Chess960-Weltmeisterschaft Wesley So Weltmeister !
Letzter Tag der Chess960-Weltmeisterschaft:
Würde sich Magnus Carlsen noch einmal aufbäumen können ? Halten die Nerven von Wesley kurz vor dem größten Erfolg seiner bisherigen Karriere ? Das waren wohl die wichtigsten Gedanken und Hoffnungen, die sich die Fans der beiden rund um den Globus machten.
Zunächst wurde diese Stellung bespielt:
Ins Auge sticht v. a. der ungedeckte Bauer auf a2 (a7). Das fordert einen Zug des f-Bauern geradezu heraus, da ja auf g1 der Läufer steht. Der König auf c1 könnte bei einer allzu frühen c-Rochade in einen Angriff geraten (a7-a5-a4, unterstützt evtl. von einem Turm auf a8), Wieder einmal haben wir einen Läufer auf d1. Dessen Entwicklung sollte aber leichter möglich sein, da für ihn auch das Feld g4 gut zugänglich erscheint. Auch der Bauer g2 (g7) ist ungedeckt und könnte vom Springer schnell erreicht werden. Aber dieses Motiv kommt in den heute gespielten Partien nicht zum Tragen.
1. Partie
Nach wenigen Zügen entsteht bei Carlsen – So eine festgelegte Bauernstruktur, die man gut als eine gespiegelte Struktur der slawischen Abtauschvariante interpretieren kann. Carlsen behandelt die Struktur strategisch unsauber: Statt um Felder (d5,f5) und die f-Linie zu kämpfen, geht er den Bauern e5 mit c3 und d4 an, und überlässt So kampflos die f-Linie. Nicht verwunderlich, dass die Angriffsbemühungen von Carlsen im Keim stecken bleiben. Das Remis ist schmeichelhaft für Magnus.
Ian Nepomniachtchi kommt immer besser in Fahrt. Ihm gelingt mit den weißen Steinen eine wunderbare Aufstellung, in die sogar der Turm b1 integriert wird (ohne Rochade !). Positionelle Schwächen in Caruana’s Lager führen zum Gewinn eines Bauern. Weiß bleibt auch danach am Drücker, dringt in die gegnerische Stellung ein und gewinnt mit Hilfe eines bis e7 vorgedrungenen Freibauern.
2. Partie
Carlsen lädt die gegnerische Dame ins Zentrum ein und schafft es prompt nicht, die sich dann ergebende Frage, wie man diese Dame wieder hinauswirft, korrekt zu lösen. Schlimmer noch: er stellt sogar einen Bauern ein – als Bauernopfer kann man dieses Geschenk an So einfach nicht mehr interpretieren. Eine kleine Ungenauigkeit von So (12. Ld3) wird von Carlsen nicht wahrgenommen – ein Zeichen, dass der Weltmeister im klassischen Schach sich offenbar wirklich schon aufgegeben hatte. Der Rest gleicht einer Hinrichtung: So gewinnt eine Figur; seine Figuren fliegen über’s Brett; nach 29 Zügen steht Wesley So als erster offizieller Chess960-Weltmeister definitiv fest.
Caruana kopiert Nepo’s Aufbau aus Partie 1 (pfiffig !), holt dann aber beide schwarzen Springer ins Zentrum, was wohl nicht die beste Klärung der Zentrumsfrage war. Den folgenden Bauernraub auf a7 wird er bald bereut haben, gerät sein König doch in einen fürchterlichen Angriff. Dem Russen entgeht die beste Zugfolge und am Schluss hat er zu wenig Material, um den an die frische Luft gesetzten König mattzusetzen und muss Dauerschach geben.
3. Partie
Noch war Nepomniachtchi nicht am Ziel. Die neu ausgeloste Stellung unterschied sich von der gerade eben gespielten nur in der Aufstellung von De1 und Th1, die ihre Plätze tauschten. An meiner Beurteilung der Stellung ändert sich nichts Wesentliches.
Caruana beginnt mit Weiß und präsentiert fast den gleichen Aufbau wie eben (warum auch nicht !?). Nach 12 Zügen erscheinen die schwarzen Leichtfiguren falsch postiert und statisch. Aber Ian haucht Ihnen, beginnend mit dem unerwarteten 13. …Lb3: ! Leben ein und schon bald formieren sie sich für einen erneuten Angriff auf den weißen König. Caruana findet nicht die richtige Balance zwischen Angriff und Verteidigung und ist, nachdem der schwarze Angriff auf Hochtouren läuft, chancenlos. Damit ist auch dieses Match überraschend schnell zu Ende; Ian Nepomniachtchi hatte 12,5 Punkte erreicht und war uneinholbar in Führung.
Endstand:
Chess960-Weltmeister 2019: GM Wesley So
Vizeweltmeister: GM Magnus Carlsen
3. Platz: GM Ian Nepomniachtchi
4. Platz: GM Fabiano Caruana
(Videos über die beiden Wettkämpfe folgen bald)