Wie man seine Berechnungen verbessert
Chess.com Mitglied Benjamin_Dubuque (Rating 1288) schrieb:
Ich habe eine Frage über Berechnungen. Ich übersehe, speziell in komplizierten Stellungen, oft stille Züge oder einfache Zwischenzüge in meinen Berechnungen. Kann ich das irgendwie trainieren oder bin ich einfach ein hoffnungsloser Fall?
Ich hab zum Beispiel in der folgenden Partie 18.Kh1 nicht gesehen, da ich mir absolut sicher war, dass kein Gegner die Gelegenheit verstreichen läßt, die Springergabel 18.Sxd5 zu spielen (und ich hatte eine tolle Kombination auf diese Gabel vorbereitet). Rückblickend gefällt mir aber der Zug meines Gegners und ich bin ihm sogar dankbar dafür, da er meine Schwäche in Berechnungen offenlegt. Ich habe meinem Gegner dann auch aufgezeigt, wie tödlich die Kontrolle der g1-a7 diagonale für Weiß gewesen wäre.
JS: Mr. Dubuque, sehen wir uns zuerst deine Partie an und kommen danach zu deinem Problem.
BD: Bis hierhin haben wir recht schnell gespielt und ich weiß, dass die Theorie den Zug Sf6 vorschreibt, aber ich mag diese Variante, weil sie wirklich interessant ist. Hier überlegte mein Gegner erstmals...
JS: Der beste Zug für Schwarz ist zweifellos 4...Sf6. Warum ist 4...Sf6 so gut? Da gibt es mehrere Gründe. Schwarz zwingt Weiß sich um den Angriff auf e4 zu kümmern. Weiß hat 3 Möglichkeiten, den Bauern zu verteidigen: 5.d3, 5. Sc3 und 5.e5. Sehen wir uns alle 3 an:
5.d3 ist ein schlechter Zug
5.Sc3 ist ebenfalls ein Desaster
5.e5 ist der einzig gute Zug für Weiß
Aber zurück zur Partie:
Was BD über den Zug 13...Lh5 schreibt ist richtig. 13...Lh5 ist der beste Zug. Er hatte aber auch ein Auge auf das Springeropfer geworfen.
Schwarz muss aber nicht auf g4 opfern. Er hat zwei bessere Fortsetzungen:
Am Ende verwarf BD den Zug 13...Lh5 und entschied sich für den interessanten, aber auch schlechten Zug 13...Tae8.
Okay, wir haben jetzt Benjamin_Dubuque’s Kommentare (und meine Anmerkungen) angesehen. Ich finde, dass er eigentlich ziemlich gut spielt. Er hat ein vernünftiges Eröffnungsrepertoire. Er hat Mut und scheut sich nicht vor Komplikationen. Und (zumindest für sein Rating) sieht er gute Taktiken. Sein Problem sind die Berechnungen und dass er (ich kopiere ihn einfach) : "oft stille Züge oder einfache Zwischenzüge übersieht".
Benjamin_Dubuque, fast JEDER hat dieses Problem! Glaubst Du wirklich, dass Spieler mit einem Rating von 1700 mehrere Züge vorausberechnen können? Dass sie die Feinheiten in einer Stellung, die 4 Züge voraus liegt, erkennen? Und dass sie in einer absolut komplizierten Stellung keine Fehler machen? AUF GAR KEINEN FALL!
Ich denke, Du berechnest eigentlich stärker, als es Dein Rating vermuten lassen könnte. Trotzdem will natürlich jeder fehlerfrei berechnen. Und natürlich gab es Genies wie Alekine, Tal oder Kasparov, aber es gibt auch genügend Großmeister die zugeben, dass lange und komplizierte Berechnungen ihre große Schwäche sind (und die diese, aus diesem Grund auch vermeiden).
SO KANNST DU DEINE BERECHNUNGEN VERBESSERN:
- Berechnungen und Taktiken basieren auf dem Erkennen von ungedeckten Figuren und Bauern. Wenn Du keinen Blick für deine eigenen und die gegnerischen ungedeckten Figuren hast, wirst Du nicht weiterkommen.
- Spiel nicht “Hoffnungsschach.” Das ist, wenn Du hoffst, dass dein Angriff zu einem Erfolg führen wird, ohne die Möglichkeiten deines Gegners zu berücksichtigen.
- In den meisten langen Berechnungen treten Fehler auf. Wir schon der große Bent Larsen sagte: "Lange Variante - Falsche Variante." Diesen Spruch solltest Du im Hinterkopf behalten und Fehler in langen Berechnungen erwarten. Das ist auch bei starken Spielern völlig normal.
- Wenn Du nicht genauestens nach den besten Zügen für deine Gegner suchst, dann sind deine Berechnungen umsonst.
- Lebe nicht in einer Traumwelt. Wenn Du dich verbessern willst und lange, genaue Varianten berechnen willst, dann darfst Du dich nicht selbst belügen. Du darfst NICHT Züge deines Gegners berechnen, die er vielleicht machen könnte, sondern Du musst die besten Züge deines Gegners finden und berechnen (also nach dem Motto: Ich greif seine Dame an und wenn er es nicht sieht und einen Bauern zieht, dann schlage ich seine Dame...)
- Auch wenn Dein Gegner nicht weiß was er machen soll: DU musst es auf jeden Fall wissen! Wenn Du das nicht weißt, dann ist deine Berechnung schon falsch. Egal ob in einer Berechnung einer Variante, oder in einer ruhigen positionellen Stellung: Suche immer nach den besten Zügen für deinen Gegner.
- Das Erkennen von Mustern machte einen guten Schachspieler aus. Je mehr Taktik- oder auch positionelle Aufgaben Du löst, desto besser werden deine Berechnungen werden.
- Erfahrung ist alles! Erwarte keine großartigen Ergebnisse, wenn Du nicht viele viele lange Stunden mit üben und trainieren verbracht hast.
Und wenn Du denkst, dass Du in ein Loch fällst, dann stimmt das nicht! Diese Berechnungen anzustellen ist das beste was Du machen kannst! Indem Du mit dem Feuer spielst, sammelst Du Erfahrung und Selbstvertrauen und du kommst diesem "Ich weiß sofort was funktioniert und was nicht" Schritt für Schritt näher.