Artikel
Was man im Schach nie machen sollte!

Was man im Schach nie machen sollte!

Gserper
| 129 | Spaß und Wissenswertes

Viele unerfahrene Spieler geben ein Schach, sobald sie ein Schach sehen - egal ob es gut oder schlecht ist.

Noch viel schlimmer ist es allerdings, wenn sie dazu noch laut "Schach" sagen. Ich glaube, dass sie es machen, weil sie sich dann stark und cool vorkommen. In Wirklichkeit es es genauso dumm, wie wenn man einen Turm des Gegners angreifen und dann sagen würde: "Vorsicht, Dein Turm ist angegriffen!"

Das würde ja auch niemand machen, oder?

Excerpt from The Simpsons via Imgur
Auszug aus den Simpsons via Imgur.

Der Gegner hätte, ohne diese Warnung, ja seinen Turm einstellen können! Man könnte jetzt sagen, dass das beim König etwas anderes wäre, weil man den König ja nicht einstellen darf, aber zumindest im Blitzen ist das durchaus möglich!

Aber auch in einer Turnierpartie kann es dramatische Konsequenzen haben, wenn ein Spieler nicht merkt, dass sein König im Schach steht. Manchmal ist das sogar schlimmer, als wenn man eine Partie verliert!

Werfen wir einen Blick auf diese Partie:

In dieser Stellung spielte der berühmte, sowjetische Großmeister Alexander Kotov 28. 0-0-0! Sein Gegner Boris Spassky war zuerst Sprachlos, weil der Autor des Buches "Spiele wie ein Großmeister" überhaupt nicht wie ein Großmeister spielte.

Schließlich sagte Spassky: "Alexander Alexandrovich, das ist ein unmöglicher Zug!"

Kotov schrieb in einem seiner Bücher über diese Episode und war der Meinung, dass er trotz dieses Fehlers und nach dem legalen Zug 28.Kf1 weiterhin eine Gewinnstellung hatte. Das ist wohl richtig, denn nur wenige Züge später gab Spasski auf. Viel schlimmer war aber, dass Kotov in diesem Moment bewusst wurde, dass seine besten Jahre hinter ihm lagen und er über sein Dasein als Schachrentner nachdenken sollte.

Oft führt aber ein übersehenes Schach zum Verlust einer Partie. Hier ist eine Partie, die ich mir live angesehen hatte:

Warum spielte Anatoly Karpov hier 54. De7?? Das sieht eigentlich nach dem schlechtestmöglichen Zug in dieser Stellung aus. Ich glaube aber, dass Ihr die Antwort schon kennt!

Ja, in seiner Zeitnot übersah Karpov das Schach und zog zuerst den unmöglichen Zug 54. De6. Aufgrund der "Berührt-Geführt-Regel" musste er jetzt aber seine Dame ziehen. Ironischerweise hätte er nach dem lächerlich aussehenden Zug 54.Dd7 und 54...Txd7 55. Kg6 die Partie noch retten können.

Bei einem Vergleichskamp zweier Schulmannschaften, der schon einige Jahre zurückliegt, kam es zu einer ganz ähnlichen Situation. Es war die letzte noch laufende Partie und sie entschied über den Sieg des gesamten Duells. Entsprechend waren alle Spieler um das Brett versammelt und in beiderseitiger Zeitnot entstand eine wirklich wilde Stellung.

Der Junge der Auswärtsmannschaft, der mit Schwarz spielte, fand eine wirklich schöne Kombination, die nur leider einen winzig kleinen Haken hatte. Das ist die Stellung:

Hier spielte Schwarz den letzten Zug vor der Zeitkontrolle: 2...Lf2 mit Doppelschach und die totale Stille wurde durch ein allgemeines, tiefes Luftholen unterbrochen. Der Junge war offensichtlich total Stolz, die Mattkombination 2.Kd2 De1+ 3. Kxd3 De3 gefunden zu haben!

Leider dauerte der Moment des Triumphs nur kurz, denn alle Jungs der Heimmannschaft schrien sofort: "Das ist ein unmöglicher Zug!"

