Bullet Chess Championship: Firouzja besiegt Carlsen
Alireza Firouzja hat am Mittwoch Magnus Carlsen im Halbfinale der Bullet Chess Championship 2023 besiegt und Hikaru Nakamura konnte Daniel Naroditsky in einem Match voller umwerfender Taktiken die Grenzen aufzeigen. Damit stehen Firouzja und Nakamura im Finale der Gewinnerrunde.
In der Verliererrunde warf Andrew Tang den beliebten kanadischen Streamer Eric Hansen aus dem Turnier und im einzigen Match, das in die Verlängerung ging, behielt David Paravyan gegen Tuan Minh Le die Oberhand.
José Martinez profitierte von Internet-Problemen bei Denis Lazavik und Oleksandr Bortnyk kam gegen Emin Ohanyan kampflos weiter, da der armenische Internationale Meister zu seinem nächsten Turnier reisen musste.
Die Bullet Chess Championship geht heute am Donnerstag, dem 20. Juli, um 18:00 Uhr weiter.
Halbfinale - Siegerrunde:
2. Runde - Verliererrunde:
Firouzja - Carlsen 14.5-11.5
Die erste Partie gab gleich einen Vorgeschmack auf das gesamte Match. Carlsen spielte schneller und verschaffte sich einen Vorteil auf der Uhr, aber Firouzja spielte gerade schnell genug, um seinen Vorteil an Material und Aktivität umzusetzen.
Auch in der achten Partie stellte Firouzja seine außergewöhnliche Stärke im Bullet unter Beweis. In einem verlorenen Endspiel gelang es Firouzja, mit einer cleveren Taktik das Drehbuch umzuschreiben. Danach wechselte Firouzja, der zwar materiell vorn, aber auf der Uhr hinten war, den Gang und gewann ein Zeitnot-Duell, in dem er sogar seinen Turm aufgab, um die Nummer 1 der Welt über die Zeit zu ziehen.
Als Canty die Kombination des 20-jährigen Großmeisters sah, sagte er: "Firouzja wird nicht nur schneller, er spielt auch sehr trickreich."
Carlsen geht aber natürlich nie kampflos unter und errang ebenfalls einige beeindruckende Siege gegen den Champion von 2021. Einer davon kam gleich in der nächsten Partie zustande:
Hess wies auf die unterschiedlichen Geschwindigkeiten zwischen Carlsen und Firouzja hin: "Am Anfang spielt Magnus schneller, aber irgendwann legt Firouzja dann immer den nächsten Gang ein."
Dass beide Spieler mit technischen Problemen zu kämpfen hatten, sorgte für zusätzliche Spannung. Während einer Partie fiel Firouzjas Kamera um und als der damit beschäftigt war, dieses Malheur zu korrigieren, stellte er prompt einen Turm ein.
Carlsen hatte mit seinen Setup in Barcelona zu kämpfen. Nach einigen Partien konnte man sehen, dass er immer wieder seine rechte Hand schüttelte und versuchte, seinen Arm aufzuwecken, der ihm immer wieder einschlief.
Carlsen has stormed back to level the scores against Firouzja, but you can see he's in pain, as he's shaking his hands after every game, and even during games! #BulletChess pic.twitter.com/HLdcaxbII4
— chess24.com (@chess24com) July 19, 2023
Als noch 15 Minuten zu spielen waren, war Firouzjas Führung auf einen Punkt zusammengeschmolzen, aber mit einem unglaublichen Angriff baute er seine Führung wieder auf 2 Punkte aus.
Dieser Angriff beinhaltete auch den "Zug des Tages", wie ihn unsere Kommentatoren bezeichneten. Wer kann ihn finden?
Weiß am Zug gewinnt
Fünf Minuten vor Ende stand Carlsen mit dem Rücken zur Wand, denn er benötigte gleich zwei Siege, um eine Verlängerung zu erreichen.
