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Carlsen gewinnt das 2017 Chess.com Isle Of Man International Turnier

Carlsen gewinnt das 2017 Chess.com Isle Of Man International Turnier

MikeKlein
| 0 | Berichterstattung von einem Schach-Event

GM Magnus Carlsen reiste nur mit seiner Freundin, aber ohne Trainier, Manager und Sekundanten an. Die beiden verlassen das Turnier trotzdem als Gewinner.

"Es war anders," sagte Carlsen zu Chess.com über die fehlende Begleitung. "Ich war das ganze Turnier über sehr entspannt."

Carlsen gewann das 2017 Chess.com Isle of Man International Turnier nach seinem heutigen Remis gegen GM Hikaru Nakamura. Sein Interview nach der Partie dauerte dann sogar länger als die Partie selbst.

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Wenn man genau hinsieht, sieht man, dass das Kondenswasser von GM Hikaru Nakamura's kalter Red Bull Dose am Ende der Partie noch gar nicht abgetaut war. | Foto: Chess.com/Mike Klein.

GM Garry Kasparov hat einst den Begriff "Schachtourist" erfunden, der mehrere Bedeutungen haben kann, aber Carlsen bewies, dass er nichts mit schlechtem Schach zu tun haben muss, denn in der heutigen digitalen Welt war Calsen natürlich trotzdem nicht alleine und konnte sich ständig mit den Personen seines Vertrauens beraten.

"Ich habe den Ratschlag von Peter [Heine Nielsen] befolgt," sagte Carlsen. "Wenn Du ein Remis haben willst, dann überlasse nichts dem Zufall. Erzwinge entweder ein absolut ungewinnbares Endspiel oder gib ein Dauerschach."

In anderen Aspekten hörte er weniger auf Nielsens Ratschläge.

"Er hat mir einige Vorbereitungen geschickt, aber die meisten habe ich nicht befolgt," sagte Carlsen über Nielsen. "Er sagt immer, wenn ich ihn überrasche, dann überrasche ich meinen Gegner auch!"

Heute hat der Weltmeister den Amerikaner vor die Wahl gestellt, entweder einen schlechten Zug zu machen, oder auf eine Zugwiederholung einzugehen. In einer Partie, die er unbedingt gewinnen musste, um das Turnier noch zu gewinnen. Nakamura hatte also die Wahl, die Partie oder das Turnier zu verlieren.

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Carlsen verteidigte seine Führung und gewann das Turnier mit 7.5 von 9 möglichen Punkten. Seine ELO Leistung betrug 2900 und auf dem Siegerscheck steht die Summe von £50,000. Er hat zwar im letzten Jahr einige Blitz- und Schnellschachturniere gewonnen, aber dies war sein erster Turniersieg eines Turniers mit klassischer Bedenkzeit seit 435 Tagen.

Den Norweger hat dies nicht besonders überrascht.

"Da ich ja bei Turnieren mit kürzerer Bedenkzeit recht ordentlich gespielt hatte, dachte ich mit, dass ich das Schachspielen wohl nicht verlernt haben konnte," sagte er. "Der Trend geht nach oben."

Carlsen sagte zu Chess.com, dass Nakamura ja zum ersten Zug zurückkehren und eine andere Eröffnung wählen könnte, um das Remis zu vermeiden. Seiner Meinung nach hatte Nakamura überhaupt keine andere Wahl, als das Remis mittels 13...Lf5 zu akzeptieren.

"Wenn er eine schlechtere Stellung gewollt hätte, hätte er ja Königsindisch spielen können," sagte Carlsen. "Ich habe eigentlich auch damit gerechnet. Als er mit dem Damengambit eröffnete war mir klar, dass er einfach ein gutes Turnier mit einem guten Resultat beenden wollte."

"Ich glaube, Magnus hätte gerne eine Königsindische Partie gegen mich gespielt," sagte Nakamura zu Chess.com. Er verwies auf die berühmte "Sonnenbrillen Partie" die die beiden beim Sinquefield Cup 2013 spielten und die ja schon im gestrigen Artikel behandelt wurde.

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Wenn man in der Eröffnung den König des Weltmeisters auf e2 zwingt, hat man noch nicht automatisch gewonnen. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Nakamura erwähnte gegenüber Chess.com auch Carlsen's unorthodoxe Eröffnungen, aber stellte klar, dass er sich nicht auf solche Experimente einlassen wollte. Nicht gegen den Weltmeister.

"Was Magnus gegen [GM Eugene] Perelshteyn gespielt hat, funktioniert nur gegen einen schwächeren Spieler," sagte er. (Perelshteyn war sich sicher, dass er bei dieser Partie eine vorteilhafte Stellung hatte. Carlsen erwähnte mehrmals, dass er in dieser Runde in großen Schwierigkeiten war. Perelshteyn versprach Chess.com, diese Partie noch ausführlich auf dieser Seite zu analysieren.)

