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Chess.com Isle Of Man: Wojtaszek besiegt Naiditsch im Armageddon

Chess.com Isle Of Man: Wojtaszek besiegt Naiditsch im Armageddon

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

"Der Bogen des moralischen Universums ist weit, aber er neigt sich zur Gerechtigkeit.“ - Martin Luther King.

Heute neigte er sich in Richtung Polen, denn nachdem sie Anfang des Monats bei der Schacholympiade nur haarscharf an den Medaillenplätzen vorbeigeschrammt waren, nahm das polnische Top-Paar von der Isle of Man alles mit nach Hause, was es dort zu holen gab.

Arkadij Naiditsch hatte das Glück gehabt, im Hauptturnier des 2018 Chess.com Isle of Man International Turniers 5 mal mit Weiß spielen zu dürfen, aber im Alles entscheidenden Armageddon holte Radoslaw Wojtaszek das Optimum aus den weißen Figuren heraus und konnte sich in diesem Finale sogar ein kleines Extra-Taschengeld verdienen.

Seine russische Ehefrau, IM Alina Kashlinskaya, machte das Familienglück perfekt, denn sie gewann den Damenpreis.

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Kashlinskaya und Wojtaszek haben allen Grund zum Strahlen. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Nachdem das direkte Duell um den Turniersieg in der neunten Runde mit einem Remis geendet war, mussten Wojtaszek und Naiditsch darauf hoffen, dass kein weiterer Spieler mit den beiden in Führung liegenden gleichzog. Da dies nicht der Fall war, mussten 2 Blitzpartien um den Turniersieg entscheiden. Der Gewinner würde den Siegerpokal und zusätzliche £500 mit nach Hause nehmen dürfen. Obwohl besonders die zweite Partie mit Fehlern gespickt war, gewannen beide Kontrahenten mit Weiß und eine Armageddon Partie musste die Entscheidung herbeiführen.

"Ich glaube, dass es in solchen Playoffs nicht wirklich um die wahre Spielstärke geht - oder zumindest hoffe ich das!" sagte Wojtaszek nach den beiden Partien. "Das Level war eine Katastrophe. Ich schäme mich fast, dass ich so schlecht gespielt habe!"

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Der Start der regulären Partie zwischen Naiditsch und Wojtaszek. | Foto: John Saunders.

Wojtaszek durfte die Armageddonpartie mit Weiß spielen, was bedeutet, dass er gewinnen musste, damit sein Name auf den Pokal graviert wird. Unabhängig vom Ausgang dieser Partie, wurden die beiden Top Geldpreise aber zwischen den beiden geteilt, was bedeutete, dass jeder von ihnen bereits £37,500 gewonnen hatte.

Zur Freude der Schachfans waren die beiden Finalisten sogar bereit, während dieser Partie Pulsmesser zu tragen. Als die Bedenkzeit auf unter 20 Sekunden fiel, stieg der Herzschlag beider Spieler auf über 160 Schläge pro Minute.

Wojtaszek kam kurzzeitig sogar auf 170 Schläge, was laut der Mayo Klinik schon fast die maximale Herzfrequenz überschreitet. Die meisten Ärzte verwenden die Formel "220 minus dem Alter" um die Herzfrequenz zu bestimmen, die auf keinen Fall überschritten werden darf.

Den Herzschlag seiner Frau IM Alina Kashlinskaya, die nur wenige Schritte neben dem Brett die Partie verfolgte, zu messen, wäre ebenfalls interessant gewesen. Vielleicht wäre diese sogar noch höher gewesen, denn schließlich hat sie einen 2600 Großmeister geschlagen, eine GM Norm erzielt, den Damenpreis gewonnen und ihren Geburtstag gefeiert. Und das alles an einem Tag!

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Kashlinksaya wird nach ihrem Sieg über Sevian interviewt. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Wojtaszek wird diesen Monat sicher nicht so schnell vergessen. Er hat sich im Oktober um 22 ELO Punkte verbessert und damit Superstars wie Hikaru Nakamura, Veselin Topalov und Peter Svidler in der Rangliste überholt.