Zwei Partien in Folge war Carlsen sehr nah dran, den vollen Punkt zu holen, aber Firouzja entkam ihm aufgrund seiner unglaublichen Mischung aus Schnelligkeit und Qualität. Carlsen unternahm sogar noch im Endspiel König und Turm gegen König und Turm einen schamlosen Versuch, seinen Gegner über die Zeit zu ziehen, aber Firouzja wehrte auch diesen Versuch trotz neun Sekunden weniger auf der Uhr, ab.
Am Ende vereitelte Firouzja Carlsens Chance auf eine Verlängerung mit einem eleganten Angriffssieg und warf den Weltranglistenersten in die Verlierergruppe. Als das Match zu Ende war, sahen wir einen seltenen Anblick: Es war Carlsen, der seinem Gegner applaudierte.
In Bezug auf seine Vorbereitung verriet Firouzja, dass er im Grunde "einfach seinen Laptop geöffnet und gespielt" habe. Er gab zu, dass er das Match recht selbstbewusst angegangen sei:
"Ich sah mich aufgrund der Art und Weise, wie Magnus gestern gespielt hat, als Favorit. Ich war zuversichtlich. Die Art und Weise, wie er gestern gegen Minh gespielt hat, war überhaupt nicht von hoher Qualität. Ich sagte mir selbst: 'Wenn er nicht besser spielt, bin ich der Favorit.'"
Carlsen war nach seiner Niederlage überraschend optimistisch: "Ehrlich gesagt bin ich sehr ermutigt. Nach den ersten paar Partien dachte ich, würde einfach vom Brett gefegt werden. Das war so ziemlich die schlechteste Verfassung, in der ich mich befinden konnte und trotzdem hatte ich eine Chance … Ich hoffe, dass ich noch eine Chance bekomme."
Nakamura - Naroditsky 20-12
Dieser explosive Kampf begann mit einem Paukenschlag, denn gleich in der ersten Partie übersah Naroditsky ein Matt in 1.
Die Stellung nach 19.Dxg7#
In der nächsten Partie rettete sich Naroditsky mit einer aberwitzigen Geschwindigkeit und defensivem Geschick in ein Remis.
Hess sagte zur Geschwindigkeit der beiden Spieler: "Sie ziehen so schnell, dass nicht einmal die Bewertungsleiste Zeit zu reagieren hat."
They are moving so fast; the eval bar doesn’t have time to react.
-Robert Hess
Trotz Naroditskys Fähigkeiten hatte sich Nakamura nach nur 5 Partien bereits einen Vorsprung von 4 Punkten erspielt. Mitverantwortlich dafür war dieser Monsterangriff in der fünften Partie:
Danach gewann Naroditsky seine erste Partie in diesem Match. Im Pac-Man-Stil aß er jede Figur, die ihm in die Quere kam. Als weiterer Beweis für sein ausgeprägtes taktisches Gespür fand er gleich darauf eine freche Unterumwandlung, die den Spieß umdrehte und ihm den zweiten Sieg in Folge bescherte. Über diesen seltenen Fund bei solchen Bedenkzeiten konnten sich beide Spieler das Lachen nicht verkneifen.
Zur Halbzeit hatte sich Nakamura einen Vorsprung von fünf Punkten erspielt und obwohl Naroditsky der erste Gegner war, der sich gegen Nakamura eine zweistellige Punktzahl erspielten konnte, war der Sieg des dreifachen Champions nie in Gefahr und er gewann das rein amerikanische Duell mit 8 Punkten Vorsprung.
Nach dem Match teilte Nakamura seine Sicht auf das, was bei seinem Gegner schiefgelaufen war:
"Seine Eröffnungen haben nicht wirklich funktioniert. Es schien, als ob er nach den Eröffnungen ständig 10 Sekunden weniger auf der Uhr hatte. Ich denke, das war ein großer Teil der Probleme, die er den ganzen Tag über hatte. Es geht nur darum, Eröffnungen zu spielen, mit denen man in einen gewissen Rhythmus und Flow kommt."