Ferner sagte Nakamura, dass er insgesamt mit seiner Leistung bei diesem Turnier zufrieden gewesen sei. Heute war er in einer Siegzwang Situation aber er trauerte den vergebenen Chancen nicht hinterher.

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Besonders GM Viswanathan Anand verließ des öfteren sein Brett um sich über den Stand an Brett 1 zu informieren. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

Wie Nakamura erwähnte, hätte er wahrscheinlich in der siebten Runde mit Schwarz gegen Carlsen gespielt, wenn er gegen GM Aleksandr Lenderman in der sechsten Runde gewonnen hätte. Am optimalsten wäre es für ihn gewesen, wenn GM Fabiano Caruana gestern gegen Carlsen gewonnen hätte, denn dann hätte er heute mit Weiß gegen Carlsen antreten können. Im allgemeinen hatte Nakamura aber keine große Lust auf das "wenn und hätte Spielchen".

Was hat also Carlsen an seinem freien Nachmittag und mit den Taschen voller Geld gemacht? Er sagte, er würde gerne das Manx Museum besuchen, denn dort läuft eine Ausstellung über die Fauna, Flora und die Tektonik der Insel sowie über die Geschichte und natürlich das Motorradrennen. Als er erfuhr, dass der Besuch kostenlos ist, sagte er: "Gratis? Super!"

Giris Tweet war ein Witz unter Großmeistern. Carlsen spielte ja bei diesem Turnier das "Larsen System" mit 1.b3, aber wohl nicht, weil seine Freundin so heißt und das System wurde schon garnicht nach ihr benannt.

So kommen wir zum Kampf um die Plätze und hier zockten die Veteranen groß auf. Die Großmeister Viswanathan Anand, Michael Adams und Vladimir Kramnik schlossen das Turnier allesamt mit Siegen ab.

Anand nahm GM Hou Yifan auseinander, die trotz dieser Niederlage den Damenpreis gewinnt. Er selbst teilt sich mit Nakamura den zweiten Platz. 

Hou besuchte nach der Partie unser Studio:

Kramnik spielte nach seinen beiden Auftaktniederlagen groß auf. Er blieb ungeschlagen und lamentierte nur, dass er gegen GM James Tarjan in der dritten Runde eine Taktik übersehen hatte. 

Aus den letzten 6 Partien holte er aber 5.5 Punkte und ist damit sogar weiterhin im Rennen um einen Startplatz beim Kandidatenturnier. Er spielt nach noch den European Club Cup und vielleicht sogar noch ein weiteres Turnier während seine Konkurrenten wie GM Fabiano Caruana erst wieder bei den London Classis spielen, das aber für diese Wertung nicht mehr zählt.

Durch seinen heutigen Sieg über GM Gawain Jones minimierte er seinen Ratingverlust auf 8.4 Punkte.

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Hier spricht Kramnik über sein erstes "Open" seit Katar 2015.

Wenn ihr denkt, dass ein Turnier ohne mindestes eine verrückte Partie kein gutes Turnier wäre, dann haben wir Wagner-Sokolov für euch. Besonders der 29. Zug des Holländers wird euch verzücken.

Vielleicht stammt der Zug aber gar nicht von ihm, sondern er hat ihn nur von "Tetris" kopiert. Denn dort füllt man ja auch oft zuerst eine Ecke und wartet darauf, dass ein passendes Baustein kommt. 

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Das "Sokolov System?" Es funktioniert vielleicht besser bei Tetris. Bild: Wikipedia.

GM Michael Adams hat sich still und heimlich auf den vierten Platz gespielt. Heute hat die Erfahrung über die Jugend gesiegt.

Es kam zu einer Vielzahl von rein amerikanischen Duellen bei diesem Turnier und in der letzten Runde kam es zu einem ganz besonderen Leckerbissen, denn GM Fabiano Caruana revanchierte sich für seine Niederlage gegen Varuzhan Akobian bei den Amerikanischen Meisterschaften. Caruana gewann am Ende mit Dame und Läufer gegen Dame und Springer.

Wie schon eine Runde zuvor versuchte Akobian einen Angriff mit dem h-Bauern, aber Caruana fand die richtige Antwort:

Und so kommen wir zu den Großmeister-Normen. Nino Batsiashvili und Harsha Bharathakoti hatten sich ihre Normen ja bereits gesichert. Gott sei Dank - denn beide verloren heute ihre Partien. Sobald Batsiashvili den Papierkram erledigt hat, sollte ihr der Titel eines Großmeisters verliehen werden.

