Airthings Masters: Carlsen und Nakamura stehen im Finale der Gewinnerrunde
Am zweiten Tag des Airthings Masters 2023 würde die Bühne für das Match bereitet, auf das die meisten Schachfans gehofft hatten. Magnus Carlsen und Hikaru Nakamura gewannen ihre Halbfinale gegen Arjun Erigaisi und Wesley So und treffen jetzt im Finale der Gewinnerrunde aufeinander. Das wird das erste Match zwischen den beiden seit Nakamuras Sieg im Finale der Speed Chess Championship 2022 sein.
In der Verliererrunde wurde Alireza Firouzja von Alexey Sarana aus dem Turnier eliminiert. Sarana wird jetzt gegen Wesley So ums Weiterkommen kämpfen und Erigaisi wird sich mit seinem Landsmann Gukesh D, der Rauf Mamedov aus dem Turnier geworfen hat, duellieren.
In der Gruppe II verlor Dmitry Andreikin völlig überraschend gegen Nodirbek Yakubboev, der jetzt im Halbfinale gegen Fabiano Caruana spielen wird. Das zweite Halbfinale spielen Alexander Predke, der gegen Ian Nepomniachtchi kampflos gewonnen hat, und der chinesische Großmeister Yu Yangyi.
In der Gruppe III besiegte R Praggnanandhaa Aleksandr Lenderman und trifft jetzt auf Sam Sevian, der gegen Oleksandr Bortnyk gewinnen konnte.
Das Airthings Masters geht heute, am Mittwoch, dem 8. Februar, um 17.00 Uhr weiter.
So könnt Ihr zusehen
Wir übertragen das Champions Chess Tour Airthings Masters 2023 mit Kommentaren von Steve Berger auf Chess.com/TV, unserem Twitch Kanal und auf YouTube. Die englischsprachige Übertragung findet Ihr auf YouTube.com/ChesscomLive und alle Partien des Turniers findet Ihr auf unserer Event-Seite.
Hier könnt Ihr Euch die Übertragung vom Dienstag nochmal ansehen:
Gruppe I
Für die vier Spieler, die am Vortag ihre Matches verloren hatten, ging das Turnier in der Verliererrunde weiter. Die anderen vier spielten das Halbfinale der Gewinnerrunde.
Im Doppel-K.-o.-System hat jeder Spieler auch nach einer Niederlage noch die Chance, das gesamte Turnier zu gewinnen – der Gewinner der Verliererrunde muss den Sieger der Gewinnerrunde jedoch zweimal im Großen Finale besiegen.
Gewinnerrunde
Wie am Vortag wurden Matches über vier Partien gespielt und bei einem Unentschieden würde die Entscheidung über das Weiterkommen in einem Armageddon fallen. Das war dann auch tatsächlich in beiden hart umkämpften Duellen der Gewinnerrunde der Fall.
Wesley So spielte zum Aufwärmen das Titled Tuesday Turnier und gewann es mit 10 von 11 möglichen Punkten. Nakamura hatte sich gegen eine Teilnahme entschieden.
GM Wesley So won the early #TitledTuesday just in time to start his #ChessChamps #AirthingsMasters match with @GMHikaru, live now!
— ChesscomLive (@ChesscomLive) February 7, 2023
Will this warmup come in handy, or will it backfire? 🤔 pic.twitter.com/ED9pmjRnXZ
In der ersten Partie erspielte sich So mit Weiß in einer italienischen Eröffnung einen kleinen Vorteil, aber Nakamura schaffte es, ein Dame- und Turm-Endspiel mit Minusbauern Remis zu halten. In der zweiten Partie erreichte Nakamura mit Weiß genauso wenig, die Wesley in der dritten Partie und in der vierten Partie blitzen die beiden Amerikaner die 14 Züge des berühmten Berliner Remis herunter und vertagten die Entscheidung über den Einzug ins Finale ins Armageddon.
Für diese Armageddon-Partie gaben beide Spieler ein Zeitgebot ab, mit dem sie bereit waren, mit Schwarz zu spielen. Nakamura bot neun Minuten und 28 Sekunden und lag damit 16 Sekunden unter Wesleys Gebot, der somit mit den vollen 15 Minuten Bedenkzeit und den weißen Figuren spielen durfte, allerdings die Partie auch gewinnen musste, denn im Armageddon reicht Schwarz ein Remis zu Sieg.
So entschied sich wieder für die italienische Eröffnung, aber nach wenigen Zügen wurde die Partie plötzlich abgebrochen! Was war passiert? Nun - ein Mitarbeiter hatte vergessen das Inkrement abzustellen und Armageddon Partien werden grundsätzlich ohne Inkrement gespielt.
Als die Partie dann neu gestartet wurde entschied sich So für die spanische Eröffnung. Obwohl Nakamura im Interview nach dem Spiel seine Unzufriedenheit darüber zum Ausdruck brachte und es für fairer gehalten hätte, wenn die Partie mit der Stellung der ersten Partie fortgesetzt worden wäre, nahm die Partie einen - aus seiner Sicht - guten Ausgang.
