Praggnanandhaa erzielt 1. klassischen Sieg gegen Carlsen, führt in Norwegen
GM Praggnanandhaa Rameshbabu ist der neue Spitzenreiter beim Norway Chess 2024, nachdem er in der dritten Runde am Mittwoch zum ersten Mal den Weltranglistenersten GM Magnus Carlsen im klassischen Schach besiegt hat. Fabiano Caruana war der andere Spieler, der die vollen drei Punkte für einen klassischen Sieg gegen GM Ding Liren holte, während GM Hikaru Nakamura GM Alireza Firouzja im Armageddon schlug.
Alle drei Begegnungen des Norway Chess Women wurden heute in den Armageddons entschieden. Zuerst war es GM Humpy Koneru, die GM Lei Tingjie mit Weiß besiegte. Später am Tag gab GM Pia Cramling ein Remis ab und übergab damit die 1,5 Punkte an GM Ju Wenjun, die mit Schwarz spielte. Anschließend hielt GM Vaishali Rameshbabu mit Schwarz ein Remis gegen GM Anna Muzychuk, um ihren Vorsprung von einem Punkt in der Gesamtwertung zu halten.
Runde vier beginnt am Donnerstag, 30. Mai, um 17:00 Uhr MESZ.
Norway Chess Runde 3 Ergebnisse
- Open: Carlsens riskantes Spiel geht nach hinten los
- Women: Vaishali behält die Führung
- Runde 4 Paarungen
Open: Carlsens riskantes Spiel geht nach hinten los
Die Tabelle hat sich dramatisch verändert, da Praggnanandhaa mit seinem Sieg die Führung von Carlsen übernommen hat und Caruana nun auf dem zweiten Platz liegt, nachdem er sich von der katastrophalen Armageddon-Partie am Vortag bestens erholt hat.
Tabellenstand nach Runde 3 | Open
Praggnanandhaa-Carlsen 3-0
Er fühlte sich, als hätte er gestern die schlechteste Partie seit etwa einem Jahr gespielt, aber das hielt Praggnanandhaa nicht davon ab, heute eine hervorragende Partie zu spielen und den besten Spieler der Welt zu schlagen. Nach drei Remis (zwei davon im WM-Finale 2023) und einer Niederlage zuvor bestrafte der 18-jährige indische GM das riskante Spiel von Carlsen, der nie rochierte und schließlich unterging, weil sein König keinen sicheren Hafen finden konnte.
Carlsen spielte die Paulsen/Kan-Variante der Sizilianischen Verteidigung und zwar auf eine ziemlich zweischneidige Weise. Im 13. Zug unterlief ihm eine schwerwiegende Ungenauigkeit, als Nakamura wohl neidisch auf Praggs Stellung war, wie er im Confessional feststellte:
"Ich wünschte, Magnus würde diese Chancen gegen mich oder gegen Fabi nutzen. Ich habe die Theorie, dass Magnus, wenn er gegen die Jüngeren spielt, etwas beweisen will, er will sie angreifen und versuchen, sie zu schlagen, und er geht viel mehr Risiken ein als gegen uns alte Leute!"
He takes far more risks than he does against us old folks!
—Hikaru Nakamura
Praggnanandhaas 20.Kh1 war vielleicht nicht der kritischste Zug, was Carlsen etwas Hoffnung gab, wieder ins Spiel zu kommen, aber das passierte eigentlich nie. Vor allem 25.Dh5+ und 26.Tf3 waren beeindruckende Züge von Pragg, der weiterhin computerähnliche Genauigkeit demonstrierte, darunter der schöne ruhige, aber entscheidende Zug 35.Kh2!
Dieser großartige Sieg am Geburtstag des anderen indischen Wunderkindes, des WM-Kandidaten GM Gukesh Dommaraju, zeigte, dass die erfolgreiche neue indische Generation heranreift. Praggnanandhaa: "Ich habe das Gefühl, dass ich genug Erfahrung auf diesem Niveau habe und dass ich diese Spieler schlagen kann, aber dafür muss ich mein Bestes geben und das versuche ich zu tun. Das ist sozusagen meine Einstellung.