It’s just a matter of trying to find the openings where there’s some rhythm and flow.
-Hikaru Nakamura
Tang - Hansen 14-3
Tang präsentierte sich in einer unglaublichen Form und zeichnete sich durch taktisches Bewusstsein, intuitive Angriffsideen und einen klugen Umgang mit der Uhr aus. Nachdem Hansen den Ausgleich zum 2:2 erzielt hatte, startete Tang eine Siegesserie von 11 Partien.
In der neunten Partie baute Tang seinen Vorsprung mit einem schönen Angriff auf fünf Punkte aus.
Tang scores five more points in the time it takes to make a coffee ☕, finishing the last one with a brilliant tactic 🔥. #BulletChess pic.twitter.com/2mUVVBlS8N
— chess24.com (@chess24com) July 19, 2023
Beispiele für Tangs Geschwindigkeit gab es reichlich. Nach einem von vielen Zeitnotduellen, die zu Tangs Gunsten ausgingen, rief Hess: "Er ist zu schnell! Er ist einfach zu schnell für Eric Hansen!"
Paravyan - Le 9-7
Paravyan erspielte sich früh einen komfortablen Vorsprung von drei Punkten, aber Le zeigte den gleichen entschlossenen Kampfgeist wie am Dienstag und kämpfte sich mit drei Siegen in Folge zurück. In der neunten Partie zeigte er, dass Schnelligkeit wichtiger ist als Material, indem er in einem Turmendspiel einen Bauern verschenkte und seinen Gegner schamlos über die Zeit zog.
Direkt danach eroberte sich Paravyan mit einem verrückten Sieg die Führung wieder zurück:
Black queens with check, but it's White who wins!#BulletChess pic.twitter.com/NxErl5MVIZ
— chess24.com (@chess24com) July 19, 2023
Als Le dann erneut den Ausgleich geschafft hatte, war klar, dass das Match in die Verlängerung gehen würden. In der letzten regulären Partie fand Paravyan einen raffinierten Patt-Trick, der ihm ein Remis sicherte, nachdem er einen Läufer verloren hatte.
Die Stellung nach Paravyans Zug 47...Th1+!
In der Verlängerung benötigte der blitzschnelle Paravyan dann nur eine einzige Partie, um den Vietnamesen aus dem Turnier zu werfen.
Martinez - Lazavik 9-7
Beim Spielstand von 2.5-2.5 nach 5 Partien bekam Lazavik große Probleme mit seiner Internetverbindung. Die sechste Partie verlor er auf Zeit und auch in der siebten Partie verlor er bei einem Zug 20 Sekunden, was letztendlich zu einem Einsteller in Zeitnot führte. Diese beiden verlorenen Punkte bestimmten den Charakter des restlichen Duells. In der achten Partie entdeckte Martinez eine entscheidende Taktik, baute damit seinen Vorsprung auf 3 Punkte aus und sollte ihn für den Rest des Duells nicht mehr abgeben.
Die Stellung nach 34...Dxf2+!
Im Finale der Siegerrunde kommt es am Donnerstag zum mit Spannung erwarteten Duell zwischen Nakamura und Firouzja und in der Verliererrunde bekommen wir neben Bortnyk, Tang, Martinez und Paravyan auch Carlsen und Naroditsky zu sehen.
Turnierbaum - Siegerrunde
Turnierbaum - Verliererrunde
Die Bullet Chess Championship 2023 (BCC) ist das elitärstes Bullet-Schach-Event auf Chess.com und Teil der Speed Chess Championship-Serie. Die Quali für das Event finden am 6. und 7. Juli, das Hauptevent vom 17. bis 21. Juli statt. Die schnellsten Spieler der Welt kämpfen um ihren Anteil am Preisgeld in Höhe von $100.000-Dollar und einen Platz im Hauptevent der Speed Chess Championship.
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