Wilde Schachkämpfe: Dame gegen 2 Türme
Stellungen mit materiellen Ungleichgewichten sind für alle Schachspieler schwierig zu spielen. Besonders aber für weniger erfahrene Schachspieler.
In Partien, die von Spielern unter 1700 oder 1800 gespielt werden, werdet Ihr niemals ein positionelles Damen- oder Qualitätsopfer sehen. Auf diesem Level ist es viel einfacher die Dame zu opfern, wenn das Opfer zu einem Mattangriff führt, als einen Bauern, nachdem man die schwarzen Felder kontrolliert.
Stellungen, in denen die Dame gegen 2 Türme kämpft, werden von vielen Schachspielern falsch verstanden.
Partien mit solch materiellen Ungleichgewichten sind normalerweise sehr interessant. In gewissem Maße erinnert mich der Kampf zwischen einer Dame und zwei Türmen an die Doku "Duell der Tiere", in denen ein Tiger ein Krokodil angreift oder ein Löwenrudel ein Nashorn jagt. Der Ausgang dieser Kämpfe im Tierreich hängt von vielen Faktoren ab. Wenn der Tiger-gegen-Krokodil-Kampf im Wasser stattfindet, würde ich mein Geld auf das Krokodil setzen, aber an Land wäre der Tiger der klare Favorit.
Sehen wir uns also die Faktoren an, die den Ausgang des Kampfes zwischen zwei Türmen und einer Dame beeinflussen.
1. Königssicherheit.
Das ist der wichtigste Faktor. Sogar eine entfernte Möglichkeit eines Angriffs auf den König macht die Dame in diesem Duell zum Favoriten.
Ein sehr beeindruckendes Beispiel dafür hat Ding Liren vor kurzem abgeliefert. Seht Euch die nachfolgende Stellung an. Es ist offensichtlich, dass der schwarze König potenziell verwundbar ist und die weiße Dame steht auf dem Feld h6 sehr nahe an ihrem großen Angriffsziel.
Findet Ihr den brillanten Weg, wie der chinesische Großmeister diese beiden Faktoren zu seinen Gunsten ausgenutzt hat?
Viele von Euch werden jetzt sagen: "Was für eine komische Kombination." In der Tat führen die meisten Kombinationen zu einem Schachmatt oder zu einem Materialgewinn. Diese Kombination führte nur zu einer unausgeglichenen Stellung - das war's! Die Partie zeigt das enorme Talent von Ding Liren, der es geschafft hat, die resultierende Stellung richtig einzuschätzen.
Seht Euch nur an, wie überraschend hilflos die schwarzen Türme waren.
2. Koordination der Türme.
Wenn die Türme gut koordiniert sind und der König sicher steht, hat die Dame eigentlich keine Chance. Irgendwann werden beide Türme zusammen ein Ziel angreifen und die Dame alleine wird dieses Ziel nicht verteidigen können.
Vladimir Kramnik zeigte in zwei solchen Endspielen seine ganze Klasse:
3. Freibauern.
Freibauern können ein entscheidender Faktor sein. In der nächsten Partie konnten die weißen Türme den schwarzen Bauern, die von der Dame unterstützt wurden, keine Paroli bieten.
Die Dame hingegen kann es mit zwei verbundenen Freibauern aufnehmen, wenn der König des Gegners verwundbar ist. Vishy Anand hätte eine hoffnungslos aussehende Stellung gegen Anatoly Karpov fast noch gerettet:
Ja. Eine einsame Dame hat es gegen 2 Türme sehr schwer, aber wenn noch weitere Figuren auf dem Brett sind, kann sich die Situation dramatisch ändern. Ich erinnere mich, dass ich schwer beeindruckt war, als ich die folgende Partie zum ersten Mal analysiert habe.
Wie soll man diese Stellung nur beurteilen? Wie die meisten dachte ich, dass Schwarz den c4-Bauern gewinnen und damit materiellen Ausgleich herstellen würde (Dame + Bauer = 2 Türme).
Bobby Fischer bewies jedoch, dass die Stellung für Schwarz gewonnen war. Findet Ihr die richtige Fortsetzung?
Stellungen mit materiellen Ungleichgewichten sind nie einfach zu meistern. Ich hoffe aber, dass Euch dieser Artikel helfen wird, wenn Ihr das nächste Mal mit einer Dame gegen 2 Türme (oder umgekehrt) spielt.