Hier ist die Meinung von GM Rafael Leitao zu der Partie:
Caruana-Ding 3-0
Es ist heutzutage ziemlich selten, dass ein Spieler eine starke neue Idee auf das Brett bringt, die er mit dem Computer ausgearbeitet hat und die den Gegner überrascht. Der Grund dafür ist, dass alle Spitzenspieler:innen die gleichen starken Engines wie Stockfish und Leela benutzen und daher alle gleich sind, was den Zugang zu Informationen angeht.
Heute hat Caruana es geschafft, eine solche Idee auf den Tisch zu bringen, und obwohl sie objektiv gesehen nicht bahnbrechend war, hatte sie definitiv einen Effekt auf Ding. Die Idee kam im 12. Zug und basierte vor allem auf Weiß' Zug 15.d4!
Caruana war sichtlich zufrieden, denn er besuchte das Confessional, um zum ersten Mal seit etwa acht Jahren in seinen eigenen Worten darüber zu sprechen. "Ich bin ziemlich glücklich, dass ich das über das Brett bekommen habe, obwohl es nicht so ist, dass Weiß besser ist oder so, aber die erste Überraschung zu schaffen, kann nicht so schlecht sein."
“I think this is my first time going in the confessional in like 8 years! I played a new idea, it’s completely new, and it’s in Ding’s favourite variation. He played it in the Candidates, he played it a million times, and he knows probably everything about it..but it looks like… pic.twitter.com/6Ws6aByUpa
— Norway Chess (@NorwayChess) May 29, 2024
"Ich glaube, das ist das erste Mal seit 8 Jahren, dass ich ins Confessional gehe! Ich habe eine neue Idee gespielt, sie ist völlig neu und es ist Dings Lieblingsvariante. Er hat sie beim Kandidatenturnier gespielt, er hat sie schon eine Million Mal gespielt und weiß wahrscheinlich alles darüber... aber es sieht so aus... - Norway Chess
Der Weltmeister hatte bald mehr als 45 Minuten weniger auf der Uhr und stand sichtlich unter Druck, spielte aber zunächst recht gute Züge - doch dann kam doch der Einbruch, und es war schnell vorbei.
Nakamura-Firouzja 1,5-1
Firouzja überraschte Nakamura mit der Tarrasch-Verteidigung, den der amerikanische GM nach eigenen Angaben vor der Partie vergessen hatte, anzuschauen. Wir wissen das dank eines weiteren Besuchs von Nakamura im Confessional, dem natürlichen Lebensraum des Streamers, wo er jedes Confessional mit seinem typischen "Welcome back everyone!" beginnt.
In diesem Zusammenhang teilte er einige interessante Gedanken über das moderne Schach mit: "Auf einer gewissen Ebene würde ich sagen, dass dies in gewisser Weise das Problem des heutigen Schachs symbolisiert, nämlich dass man mit den weißen Figuren spielt und die Gegner:innen nicht überraschen kann. Ich denke, dass es in vielerlei Hinsicht besser ist, mit den schwarzen Figuren zu spielen, denn dann kann man die Gegner:innen überraschen. Sie müssen viel Zeit aufwenden, und Weiß ist immer in der Pflicht, die Partie zu gewinnen."
Nakamura, who also said Magnus has gone all-in & will likely win or lose!
— chess24 (@chess24com) May 29, 2024
"This symbolises the issue with chess these days, which is that if you're playing with the white pieces & you can't surprise your opponent in many aspects it's better to be playing with the black pieces!" pic.twitter.com/10Hy67iZgO
Nakamura, der auch sagte, Magnus sei All-in gegangen und werde wahrscheinlich gewinnen oder verlieren!
"Das symbolisiert das Problem beim Schach heutzutage: Wenn du mit den weißen Figuren spielst und deine Gegner:innen nicht mehr überraschen kannst, ist es besser, mit den schwarzen Figuren zu spielen!" - chess24
Firouzja schaffte es nicht, seinen Vorteil aus der Eröffnung heraus zu nutzen, und die Partie endete bald mit einem Remis. Nakamura war wieder einmal sehr zuversichtlich im Endspiel, dieses Mal mit den weißen Figuren. Er bemerkte, dass die Stellung für Weiß viel einfacher zu spielen war, und fügte hinzu: "Er konnte einfach nicht die richtigen Angriffszüge finden."
