Wie spielt man Karateschach?
In einem meiner letzten Artikel schwärmte ich von einem Schachbuch, das meine eigene Karriere ganz besonders beeinflusst hat. Dieser Artikel endete mit dem Satz: "Vielleicht ist es nur ein Zufall, aber ein Jahr, nachdem ich mir das Buch The Test of Time gekauft hatte, wurde ich Internationaler Meister!"
Nach der Lektüre dieses Buches begann ich aggressiver zu spielen, meine Partien wurden dynamischer und als Ergebnis erreichte ich das Halbfinale der sowjetischen Meisterschaft und erzielte damit auch meine erste Norm!
Ich qualifizierte mich auch für die A-Gruppe der sowjetischen Meisterschaft, was eine ziemliche Errungenschaft war. Ich konnte nicht glauben, dass ich jetzt gegen die Crème de la Crème der sowjetischen Schachspieler spielen würde. Von den meisten meiner Gegner hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nur Bilder in Schachmagazinen gesehen und jetzt durfte ich wirklich gegen sie spielen!
Das Turnier brachte mich dann allerdings auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich wurde nicht nur letzter, sondern ich konnte auch den auffallenden Unterschied zwischen meinem Schach und dem Schach der Spitzenspieler erkennen.
Nur wenn es zu einem Taktischen Schlagabtausch auf dem Schachbrett kam, konnte ich gut mithalten. Hier ist meine Partie aus der ersten Runde, in der ich gegen GM Timoschenko spielte. Er war ein berühmter Theoretiker und Garry Kasparovs Sekundant in den Weltmeisterschaften gegen Anatoly Karpov.
Leider spielten die meisten meiner Gegner aber eine völlig andere Art von Schach, als ich es von Juniorenturnieren gewohnt war. Sie erlaubten mir einfach nicht, ihre Figuren anzugreifen und wann immer ich versuchte zu schlagen, verschlechterte ich dadurch nur meine eigene Stellung. Es sah fast so aus, als ob meine Gegner nichts taten und nur auf meinen Selbstmord warteten. Genau wie der Bösewicht, der in der folgenden berühmten Szene gegen Mr. Miyagi kämpfte:
Hier ist die "Schachversion" diese Szene:
Dieses "Karateschach" ist typisch dafür, wenn ein sehr starker Schachspieler gegen einen schwächeren Gegner spielt. Dabei kann der "schwächere Gegner" selbst ein sehr guter Schachspieler sein, aber das Ergebnis bleibt das gleiche. Hier ist ein gutes Beispiel dafür:
Einen Großmeister mit einer Elo von 2644 kann man sicher nicht als schwachen Gegner bezeichnen, aber trotzdem "starb" GM Banikas, genau wie ich in der vorherigen Partie, an den Wunden, die er sich selbst zugefügt hatte. Es sieht so aus, als hätte Fabiano Caruana nichts getan und nur darauf gewartet hat, dass sein Gegner sich selbst zerstört. Mit dem kleinen Unterschied zu Mr. Miyagi, der die Nase seines Gegners eingeklemmt hatte, schlug Fabiano den Gegner mit dem starken Zug 37. Le6!
Vor kurzem wurde ich Zeuge für ein weiteres Beispiel von Schachkarate. In der ersten Runde der Frauen-Weltmeisterschaft spielte einer der besten Spieler der Welt, GM Anna Muzychuk (2564) gegen Rani Hamid (1935). Normalerweise würde ich mir ja keine Partie mit einem so großen Ratingunterschied ansehen, aber Frau Hamid hat mich schon länger fasziniert.
Diese tolle Dame aus Bangladesch hat sich mit 74 Jahren für die Weltmeisterschaft qualifiziert! Das alleine könnte schon ein Weltrekord für sich sein! Leider gab es in diesem Duell aber keine Wunder, denn beide Partien verliefen nach dem gleichen Szenario.
Habt Ihr jetzt bei allen "Karateschach-Partien", die ich vorgestellt habe, eine große Gemeinsamkeit festgestellt? In allen vier Partien versuchte der schwächere Spieler zuzuschlagen und schaffte dadurch nur ein großes Loch im Zentrum, welches der stärkere Spieler mit seinen Springern besetzte. Nachdem der stärkere Spieler dann seinen Springer auf d4 oder d5 platziert hatte, war die Partie im Wesentlichen entschieden!
Was solltet Ihr also machen, damit Ihr Euch gegen einen stärkeren Gegner nicht selbst umbringt? Nun, Ihr könnt es natürlich mit der "auftragen und polieren" Methode versuchen:
Wenn auch das nicht funktioniert, dann helfen Euch vielleicht meine Artikel über das "Loch" auf d5 weiter. Hier ist Teil eins und Teil zwei.