Hier ist die erste Blitzpartie (gespielt mit einer Bedenkzeit von 5+2), bei der der Pole seinen c-Bauern geopfert, oder wahrscheinlicher, einfach eingestellt hat. Dann musste er sich komplett zurückziehen und verlor auch noch seinen h-Bauern. Als er nichts mehr zu verlieren hatte, setzte Weiß alles auf einen Angriff auf der f-Linie und der Verzweiflungsangriff drehte die Partie.

Nach einigen abenteuerlichen Zügen stand dann Naiditsch abermals auf Gewinn aber dann wurde sein König zu abenteuerlustig, was sich als fatal erwies. Einmal mehr hat also der Spieler, der den vorletzten Fehler gemacht hat, die Partie gewonnen:

Hier ist der Originalkommentar zu der Partie. Der Herzschlag der Kommentatoren steigt genau wie der der Spieler, je mehr sich die Partie dem Ende nähert:

Watch 2018 Ches.scom Isle of Man International Tiebreak Game 1: A "Normal" Blitz Chess Game from Chess on www.twitch.tv

Nach einer kurzen Pause wurden die Farben getauscht und dieses mal war es Weiß, der die Partie von Anfang an kontrollierte. Naiditsch machte ein korrektes Springeropfer, um die e-Linie zu öffnen und tauschte dann zwei Leichtfiguren gegen einen Turm, um den Druck aufrechtzuerhalten.

Das dadurch entstandene, seltsame Ungleichgewicht, von Turm und 2 Bauern gegen 3 Leichtfiguren, spricht aber nur die halbe Wahrheit. Die weißen Bauern waren gefährliche Freibauern und Schwarz war fast nicht entwickelt und hatte noch dazu einen schwachen König. Dann verlor Naiditsch aber den Faden und konnte seinen hilflosen Gegner nicht zur Strecke bringen. Es entstand ein wilder, taktischer Schlagabtausch, wie ihn nur 2 2700-Großmeister zustande bringen.

Die Wettquoten, dass Buster Douglas gegen Mike Tyson gewinnen würde, standen bei 41:1 und die Quoten in Douglas standen wohl schon ähnlich, aber der Pole hätte es fast geschafft, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Danny King war bei all diesen unerwarteten Zügen völlig überfordert:

Watch 2018 Chess.com Isle of Man International Tiebreak Game 2: A Sicilian Sacrifice from Chess on www.twitch.tv

Jetzt musste eine Armageddonpartie über den Sieg entscheiden und ein Münzwurf entschied, dass Wojtaszek mit Weiß und 5 Minuten Bedenkzeit gegen Naiditsch, der nur 4 Minuten Bedenkzeit erhält, gewinnen musste. Ein Zeitbonus für jeden Zug wäre erst ab dem 60. Zug gewährt worden. Es war der Pole, der zum entscheidenden Zeitpunkt sein bestes Schach des Tages auf das Brett bringen konnte.

"Die letzte Partie war ganz gut, glaube ich," sagte Wojtaszek. "Zumindest im Vergleich zu den ersten beiden."

"In einem Playoff zählt nur, wer den Sieg mehr will," sagte der Sieger. "Ich glaube, das war heute einfach ich."

"Ich musste ja Alina überbieten, also hatte ich keine andere Wahl!" fügte er hinzu. 

Hier ist die Armageddonpartie und Wojtaszeks Interview nach seinem Sieg:

Watch 2018 Chess.com Isle of Man International Tiebreak: Armageddon from Chess on www.twitch.tv

Vor dem ganzen Drama der Extra-Session lieferten sich die Spieler ein relativ ereignisloses Unentschieden an Brett 1. Naiditschs Figurenopfer war nur ein Mittel zum Zweck, da die darauf folgende Zugwiederholung erzwungen war.

Vor der letzten Runde hatten noch 3 Spieler die Chance, mit den beiden Führenden gleichzuziehen. Jeffery Xiong und Gawain Jones spielten an Brett 2 gegeneinander, aber keiner schaffte es, zu gewinnen. Maxime Vachier-Lagrave hätte mit Schwarz gegen Alexander Grischuk gewinnen müssen, verlor aber sogar bei diesem Versuch.