Nakamura hat sein Spiel nach der Partie noch einmal für seine Fans zusammengefasst ("Welcome back everyone!"), was du dir hier ansehen kannst.
Nakamura darf morgen wieder mit den weißen Figuren gegen den Turnierführer Praggnanandhaa spielen. Auch Caruana hat Weiß gegen einen verletzten Carlsen, wie im letzten Jahr, als Caruana gewann. Ding hat Schwarz gegen Firouzja.
Women: Vaishali behält die Führung
Sobald alle drei klassischen Partien vorbei waren, war klar, dass Vaishali ihre Führung im Turnier behalten würde. Am Ende gewann sie ihr Armageddon, genau wie die Zweitplatzierte Ju.
Tabellenstand nach Runde 3 | Women
Muzychuk-Vaishali 1-1,5
Vaishali hat beide Partien gegen Muzychuk remis gespielt und dabei ein wenig, aber nicht zu viel, darauf geachtet, wie es ihrem Bruder heute geht. Hinterher sagte sie, dass sie (noch) nicht über das Ergebnis nachdenkt: "Ich will einfach nur dieses Turnier genießen. Gegen so starke Spielerinnen spielen zu können, ich möchte diese Gelegenheit einfach nutzen."
Die klassische Partie war interessanter als das Armageddon, und Vaishalis Vorbereitung war ziemlich beeindruckend:
Humpy-Lei 1,5-1
Wie Firouzja und Nakamura bekamen auch Humpy und Lei eine Tarrasch-Verteidigung aufs Brett, die schnell zu einem ausgeglichenen Endspiel führte, und ohne viel Spektakel wurde diese Partie im 36. Zug remis. Humpy gelang es dann, ihre Gegnerin im Endspiel zu überspielen, die das Endspiel mit nur noch wenigen Sekunden auf der Uhr falsch abwickelte:
Cramling-Ju 1-1,5
Nachdem sie Humpy in der ersten Runde entwischen ließ, verpasste Cramling heute erneut eine große Chance, drei Punkte für einen klassischen Sieg zu holen. Zum Beispiel stand sie gegen die Damenweltmeisterin völlig auf Gewinn, was sie aber erst bemerkte, nachdem sie Türme getauscht hatte.
Das Armageddon war ein großer Kampf, der 63 Züge dauerte, als Cramling sich "mit einem Remis abfinden musste." Als Nächstes trifft sie auf die Turnierführerin Vaishali, während in der morgigen Runde auch das rein chinesische Duell zwischen Lei und Ju sowie Humpy gegen Muzychuk stattfinden wird.
Runde 4 Paarungen
Die Live-Übertragung wird von IM Stever Berger und GM Jan Gustafsson moderiert.
Norway Chess 2024 bietet ein offenes Turnier und ein Frauenturnier mit jeweils sechs Spieler:innen und einem Preisgeld von 1.690.000 NOK (etwa 147.000 €). Es findet vom 27. Mai bis zum 7. Juni in Stavanger statt. Die Schachspieler:innen treten zweimal gegen ihre Gegner:innen im klassischen Schach an (120 Minuten/40 Züge, mit einem 10-Sekunden-Inkrement ab Zug 41). Der/die Sieger:in einer klassischen Partie erhält drei Punkte, der/die Verlierer:in null; nach einem Unentschieden erhalten die Spieler:innen einen Punkt und kämpfen um einen weiteren halben Punkt im Armageddon (10 Minuten für Weiß und sieben für Schwarz, wobei Schwarz schon ein Remis zum Sieg reicht).
Vorherige Berichterstattung:
Peter Doggers joined a chess club a month before turning 15 and still plays for it. He used to be an active tournament player and holds two IM norms. Peter has a Master of Arts degree in Dutch Language & Literature. He briefly worked at New in Chess, then as a Dutch teacher and then in a project for improving safety and security in Amsterdam schools. Between 2007 and 2013 Peter was running ChessVibes, a major source for chess news and videos acquired by Chess.com in October 2013. As our Director News & Events, Peter writes many of our news reports. In the summer of 2022, The Guardian’s Leonard Barden described him as “widely regarded as the world’s best chess journalist.”
Peter's first book The Chess Revolution is out now!
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