Nakamura rückte mit seinen Bauern am Königsflügel vor und nachdem So im 27. Zug h3 gespielt hatte, wurde ziemlich deutlich, dass sich Nakamura sehr wohl fühlte. Kurz darauf wurden die Damen getauscht und Nakamura erreichte ein Endspiel, in dem nur er besser stehen konnte.
Im zweiten Halbfinale der Gewinnerrunde spielte Erigaisi, der am Tag zuvor Firouzja mit 3:0 besiegt hatte, gegen den Weltmeister.
Die erste Partie war ein positionelles Meisterwerk von Carlsen. Er dominierte die einzig offene Linie auf dem Brett auf eine Art und Weise, die viele Zuschauer an Aljechins berühmten Sieg über Nimzovich aus dem Jahr 1930 erinnerte.
Die Partie war so gut gespielt, dass sie sogar der sonst sehr oft mit seiner eigenen Leistung sehr kritisch umgehende Carlsen im Nachhinein als "sehr gut" bezeichnete. Da mussten wir natürlich sofort Großmeister Rafael Leitao darum bitten, uns zu erklären, was hier genau passiert ist.
In der zweiten Partie hatte der indische Großmeister einige Gewinnchancen, aber Carlsen zeigte trotz schwerer Zeitnot (teilweise fiel er unter fünf Sekunden) eine zähe Verteidigung und hielt schließlich ein Remis.
Die klarste Chance, die Erigaisi hatte, war das taktische Schlagen 20.Sxe6, das einen Bauern gewonnen hätte.
Auch in der dritten Partie hatte Erigaisi die Oberhand. Nachdem er mit Schwarz in einem komplizierten Mittelspiel einige Chancen verpasst hatte, schaffte er es in Zeitnot einen Damentausch zu erzwingen und danach die Partie zu gewinnen.
Nach einem Remis in der vierten Partie stand fest, dass auch in diesem Duell ein Armageddon über den Einzug ins Finale entscheiden wird.
Carlsen gewann das Bieten mit seinem Gebot von 10 Minuten und einer Sekunde gegen Erigaisis 11 Minuten und 59 Sekunden.
Da er ja nur ein Remis benötigte, verteidigte sich Carlsen solide und nach 23 Zügen stand er sogar besser. Ein verzweifelter Erigaisi versuchte zwar alles Erdenkliche, um die Stellung zu verkomplizieren, aber er war nie imstande, das Blatt zu wenden und so endete die Partie Remis und der Weltmeister hatte das Match gewonnen.
Anschließend reflektierte Carlsen das Duell: "Die letzten drei Partien waren nicht so gut. Besonders die dritte Partie war ziemlich unnötig. ... Mir ging die Zeit aus und er fand diese Ressource mit ...De4. Das war etwas ärgerlich. ... Ich dachte, dass das Match schon so gut wie entschieden war, aber das war dann ja überhaupt nicht der Fall."
Da die Top 3 der Gruppe 1 automatisch für die erste Gruppe des nächsten Turniers der Champions Chess Tour qualifiziert sind, haben sich Nakamura und Carlsen mit diesen Siegen ihre Tickets für die Gruppe 1 des nächsten Turniers, die mit einem Preisgeld von mindestens $7.500 einhergehen, bereits gesichert.
Verliererrunde
Ein wesentlicher Unterschied in der Verliererrunde besteht darin, dass die Duelle nur über zwei Partien gehen. Eine Niederlage in der ersten Partie bedeutet also, dass man die zweite Partie zwingend gewinnen muss, um ein Armageddon zu erzwingen.
Im Duell zwischen Firouzja und Sarana bekamen wir genau diese Situation zu sehen. In der ersten Partie schien Firouzja seinem Gegner genau in die Vorbereitung gelaufen zu sein und im Mittelspiel war seine Situation auf der Uhr dann trotz eines verlorenen Bauerns schlimmer, als auf dem Brett.
😬 "It's hard to offer him advice, for Firouzja. I don't know what I would be doing here, just pure panic I think, if I were in Firouzja's shoes right now," says 🎙️ @DavidHowellGM.#AirthingsMasters #ChessChamps pic.twitter.com/jKinwGM4vG
— ChesscomLive (@ChesscomLive) February 7, 2023
Als Sarana dann den Springer seines Gegners mit einer "fiesen Falle", wie Howell sie in der Übertragung bezeichnete, gefangen hatte, war die Partie entschieden.
Nach der Partie resümierte Hess: "Das war eine der saubersten Partien, die ich je gesehen habe. Es war von Anfang bis Ende so dominant … von der Eröffnung über das Mittelspiel bis hin zu den allerletzten Bauern. Perfekt gespielt."
That was one of the cleanest games I think I've ever seen.
