Wie man ein Tempo verliert, um eine Partie zu gewinnen!
Das Konzept der Tempi ist eines der schwierigsten Themen für junge Kinder. Während sie keine Probleme damit haben, zu verstehen, wie Sie eine Figur, einen Bauern oder die Rochade verlieren können, ist das Thema Tempoverschwendung für Kinder normalerweise sehr verwirrend.
Darum sind die Züge h2-h3 und a2-a3 bei Schulturnieren auch so beliebt. Es scheint da ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, das besagt: "Wenn Du nicht weißt, was Du ziehen sollst, dann zieh einen Randbauern!"
Kinder haben aber noch einen zweiten Lieblingszug. Ich kann Euch gar nicht sagen, wie oft ich schon ein "Manöver" wie dieses beobachten musste:
Die übliche Erklärung lautet dann: "Ich habe gesehen, dass ich den Springer fesseln kann, also..."
Ich will mich aber nicht über Kinder lustig machen, denn dieses Konzept ist selbst für die besten Spieler der Welt schwer zu verstehen. Urteilt selbst:
Manchmal muss man ein Tempo verlieren, um eine Partie zu gewinnen.
Falls Ihr Euch nicht sicher seit, was "ein Tempo verlieren" bedeutet, habe ich nachgesehen, was Wikipedia zu diesem Thema zu sagen hat:
Beim Schach bezeichnet ein Tempo das Zugrecht bzw. die Zugpflicht für einen (Halb-)Zug. Wenn ein Spieler in einem Zug weniger ein gewünschtes Ergebnis erzielt, wird gesagt, dass der Spieler "ein Tempo gewinnt"; Umgekehrt, wenn ein Spieler einen Zug mehr als nötig ausführt, wird gesagt, dass der Spieler "ein Tempo verliert".
Wie Ihr sicher gesehen habt, hätte Mir Sultan Khan in einem Zug c7-c5 spielen können. Stattdessen hat er den Zug in 2 Schritten ausgeführt und dadurch ein Tempo verloren. Während es jetzt meistens schlecht ist, ein Tempo zu verlieren muss man manchmal aber sogar ein Tempo verlieren, um eine Partie gewinnen zu können!
Hier ist ein sehr bekanntes Beispiel dafür: Wenn Schwarz am Zug wäre, würde Weiß einfach gewinnen, indem er das Feld b6 mit seinem König besetzt. Da aber Weiß am Zug ist, muss er das berühmte "Dreiecksmanöver" ausführen, um ein Tempo zu verlieren.
Wenn Ihr Euch fragt, warum Schwarz in einer Gewinnstellung einem Remis zugestimmt hat, müsst Ihr nur lesen, was Mark Dvoretsky in seinem hervorragenden Endspielhandbuch darüber schreibt.
Mit seinem letzten Zug (1.Ke2-f2) bot Yudasin ein Remis an und fügte hinzu, dass diese Stellung ein bekanntes Remis sei, das man in jedem Schachbuch finden kann. Sein Gegner, ein internationaler Meister und ein erfahrener Trainer (er hat jahrelang Viktor Korchnoi trainiert), glaubte ihm und nahm das Remis an!
Was Korchnoi zu seinem Trainer sagte, als er diese Partie gesehen hat, werden wir wohl nie erfahren. Glücklicherweise wissen wir aber, was Korchnoi zu seinem Gegner in einer ähnlichen Stellung gesagt hat.
Joel Benjamin schrieb dazu in seinem Buch American Grandmaster:
Nachdem ich 57.Kd1 gezogen hatte, stand Korchnoi auf und sagte zu mir: "Ich weiß etwas über Dreiecksmanöver." Mit einem Gefühl der Angst sah ich zu [Dmitry] Gurevich, damit er mir mit seiner sowjetischen Endspielausbildung aufklärt. Nach seiner Erklärung "das ist doch das ABC des Schachs" gab ich die Partie verlegen auf.
Es ist ziemlich lustig, dass es erst vor kurzem erneut zur selben Stellung kam:
Wie Ihr jetzt gesehen habt, ist es fast immer eine schlechte Idee, ein Tempo zu verlieren - es sei denn, ein solcher Tempoverlust gewinnt eine Partie!