Grischuk wies darauf hin, dass, obwohl sie schon so oft gegeneinander gespielt hatten, dies die erste Partie zwischen den beiden war, die nicht mit einem Remis endete! Ein weiterer Fakt ist jedoch noch unglaublicher: Obwohl so viele Top10 Spieler bei diesem Turnier antraten, war dies die erste und einzige Partie des Turniers, bei der zwei dieser Top10 Spieler aufeinander trafen!

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Alexander Grischuk wird von Fiona Steil-Antoni interviewt. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Dass die Partie nicht mit einem Remis endete war wohl auch dem Fakt geschuldet, dass beide Spieler unbedingt gewinnen wollten. MVL spielte um den Turniersieg und Grischuk um einen Geldpreis.

"Wenn ich nicht gewonnen hätte wäre ich mit leeren Händen nach Hause gefahren," erklärte Grischuk seine aggressive Spielweise. 

Dejan Bojkov

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Grischuk und MVL analysieren ihre Partie—es ist doch schön, dass diese nette Tradition im Computerzeitalter bestehen bleibt. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Für Grischuk war das Turnier viel zu kurz. Er klagte, dass viele seiner Partien kurz waren und er gerade erst in Fahrt gekommen sei.

"Es ist sehr merkwürdig, dass das Turnier schon vorbei ist", sagte er und fügte hinzu, dass er nur ungefähr drei Partien gespielt hat und sich die Top-Spieler meistens nicht gegenüberstanden.

"Es ist, als ob man ein Radrennen über 100 Meter oder ein Formel 1 Rennen über einen Kilometer macht", sagte er.

Grischuk enthüllte auch, dass er nicht auf dem neuesten Stand der Technik ist und wir ihn deshalb in nächster Zeit nicht streamen sehen werden. Er erklärte, dass sowohl Viber als auch WhatsApp auf seinem Handy eine neue Erfahrung für ihn waren und er sie nur widerwillig installierte.

Hier ist Kashlinskayas brillanter Abschluss ihres brillanten Turniers. Für ihre Norm musste sie gegen Sam Sevian überhaupt nicht punkten, aber weil es ihr 25. Geburtstag war, gewann sie einfach trotzdem.

Es ist ihre erste GM-Norm. Man könnte jetzt denken, dass sie genauestens mitgerechnet hat, aber das war gar nicht der Fall. Sie erklärte, dass sie es von anderen erfahren hätte, dass sie die Norm bereits gestern erreicht hatte.

Da es ihr Geburtstag war, spielte sie ein "Nach-mir-die-Sinnflut-Opfer", aber es hat funktioniert:

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Kashlinskaya gegen Sevian. | Foto: John Saunders.

Kashlinskaya bekam als beste Dame einen Scheck über £7,000. Damit hat die Familie insgesamt £45,000 gewonnen und sie bestätigte, dass es definitiv das beste Ergebnis war, dass die beiden jemals zusammen erzielt haben.

"Ich habe keine Erklärung dafür, was hier passiert ist," sagte Kashlinskaya. "Ich habe irgendwie das Gefühl, dass gegen mich alle schwächer als sonst gespielt haben!"

Alexandra Kosteniuk wurde zweite in der Damenwertung.

Vladimir Kramnik und Hikaru Nakamura hatten ihre Chancen auf den Turniersieg schon gestern verspielt, aber erreichten durch ihre Siege noch den geteilten dritten Platz.

Kramnik gewann gegen Alexey Shirov eine Berliner Partie, obwohl der Spanier einen Freibauern bilden konnte. Es war das 57. aufeinandertreffen der beiden und Kramik führt jetzt mit 16:12 bei 29 Remis.

null Zwei Schachgiganten im goldenen Herbst ihrer Karrieren. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Nakamura spielte eine der längsten Partien des Tages und sicherte sich gegen den Champion von 2016, Pavel Eljanov, den ganzen Punkt.