—Robert Hess
Tatsächlich gab der russische Großmeister in seinem Interview zu, dass er übrig gebliebene Vorbereitungen für sein Duell gegen Carlsen verwendet hatte: "Ich hatte sehr viel Glück mit der Eröffnung. Ich hatte sie gegen Magnus vorbereitet und in dieser Partie konnte ich sie spielen und sie hat ziemlich gut funktioniert."
Auch in der zweiten Partie konnte sich Firouzja keine echten Gewinnchancen erspielen und verlor am Ende beim Versuch zu gewinnen. Somit schied Firouzja ohne einen einzigen Sieg und ohne ein einziges Remis aus dem Turnier aus.
Im zweiten Duell der Verliererrunde standen sich Mamedov und Gukesh gegenüber. Nachdem er eigentlich schon die ganze Partie unter Druck gestanden hatte, unterlief Mamedov im 31. Zug der entscheidende Fehler. Könnt Ihr den Gewinnzug von Gukesh finden?
Schwarz am Zug gewinnt
Dann aber schaffte es Mamedov, die zweite Partie mit Schwarz zu gewinnen. Obwohl Gukesh theoretisch ein Remis gehabt hätte, war es praktisch unmöglich, in nur wenigen Sekunden die Kombination 60.Dd4+ Ka6 61.b5!! zu finden.
Ihr solltet Euch wirklich die wilden Varianten ansehen – die schönste Variante enthält eine seltene Unterumwandlung in einen Springer.
Später erklärte Gukesh seine Eröffnungsstrategie: "In der zweiten Partie hatte ich erwartet, dass er Königsindisch spielt. Also plante ich die sehr solide Variante Sf3 g6 Sc3 d5 Lf4. Im Armageddon hingegen dachte ich, dass ich nicht zu solide spielen sollte. Ich hatte immer noch damit gerechnet, dass er Königsindisch spielen würde und Slawisch war eine ziemliche Überraschung. Ich konnte mich nicht wirklich an diese ...Lg6-Variante erinnern, also habe ich einfach irgendwas geblitzt und eine spielbare Stellung erreicht."
Kommentator Howell fasst die Armageddon-Partie für uns zusammen:
Der Turnierbaum der Gruppe I
Gruppe II
Die Gewinnerrunde der Gruppe 2 begann mit 16 Spieler und diese wurden auf 4 reduziert. Wie in der ersten Gruppe wurden auch hier Matches über 4 Partien gespielt und in der Verliererrunde wurden die Duelle in zwei Partien entschieden.
Der Tag begann mit 2 Überraschungen. Alexandr Predke besiegte Ian Nepomniachtchi kampflos, weil letzterer einen Flug nach Deutschland gebucht hatte, wo er nächste Woche bei den WR Chess Masters 2023 spielen wird. Wenn alles klappt, wird er aber am Mittwoch wieder in der Verliererrunde spielen.
Die zweite Überraschung fand aber auf dem Brett statt. Der Usbeke Nodirbek Yakubboev besiegte Dmitry Andreikin im Armageddon, nachdem vorher beide jeweils eine Partie gewonnen hatten.
Sein Sieg in der ersten Partie war geprägt von einigen skurrilen Königszügen – zuerst wich er mit dem König nach f8 aus und kehrte später mit Ke7 ins Zentrum zurück.
Schachtrainer, die ihre Schüler ermutigen wollen, ihre Könige zu rochieren, sollten diese Partie ihren Schülern besser nicht zeigen - oder erst ab dem 24. Zug, wenn der Angriff beginnt.
Auf Yakubboev wartet jetzt mit Fabiano Caruana das nächste Schwergewicht und in der Verliererrunde kommt es zum Giganten-Duell zwischen Ian Nepomniachtchi und Vladimir Kramnik.
Der Turnierbaum der Gruppe II
Gruppe III
Am Ende des zweiten Tages stehen die Teilnehmer des Finales der Gewinnerrunde fest: Praggnanandhaa R und Sam Sevian. Wie alle Duelle in dieser Gruppe besteht auch dieses Finale aber nur aus 2 Partien.
Auf seinem Weg dorthin besiegte Praggnanandhaa seinen Landsmann Pranav V mit 2:0. Bei seinem ersten Sieg bekamen wir ein thematisches Qualitätsopfer auf dem Feld f6 in einer französischen Tarrasch-Bauernstruktur mit umgekehrten Farben zu sehen.
Division Der Turnierbaum der Gruppe IIII Bracket
Die Champions Chess Tour 2023 (CCT) ist ein riesiges Online-Schachturnier, das die besten Features der ehemaligen Champions Chess Tour und der Chess.com Global Championship kombiniert. Die Tour umfasst sechs Turniere, die sich über das ganze Jahr erstrecken und in einem Finale, bei dem die Spieler vor Ort gegeneinander antreten, gipfeln. Mit den besten Spielern der Welt und einem Preisgeld von 2 Millionen US-Dollar ist die CCT das bislang größte Event auf Chess.com.
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