Drei weiterer Spieler benötigten heute noch einen Sieg für eine Großmeister-Norm, aber nur einer von ihnen konnte gewinnen. IM Anna Zatonskih spielte Remis und IM Nihal Sarin verlor seine Partie, aber IM Michael Brown war der Held des Tages. Der Student der Brigham Young University (das ist übrigens die Universität, in der auch der Mitbegründer von Chess.com studiert hat) spielte ein großartiges Turnier und krönte seine Leistung durch seinen Sieg über GM Zoltan Almasi! Um die Stärke des Turniers zu verdeutlichen sollte man vielleicht noch erwähnen, dass Almasi eine Elo von über 2700 hat, und das Turnier mit 4.5 Punkten beendete.

Bei einem anderen Turnier, wäre diese Partie vielleicht die "Partie des Tages" geworden, so spannend wie sie war. Almasi hätte sich sogar eine zweite Dame holen können, aber auch das hätte zu einer Niederlage geführt. So muss man sich eine Norm erspielen!

Bei der Siegerehrung hatten alle viel Spaß und natürlich wurden noch einige Blitz- und Tandemschach Partien gespielt.

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Carlsen mit Scheck und Pokal neben dem Hauptsponsor. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

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In einer tollen Siegerrede dankte Carlsen Vielen, aber besonders seiner Freundin. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

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Zum Abschluß gab´s noch eine Blitzpartie zwischen Lawrence Trent und Hikaru Nakamura. | Foto: Chess.com/Maria Emelianova.

2017 Chess.com Isle of Man International | Abschlußtabelle, Top 24

Platz Gesetzt Titel Name Land ELO Punkte Leistung Wertung ELO +/-
1 1 GM Carlsen Magnus 2827 7,5 2903 7,5 11,4
2 4 GM Anand Viswanathan 2794 7,0 2806 7 1,6
5 GM Nakamura Hikaru 2781 7,0 2831 7 5,7
4 2 GM Kramnik Vladimir 2803 6,5 2660 6,5 -8,4
3 GM Caruana Fabiano 2799 6,5 2831 6,5 4,6
6 GM Adams Michael 2738 6,5 2719 6,5 2,3
8 GM Eljanov Pavel 2734 6,5 2749 6,5 3,3
12 GM Vidit Santosh Gujrathi 2702 6,5 2764 6,5 8,2
16 GM Sutovsky Emil 2683 6,5 2712 6,5 5,8
19 GM Rapport Richard 2675 6,5 2732 6 6,0
31 GM Shirov Alexei 2630 6,5 2703 6,5 13,2
55 GM Swapnil S. Dhopade 2532 6,5 2768 6,5 28,5
13 15 GM Rodshtein Maxim 2695 6,0 2616 6 -4,8
17 GM Leko Peter 2679 6,0 2646 6 -3,5
18 GM Kasimdzhanov Rustam 2676 6,0 2707 6 4,9
20 GM Movsesian Sergei 2671 6,0 2622 6 -4,5
22 GM Hou Yifan 2670 6,0 2687 5,5 2,0
27 GM Granda Zuniga Julio E 2653 6,0 2573 6 -3,4
29 GM Sargissian Gabriel 2652 6,0 2624 6 -2,4
34 GM L'ami Erwin 2611 6,0 2708 6 11,9
37 GM Bindrich Falko 2598 6,0 2666 6 8,6
45 GM Sunilduth Lyna Narayanan 2568 6,0 2704 6 17,0
46 GM Lenderman Aleksandr 2565 6,0 2768 6 24,3
48 GM Wagner Dennis 2564 6,0 2672 6 13,2

Die vollständige Abschlußtabelle findet ihr hier.

Peter Doggers wirkte an diesem Artikel mit.

Das Chess.com Isle of Man International war ein 9 Runden Elite Turnier. Es begann am 23. September und dauerte bis zum 1. Oktober. Die Bedenkzeit betrug 100 Minuten für die ersten 40 Züge, dann 50 Minuten für die nächsten 20 Züge und 15 Minuten für den Rest der Partie zuzüglich 30 Sekunden pro Zug. Das Preisgeld betrug £133,000 wobei £50,000 an den Sieger gingen.


Zum weitersurfen:

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Mike Klein began playing chess at the age of four in Charlotte, NC. In 1986, he lost to Josh Waitzkin at the National Championship featured in the movie "Searching for Bobby Fischer." A year later, Mike became the youngest member of the very first All-America Chess Team, and was on the team a total of eight times. In 1988, he won the K-3 National Championship, and eventually became North Carolina's youngest-ever master. In 1996, he won clear first for under-2250 players in the top section of the World Open. Mike has taught chess full-time for a dozen years in New York City and Charlotte, with his students and teams winning many national championships. He now works at Chess.com as a Senior Journalist and at ChessKid.com as the Chief Chess Officer. In 2012, 2015, and 2018, he was awarded Chess Journalist of the Year by the Chess Journalists of America. He has also previously won other awards from the CJA such as Best Tournament Report, and also several writing awards for mainstream newspapers. His chess writing and personal travels have now brought him to more than 85 countries.

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