 Chess.com Isle of Man International 2018 | Abschlußtabelle (6.0 oder mehr Punkte)

Platz Titel Name Land ELO Punkte
1 GM Wojtaszek Radoslaw* 2727 7,0
1 GM Naiditsch Arkadij 2721 7,0
3 GM Kramnik Vladimir 2779 6,5
3 GM Grischuk Alexander 2769 6,5
3 GM Nakamura Hikaru 2763 6,5
3 GM Wang Hao 2722 6,5
3 GM Jones Gawain C B 2677 6,5
3 GM Adhiban B. 2668 6,5
3 GM Xiong Jeffery 2656 6,5
10 GM Giri Anish 2780 6,0
10 GM Vachier-Lagrave Maxime 2780 6,0
10 GM Anand Viswanathan 2771 6,0
10 GM Karjakin Sergey 2760 6,0
10 GM Rapport Richard 2725 6,0
10 GM Le Quang Liem 2715 6,0
10 GM Vidit Santosh Gujrathi 2711 6,0
10 GM Artemiev Vladislav 2706 6,0
10 GM Almasi Zoltan 2702 6,0
10 GM Leko Peter 2690 6,0
10 GM Howell David W L 2689 6,0
10 GM Sethuraman S.P. 2673 6,0
10 GM Kovalev Vladislav 2664 6,0
10 GM Melkumyan Hrant 2660 6,0
10 GM Sutovsky Emil 2633 6,0
10 GM Parligras Mircea-Emilian 2623 6,0
10 GM Ganguly Surya Shekhar 2622 6,0
10 GM Fridman Daniel 2600 6,0
10 IM Kashlinskaya Alina** 2447 6,0

*Sieger im Playoff.
**Beste Dame.

 Gesamte Tabelle.

Watch Chess.com Isle of Man, Final Round from Chess on www.twitch.tv

Das Chess.com Isle of Man International Turnier 2018 war ein 9 Runden Turnier vom 20. bis zum 28. Oktober. Es fand in der Villa Marina statt und wurde von der Scheinberg Familie gesponsort. Alle Runden wurden auf Twitch.tv/Chess und Chess.com/TV live übertragen.

Radek Wojtaszek Alina Kashlinskaya Isle of Man

Das Siegerpaar Radek Wojtaszek und Alina Kashlinskaya. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

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Wojtaszeks Name auf dem Isle of Man Cup. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Radek Wojtaszek Isle of Man prize giving

Bei seiner Siegerrede dankte Wojtaszek seiner Frau für ihre Unterstützung und versprach, den Titel im nächsten Jahr zu verteidigen. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Arkadij Naiditsch Isle of Man

Der zweitplatzierte Arkadij Naiditsch. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

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Die Plätze 3-10 (von links nach rechts): Vladimir Kramnik, Hikaru Nakamura, Wang Hao, Baskaran Adhiban, Jeffery Xiong, Gawain Jones, Alexander Grischuk und Organisator Alan Ormsby. | Photo: Maria Emelianova/Chess.com.

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Daniel Fridmann (4. von links) war unter den Spielern, die die Plätze 11-28 belegten! | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Kashlinskaya

Alina Kashlinskaya bekommt den Siegerscheck als beste Dame... | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

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...und eine GM Norm! | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

Alexandra Kosteniuk Isle of Man

Alexandra Kosteniuk wurde zweitbeste Dame des Turniers. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

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Alan Ormsby mit den Spielerinnen, die sich den dritten Platz der Damenwertung teilen (von links nach rechts): Soumya Swaminathan (IM Norm!), Nino Batsiashvili,  Munguntuul Batkhuyag, Jovi Houska, Elisabeth Paehtz und Irina Bulmaga. |
Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

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Karjakin und Kramnik... und Giri. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.

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Das Siegerpaar signiert ein Schachbrett für Isai Scheinberg, den Hauptsponsor des Turniers. | Foto: Maria Emelianova/Chess.com.


Weitere Berichte über das Isle of Man Turnier:

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FM Mike Klein

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Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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