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Wer war der einflussreichste Schachspieler aller Zeiten?

Wer war der einflussreichste Schachspieler aller Zeiten?

Gserper
| 157 | Bemerkenswerte Partien

Schachfans lieben die Diskussion, wer der beste Spieler aller Zeiten war.

Wie ich bereits in einem älteren Artikel geschrieben habe, kann man diese Frage aber einfach nicht beantworten. In der Tat ist es sehr schwer zu erraten, wer 1975 das Weltmeisterschaftsmatch Fischer-Karpov gewonnen hätte. Von einem völlig hypothetischen WM-Kampf zwischen Capablanca und Carlsen gar nicht zu reden.

Den einflussreichsten Schachspieler aller Zeiten zu benennen ist dagegen viel einfacher.

Zugegebenermaßen ist diese Diskussion so subjektiv, wie die Diskussion über den einflussreichsten Komponisten. War es, Mozart, Beethoven, John Lennon, Malcolm Young oder jemand anderes? Meiner Meinung nach ist aber Garry Kasparov der Spieler, der das moderne Schach am meisten beeinflusst hat.

Ich gebe gerne zu, dass ich hier sehr voreingenommen bin, denn ich war ja einst ein Student der berühmten Botvinnik-Kasparov-Schule. Hätte ich die Gelegenheit gehabt, mit Bobby Fischer über Schach zu sprechen, wäre meine Wahl vielleicht anders ausgefallen. Ich kann aber reines Gewissens behaupten, dass ich immer, wenn ich mich mit Schach beschäftige, auf die eine oder andere Weise an Kasparov denke!

Hier ist ein neueres Beispiel dafür.

Wie viele andere auch, habe ich die letzte Partie Aronian-Grischuk beim Sinquefield Cup live verfolgt und sehr genossen. Ich will Euch zeigen, wie ich diese Partie gesehen habe.

Aronian

Levon Aronian beim Sinquefield Cup 2018. | Foto: Mike Klein/Chess.com.

Bereits von der Eröffnung war ich begeistert.

Ich erinnerte mich sofort an meine Jugend. Ich war 17, war gerade IM geworden und qualifizierte mich für die sowjetische Meisterschaft. Meine Gegner waren sehr starke Großmeister, deren Bilder ich aus Schachmagazinen kannte.

In der ersten Runde musste ich gegen GM Timoschenko antreten. Er war Garry Kasparovs Sekundant beim WM-Kampf gegen Anatoly Karpov!

Wie soll ich nur die berühmte Eröffnungsvorbereitung, die Kasparows Lager entwickelt hatte, vermeiden? Hier ist, was ich gespielt habe:


Ich war sehr froh, die verrückten Komplikationen, die ich ja selbst auf das Brett gebracht habe, überstanden zu haben. Während ich in Erinnerungen an das Turnier, das ich vor über 30 Jahren gespielt habe, schwelgte, ging die Partie Aronian-Grischuk weiter.

Seltsam. Grischuk hat nicht verhindert, dass der weiße Springer auf f5 landet. Kasparov hat uns doch immer erklärt, dass ein Springer auf f5 wie ein Todesbote für Schwarz wäre. Hier ist eine seiner eigenen Partien:

Mittlerweile war die Sinquefield Partie in einem scharfen Mittelspiel angelangt.

Noch mehr Jugenderinnerungen! Diesmal ist es Juli 1988 und ich verrichte meinen Dienst in der Sowjetarmee. Überraschenderweise ist der Sommer in Sibirien extrem heiß! Das größte Turnier meines Lebens, die Juniorenweltmeisterschaft, beginnt in ungefähr zwei Monaten und ich suche nach einer Partie oder wenigstens nach einer Stellung, die ich analysieren kann. (Über meine Zeit in der Roten Armee habe ich in diesem Artikel ausführlich berichtet.)

Irgendwie gelangte ich an die neueste Ausgabe von "Soviet Sport", in der täglich von der sehr stark besetzten sowjetischen Meisterschaft berichtet wurde. Hier ist die Stellung, die ich dort entdeckt hatte. Erkennt ihr die Ähnlichkeit zwischen dieser Stellung und der Stellung aus der Partie Aronian-Grischuk?

Versucht einfach, Kasparovs Züge zu erraten. Er hat die Partie sehr energisch beendet.

In der Zwischenzeit hatt Aronian mutig einen Turm geopfert und begann einen Angriff gegen den schwarzen König. Und genau wie Kasparov spielte er g3-g4!

Könnt ihr die Partie jetzt genau wie Levon Aronian beenden?

Aronians Gewinnzug war 29. Ke3!!

Den König in den eigenen Angriff mit einzubinden war Kasparovs Markenzeichen. Es hat es viele Male gemacht und hier ist das wohl berühmteste Beispiel:

Das sagte Kasparov über den Zug 31. Kh2!!: "Das war die letzte Prophylaxe. Es war notwendig, den König von der schwachen Grundreihe zu ziehen. Danach kann Weiß seinen Angriff starten."

Wie ihr sehen könnt, dachte ich die ganze Zeit an Kasparov, als Aronian sein Meisterwerk erschuf. Und deshalb halte ich Kasparov für den einflussreichsten Schachspieler aller Zeiten!

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