Was wäre, wenn Carlsen und Caruana Martial Arts Kämpfer wären?
Die russische Tageszeitung "Izvestia" hat ein Interview mit dem Präsidenten des russischen Schachverbandes und dem Kapitän der russischen Olympiamannschaft, Andrey Filatov, geführt. In diesem Interview beschrieb Filatov Fabiano Caruanas Chancen in der Weltmeisterschaft gegen Magnus Carlsen als 60 zu 40!
Hier ist der interessanteste Teil des Interviews:
Andrey Filatov (AF): Der Hauptgrund für diese Prognose ist, dass Fabiano gelernt hat, das Ego von Magnus zu zerstören.
Izvestia: Können Sie das bitte näher ausführen?
AF: Als Cheftrainer der Nationalmannschaft kann ich sagen, dass die heutigen Schachspieler in eine andere Richtung arbeiten. Alle Profis suchen nach Wegen, um das Ego ihres Rivalen zu zerstören. Sie versuchen, die Eröffnungen zu wählen, den Spielstil, der den Gegnern Unbehagen bereitet. Sie versuchen, die Schwachstelle des Gegners zu finden und diese zu bearbeiten. [...] Ich gebe ihnen ein Beispiel aus einem Martial Arts Kampf. Khabib Nurmagomedov gewann zwar den Kampf gegen Conor McGregor, aber sein Ego wurde dabei zerstört. Er konnte die Verunglimpfungen [von McGregor] nicht ausblenden, was zu einem emotionalen Ausbruch außerhalb des Achtecks führte und ihm teuer zu stehen kam.
Carlsen gegen Caruana.
Während der psychologische Aspekt im Schach nichts Neues ist (man erinnere sich an das berühmte Zitat von Bobby Fischer: "Ich mag den Moment, wenn ich das Ego eines Mannes zerbreche!"), brachte mich der Vergleich von Schach und Kampfsport zum Nachdenken. Aus dem Interview geht eindeutig hervor, dass Caruana die Schachversion von McGregor und Carlsen Khabib ist. Je mehr ich aber darüber nachdenke, desto mehr sieht es für mich andersrum aus.
Hier ist ein einfaches Beispiel. Wer wird jemals McGregors berühmten Einmarsch in den Ring vergessen?
Was für Kampfsportler der Einmarsch in den Ring (oder den Käfig) ist, ist bei den Schachspielern die Eröffnung und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Caruana eine "McGregor-Eröffnung" spielen würde. Carlsen jedoch schon! Hier sind einige Beispiele:
Ich könnte noch viele weitere Beispiele zeigen, aber Ihr habt die Idee sicher schon verstanden! Bei der Weltmeisterschaft werden wir solche Eröffnungen aber nicht zu sehen bekommen, denn Carlsen hat definitiv eine durchdachte Eröffnungsstrategie für den WM-Kampf vorbereitet. Eröffnungen, die Caruana besonders liegen, wird Carlsen sicher umgehen. Das ist eine gute Nachricht für die Schachfans, die bei den Worten "Berliner Verteidigung" graue Haare bekommen.
Carlsen versuchte diese Eröffnung bereits gegen Caruana:
Es ist allgemein bekannt, dass Carlsens größte Stärke seine legendäre Technik ist. Trotzdem reichte es in vielen Partien gegen Caruana nicht, sich ausschließlich auf die Technik zu verlassen. Schaut Euch das folgende Diagramm an. Können Ihr Euch vorstellen, dass Carlsen eine solche Stellung gegen einen menschlichen Spieler verliert? Und doch ist genau das passiert:
Ich vermute daher, dass Carlsen versuchen wird, aus den Eröffnungen heraus zu unausgeglichenen Stellungen zu kommen. Da die Berliner Verteidigung hierfür nicht infrage kommt, könnten wir so etwas zu sehen bekommen:
Ich weiß, dass das nur eine Blitzpartie war, aber auch in klassischen Partien suchte Carlsen immer wieder nach Abenteuern in der Eröffnung:
Wenn wir die Kampfsport-Analogie weiterspinnen, wird Carlsen es vermeiden, sich in dieser WM auf Ringkämpfe einzulassen. Stattdessen wird er wahrscheinlich Muhammad Alis Rat annehmen: "Schweben wie ein Schmetterling - zustechen wie eine Biene!"
Während ich bei meiner Strategieprognose natürlich auch völlig falsch liegen kann, bin ich in einem Punkt absolut sicher: Es wird eine sehr spannende Weltmeisterschaft werden!