ ½ 2.5 8.25
8 Alekseenko, Kirill 2698 2683 ½ ½ 0 0 ½ ½ ½ 2.5 9.25

Im Gespräch mit Chess.com sagte FIDE-Präsident Arkady Dvorkovich, der heute seinen 48. Geburtstag feiert:

"Die zweite Hälfte des Turniers wird stattfinden, sobald sich die Situation normalisiert hat. Wir hoffen, dass sie am selben Ort stattfinden kann. Wir haben eine Vereinbarung mit unserem Hauptsponsor SIMA-Land und wir versuchen, diese Vereinbarung zu erfüllen. Wir versuchen das Turnier rechtzeitig zu beenden, damit dem Sieger genügend Zeit für die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft im Dezember in Dubai bleiben wird.

"Die Entscheidung beruhte auf einer Kombination von verschiedenen Faktoren. Der wichtigste war, dass vor einigen Stunden bekannt gegeben wurde, dass Flüge aus Russland ins Ausland, einschließlich Charterflüge, vorerst ausgesetzt werden. Wir konnten das Risiko, dass die Spieler für eine unbestimmte Zeit nach dem Turnier in Russland festsitzen werden, nicht eingehen. In Kombination mit den Risiken, mit denen wir während des gesamten Turniers zu tun hatten und die wir minimieren konnten, war dies nun der ausschlaggebende Grund, um das Turnier abzubrechen und zu einem späteren Zeitpunkt zu Ende zu bringen.

"Es gab kein wachsendes Risiko für das Turnier selbst, aber die Situation auf der Welt hat sich seit Turnierbeginn sicherlich nicht verbessert. Für mich war der Zeitpunkt erreicht, an dem die Risiken im Zusammenhang mit der Rückkehr der Spieler in ihre Heimatländer höher wurden als die Risiken eines Verbleibs in Russland. Momentan ist Jekaterinburg eine der sichersten Städte der Welt, aber wir können nicht garantieren, dass dies langfristig so bleiben wird."

Arkady Dvorkovich FIDE
Arkady Dvorkovich. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Auf die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, das Turnier von Anfang an zu verschieben, antwortete Dvorkovich: "Ich denke, es war die richtige Entscheidung. Wir haben die Entscheidung getroffen, das Turnier zu spielen, da wir die Risiken unter Kontrolle halten konnten. Die ersten sieben Runden verliefen reibungslos. Der Abbruch ist eine rein verantwortungsvolle Entscheidung."

Aber was ist mit der Kritik der Großmeister
 Alexander Grischuk, Teimour Radjabov und Wang Hao, dass die Spieler wegen der Situation ablenkt werden?

"Natürlich haben wir auch diese Argumente besprochen. Ich schätze, dass die Spieler durch diese Dinge abgelenkt wurden, aber in jeder Sportart können professionelle Spieler durch alles mögliche abgelenkt werden. Wir als Internationaler Schachverband müssen die tatsächlichen Risiken einschätzen und für die Gesundheit und Sicherheit der Spieler achten und keine Entscheidungen über psychologische Faktoren treffen. Psychologie ist Teil fast aller Sportarten."

Und was ist mit der Eröffnungsfeier, zu der über tausend Personen erschienen?

"Die wurde nicht von der FIDE organisiert. Wir fragten die lokalen Partner, ob sie eine Genehmigung lokalen Behörden hatten und die lokalen Behörden hatten diese Veranstaltung erlaubt. Alle Personen, die dort und auch am nächsten Tag in der ersten Runde anwesend waren, durchliefen Standardkontrollverfahren. Zum Beispiel wurde bei allen die Temperatur gemessen."

FIDE Candidates 2020 opening ceremony
Die Eröffnungsfeier des Kandidatenturniers. Foto: Lennart Ootes/Chess.com.

Im Gespräch mit Chess.com sagte GM Wang Hao, dass die Spieler am frühen Morgen von der FIDE darüber informiert worden sind, dass sie Russland am Donnerstag verlassen müssten, da ab Freitag keine Flüge mehr starten würden. Der chinesische Großmeister erklärte erneut, dass er der Meinung ist, dass das Turnier niemals gestartet hätte werden dürfen:

"Ich denke, es ist wie ein Witz. Von Anfang an hätte es nicht stattfinden sollen. Mann kann doch kein Turnier starten und es dann für eine unbestimmte Zeit unterbrechen. Jetzt haben wir ein großes Durcheinander. Sie hätten wissen können, wie viele verschiedene Probleme das verursacht. Natürlich kann die FIDE nicht alles kontrollieren, aber es gab viele Gründe, um das Turnier zu verschieben."

Wang erklärte, dass es einfach zu viele Ablenkungen gab, um hochklassiges Schach zu spielen: "Während des gesamten Turniers fühlte ich mich abgelenkt. Ich machte mir Sorgen um Flüge und hörte ständig schlechte Nachrichten aus China... Wenn wir jetzt nach China einreisen, werden wir wieder zwei Wochen unter Quarantäne gestellt. Ich hätte einfach von Tokio nach Peking reisen und meine Quarantänezeit zu Hause verbringen können, aber ich glaube, das ist jetzt nicht mehr möglich."

Wang Hao FIDE Candidates
Wang Hao. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

GM Maxime Vachier-Lagrave sagte, er sei nicht abgelenkt gewesen: "Wir wussten, dass das Turnier jeden Tag abgebrochen werden kann. Für mich war das nicht so schwierig. Ich habe mein Ding gemacht, mich vorbereitet und es war irgendwie ein normales Turnier. Und ich fand auch, dass die Partien eine ziemlich hohe Qualität hatten. Das war zumindest mein Eindruck. "

MVL versteht aber auch die Spieler, die einen Abbruch des Turniers gefordert hatten: "Ihr Standpunkt macht Sinn, aber ich denke, dass sich alle Spieler, die gegen die Austragung des Turniers zum jetzigen Zeitpunkt waren, zusammenschließen hätten sollen. Wenn da drei oder vier Spieler gemeinsam aktiv geworden wären... "

Und was ist mit GM Teimour Radjabov? MVL war ja erst nachdem der aserbaidschanisch Großmeisters wegen der Situation um das Coronavirus seine Teilnahme abgesagt hatte, in das Teilnehmerfeld gerutscht.