Und so war es auch. 2...Lf2 war ein genauso brillianter wie auch ungültiger Zug und so musste er zurückgenommen werden. Als der dann stattdessen 2...Dxg8 spielen wollte, wurde er auf die "Berührt-Geführt-Regel" hingewiesen und da er ja mit seinem Läufer einen legalen Zug ausführen konnte, war er dazu gezwungen, diesen Zug auszuführen.

Sobald er bemerkte, dass er durch diesen Läuferzug seine Dame verlieren würde, war der Junge den Tränen nahe und wahrscheinlich hat ihn nur seine Zeitnot davon abgehalten, in Tränen auszubrechen. Die Partie ging dann so weiter:


Da die Zeitkontrolle jetzt erreicht war, schlug der Junge der Heimmannschaft mit einem breiten Grinsen die schwarze Dame. Sein Gegner hatte das Spiellokal verlassen um sich zu beruhigen und kam etwa 10 Minuten später mit roten, verweinten Augen zurück. Er wurde vom Schiedsrichter darauf hingewiesen, noch einen Zug aufzuschreiben, weil die Partie zu einer Hängepartie werden würde. Alle Zuschauer erwarteten, dass der Junge sofort aufgeben würde, aber er schrieb noch einen Abgabezug auf das Partieformular.

Die Spieler der Heimmannschaft haben dann bereits den Sieg gefeiert, da der Ausgang dieser Partie mit einer zusätzlichen Dame und einem Turm ja ganz offensichtlich war. Nur deren Trainer sah nicht besonders glücklich aus. Er bemerkte sehr schnell, dass die Stellung nicht so klar war, wie sie auf den ersten Blick aussieht.

Urteilt selbst:

Es war wirklich ärgerlich, dass trotz dem immensen materiellen Übergewichts, niemand einen einfachen Gewinn für Weiß finden konnte. Die Situation wurde dann aber noch schlimmer, als der Junge mit erstickter Stimme die Frage stellte: "Haben wir denn zumindest ein Remis?"

Der Wahnsinn erreichte ein völlig neues Niveau, als wir erfolglos versuchten, obwohl Weiß eine Dame und einen Turm mehr hatte, ein Unentschieden zu finden! Nach Stunden der Analyse stand das schmerzhafte Urteil fest: Weiß wird verlieren.

Wir haben angefangen, die Situation zu überdenken. Der Vorschlag, ein Remis anzubieten, wurde abgelehnt, da unsere Gegner nach der Heimanalyse bereits wissen würden, was in der Stellung vor sich ging. Dann wandte sich eines der Kinder an unseren Teamkollegen Alex, der sich immer damit brüstete, dass sein Onkel, der in Riga lebte, der Nachbar von Michail Tal sei.

—Kannst Du Deinen Onkel Anrufen, damit er Tal nach Rat frägt?

—Bist Du verrückt?

—Tja, Tal liebt verrückte Stellungen und außerdem ist er unsere einzige Chance.

Nach einem sanften (oder vielleicht nicht ganz so sanften) Drängen versprach Alex, an Abend seinen Onkel anzurufen und wir warteten auf ein Wunder. Am nächsten Morgen hatten wir aber noch nichts von Alex gehört und der Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Partie rückte näher und näher.

Etwa eine Stunde vor Partiebeginn kam Alex aufgeregt auf uns zugerannt und schrie uns nur ein Wort entgegen: "Unentschieden!"

Getreu seinem Spitznamen "der Magier" hatte Tal ein unglaubliches Remis gefunden. Findet Ihr es auch?

Es ist wirklich erstaunlich, dass Weiß sämtliche Figuren aufgeben muss, um ein Remis zu erreichen. Noch erstaunlicher ist es aber, dass es so schwierig ist, Dame, Turm UND Läufer zu opfern, um einen einzigen Bauern dafür zu bekommen!

[Anmerkung des Verfassers vom 2. April: Die Episode mit Tal wurde als Aprilscherz in diese, ansonsten wahre Geschichte, eingebaut.]

Ich hoffe, dass Euch diese Geschichte und die wirklich fantastische Stellung nicht von Hauptgrund dieses Artikels abgelenkt hat: Sagt niemals "Schach"!

Mehr von GM Gserper
Ein vergessenes Meisterwerk

Ein vergessenes Meisterwerk

Kennst du diesen mächtigen Trick, der dein Spiel verändern wird?

Kennst du diesen mächtigen Trick, der dein Spiel verändern wird?