Wie man ein Feuer mit Benzin löscht

Der Titel dieses Artikels klingt für Euch wahrscheinlich absolut verrückt, da Benzin ein Feuer ja nur anfacht. Ja, im wirklichen Leben ist es auch absolut unmöglich, ein Feuer mit Benzin zu löschen, aber hier sprechen wir von der wunderbaren Welt des Schachs, in der unmögliche Dinge Wirklichkeit werden können.

Zuerst will ich Euch aber eine kurze Geschichte aus meiner frühen Kindheit erzählen. Die meisten Kinder in meiner Schachgruppe des Pioneer Palace waren auf Anfängerniveau und deshalb war eine unserer Lieblingsstrategien ein Bauernsturm.

Was könnte auch einfacher sein als das? Man schiebt einfach seine Bauern vor, bricht den Bauernschild vor dem gegnerischen König auf und setzt Schachmatt! Einige der Kinder versuchten, den Bauernsturm zu stoppen, indem sie ihre eigenen Bauern vor ihren Königen nach vorne zogen. Natürlich half eine solche Strategie in den meisten Fällen nur dem Plan ihres Gegners und unser Trainer sagte in solchen Situationen immer: "Du versuchst ja, das Feuer mit Benzin zu löschen!"

Etwa 6-7 Jahre später war ich einer der besten sowjetischen Junioren und wurde in die berühmte Botvinnik-Kasparov-Schule aufgenommen. Dort analysierten zwei großartige Weltmeister unsere Partien und gaben uns Empfehlungen, wie wir unser Schach verbessern können. Ich erinnere mich, dass eines der Kinder eine seiner Partien zeigte und auf dem Demobrett erschien eine bekannte theoretische Stellung:

Dies ist eine der Hauptideen der Königsindischen Verteidigung: In vielen Varianten erhält Schwarz einen direkten Angriff gegen den weißen König. Hier kann der kommende Bauernsturm für Weiß ein komplettes Desaster bedeuten. Dieser moderne Klassiker ist ein gutes Beispiel dafür:

Zurück zu meiner Geschichte. Ich erinnere mich nicht, ob der Junge, der seine Partie zeigte, auf ähnliche Weise Schachmatt gesetzt wurde oder ob er seine Partie gewonnen hatte, aber ich weiß noch, dass sein König in ernsthafter Gefahr war. Und als uns dann Mikhail Botvinnik erklärte, dass Weiß diesen Angriff mit 11.g4 entschärfen hätte können, dachte ich, dass ich mich verhört hatte. War das nicht genau das, was unser Trainer im Pioneer Palace mit "Feuerlöschen mit Benzin" bezeichnet hatte?

Aber Botvinnik erklärte uns, dass dies eine alte Idee von Großmeister Samuel Reshevsky war und zeigte uns einige mögliche Fortsetzungen. Es ist wirklich schade, dass uns Botvinnik keine von Reshevskys Partien mit dieser Idee gezeigt hat. Ich kann auch keine davon in einer Datenbank finden und nehme daher an, dass sie wahrscheinlich Ende der 1930er Jahre bei den halbgeschlossenen sowjetischen Trainingsturnieren gespielt wurden.

Vielleicht ist es aber auch die gleiche Geschichte wie bei der berüchtigten Maroczy Struktur, die der berühmte ungarische Großmeister ja auch nie selbst gespielt, sondern nur analysiert hatte. Das hatte aber ausgereicht, um den Aufbau nach ihm zu benennen. Wie auch immer. In vielen Partien konnte Weiß mit Reshevskys g2-g4-Idee den Königsflügel entweder komplett blockieren oder sogar den Spieß umdrehen und einen eigenen Angriff am Königsflügel starten. Hier ist ein wunderschönes Beispiel dafür:

Heutzutage kann der Zug g2-g4 in der Königsindischen Verteidigung auch noch mit einer anderen Idee gespielt werden, die auch den schwarzen Angriff am Königsflügel stoppt. Nachdem Schwarz seinen Angriff mit f7-f5 gestartet hat, tauscht Weiß einfach die Bauern und nutzt die Felder e4 und e6, um dort seinen Springer zu platzieren. Auch dann kommt es sehr oft vor, dass Weiß den Spieß umdreht und einen eigenen Angriff am Königsflügel startet. Die folgende Partie des sehr jungen Vladimir Kramnik ist ein Lehrbuchbeispiel für diese Strategie:

Obwohl diese Strategie für Weiß recht einfach klingt, ist sie in Wirklichkeit aber genau das Gegenteil! Die folgende Partie des letzten FIDE Grand Prix veranschaulicht das recht gut. Sogar einer der weltbesten Spieler hat dieses System auf spektakuläre Weise falsch gespielt.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass diese Idee, einen Bauern vor seinem König zu ziehen, um den Angriff des Gegners aufzuhalten, eine große Ausnahme von den Regeln darstellt und Ihr sehr vorsichtig damit umgehen solltet. Trotzdem ist dies ein Werkzeug, das jeder Schachspieler in seiner Werkzeugkiste haben sollte.