"Er hatte Recht, aber er hat nicht versucht, sich mit den anderen Spielern zusammenzuschließen. Und sein Erklärungsschreiben war auch ein bisschen seltsam. Er schoß sich auf Wang Hao ein und forderte, dass er unter Quarantäne gestellt werden sollte, aber warum nicht zum Beispiel einen anderer Spieler aus einem Land, in dem die Situation deutlich schlimmer war?

"Im Grunde genommen hatte er Recht, aber als er sich entschieden hatte, sich zurückzuziehen, war das Turnier für ihn vorbei. Wenn er sich mit anderen Spielern abgestimmt hätte, wäre es vielleicht ganz anders gekommen. Ich möchte aber auch klarstellen, dass ich meinen Platz nicht gestohlen habe. Die Situation um das Coronavirus hat mir zwar letztendlich diesen Platz beschert, aber so läuft das Leben eben manchmal. Es ist nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass jemand den Platz eines anderen einnimmt. Egal im Sport oder anderswo."

Maxime Vachier-Lagrave FIDE Candidates
Maxime Vachier-Lagrave. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Der Abbruch erfolgte genau einen Tag, nachdem Vachier-Lagrave die Tabellenführung übernommen hatte. Er war in guter Form. Ist das für ihn jetzt ein schlechter Zeitpunkt?

"Nein, glaube nicht. Ich war mir der Situation von Anfang an bewusst. Aus Sicht der FIDE ist es verständlich, dass sie das Turnier durchführen wollten. Es war sehr wahrscheinlich, dass das Turnier auch beendet werden würde, aber nach den heutigen Nachrichten war es wirklich nicht mehr möglich. Teimour hatte Recht, aber ohne einen großen Ausbruch in Russland hätte das Turnier beendet werden können. Und die FIDE hat viele Maßnahmen ergriffen. Ich finde es ungerecht, der FIDE die alleinige Schuld zu geben."

FIDE-Generaldirektor Emil Sutovsky, FIDE-Präsident Dvorkovich und die Großmeister Vishy Anand, Hikaru Nakamura und Vladimir Kramnik gaben dann in der Live-Übertragung von Chess.com weitere Kommentare ab. Hier ist eine Auswahl:

Sutovsky: "Jetzt mussten wir diese Entscheidung treffen. Vor 20 Tagen war die Situation aber noch anders - sehr viel anders als heute. Wenn man das Kandidatenturnier absagt, riskiert man einen ganzen Zyklus.

Warum Beispiele für andere Spots nicht befolgt wurden: "Die Situation war nicht dieselbe. Es gab nicht Tausende von Menschen, sondern nur acht Spieler. Auch andere Sportarten handelten erst, nachdem sich einige Spieler mit dem Virus infiziert hatten."

Dann gab Sutovsky noch zu, dass die Eröffnungsfeier mit mehr als tausend Besuchern "ein Fehler" war.

Dvorkovich: "Ich denke, zu Beginn war unsere Risikobewertung richtig. Es war eine schwierige Entscheidung, das Turnier zu starten und es war auch eine schwierige Entscheidung, das Turnier zu stoppen."

Und in Bezug auf die schlechte Atmosphäre, die einige Spieler angesprochen hatten: "Wir sprechen von professionellen Spielern, die mit diesem Druck umgehen können sollten."

Anand: "Ich dachte, wenn sich alle schon einmal die Mühe gemacht haben, nach Jekaterinburg zu kommen, dann sollte das Turnier auch stattfinden, aber das war jetzt höhere Gewalt. Dies war der einzige Schritt. Ich kann aber nicht verstehen, warum das Turnier nicht hätte beginnen sollen. Vielleicht war ich aber auch nur froh, etwas zum Zusehen zu haben!"

Nakamura glaubt, dass die FIDE im Fall Radjabov unter Berücksichtigung der damals verfügbaren Informationen richtig gehandelt hat. Er sagte jedoch auch: "Aus moralischer Sicht sieht es jetzt so aus, als hätte er damals die richtige Entscheidung getroffen."

Kramnik: "Ich habe der FIDE in einem privaten Gespräch bereits eine Woche vor Turnierbeginn geraten, das Turnier zu verschieben. Die FIDE hat beschlossen es durchzuziehen und ich denke, das war ein Fehler. Es war aus humanitären Gründen falsch, denn jetzt ist die Situation so, dass Menschen leiden und sterben und so. Es ist wirklich eine schwierige Situation für uns alle, für die ganze Welt. Wir müssen auch Menschen sein. In einer solchen Situation möchtest du bei deiner Familie bleiben. Du möchtest zu Hause bleiben. Bei deinen Verwandten. Deinen Lieben. Es fühlt sich einfach falsch an, dass du Schach spielen musst, wenn du im Grunde genommen deine Familie unterstützen solltest. Die Spieler unter einem solchen Druck spielen zu lassen, der sie einfach nervös, negativ und depressiv macht, fühlt sich einfach irgendwie falsch an. Du musst dich nicht nur um ihre Gesundheit kümmern, sondern musst ihnen auch die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit sie ihre Bestleistungen zeigen können."

PeterDoggers
Peter Doggers

Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”

Peter's first book The Chess Revolution is out now!

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