Was ist Levon Aronian's Lieblingszug?
Das Kandidatenturnier war für Levon Aronian ein wahrer Albtraum.
Am Ende hielt Aronian, der als einer der Favoriten in das Turnier gestartet war, die Rote Laterne in seinen Händen. Und während seine zahlreichen Fans im Laufe des Turniers noch auf ein Wunder gehofft hatte, war es den neutralen Beobachtern längst klar: Aronan war total außer Form. Es gab aber noch einen zweiten Grund für sein schwaches Abschneiden: Bereits in der ersten Partie funktionierte sein Lieblingszug nicht!
Seine Fans lieben Levon Aronian aber nicht nur als extrem starken Schachspieler, der es vor 4 Jahren bis zur Nummer 2 in der Weltrangliste gebracht hatte, sondern auch für sein kreatives Angriffsspiel.
GM Alexei Shirov, selbst ein Vertreter der "Abteilung Attacke", nannte Aronian einmal "den erfolgreichsten Angriffsspieler der Welt". Levon Aronian hat so viele Tricks im Ärmel, dass er fast jede langweilige Stellung in einen undurchsichtigen Variantendschungel verwandeln kann, aber es gibt einen Zug, mit dem er fast immer gewinnt!
Der Zug ist aber nicht einmal ein großes Geheimnis und alle Top-Spieler kennen ihn nicht erst seit Aronians berühmten Satz beim Sinquefield Cup 2017, "Du musst h4 spielen, wann immer Du die Möglichkeit dazu hast!"
Es stimmt! h2-h4 ist mit Abstand der Lieblingszug von Levon Aronian. Sehen wir uns einige seiner Partien an und was in diesen geschah, nachdem der armenische Großmeister den h-Bauern 2 Felder nach vorne gezogen hatte.
Aronian und WIM Arianne Caoili. Foto: Maria Emelianova/Chess.com.
Es gibt natürlich Situationen, in denen der Zug h2-h4 überhaupt nichts Besonderes ist und die meisten Spieler diesen Zug spielen würden. Es gibt sogar einige Eröffnungen in denen der Zug h2-h4 ein Bestandteil der Hauptvariante ist:
Manchmal ist h2-h4 auch der logischte Zug auf dem Brett und viele Spieler würden sich ohne lange nachzudenken für diesen Zug entscheiden. In der folgenden Partie spann Aronian durch den Zug h2-h4 ein Mattnetz. Mamedyarov hatte aber keine Lust darauf zu warten, bis sein König nach g4-g5 Matt gesetzt wird und gab die Partie lieber auf:
Ich spreche aber von Situationen, in denen h2-h4 alles andere als der offensichtlichste Zug ist.
1. h4 hilft, die h-Linie zu öffnen.
Wer gegen Aronian spielt und ...g6 spielt um seinen Königsläufer zu fianchettieren, der kann sich sicher sein früher oder später (oder sofort) h2-h4 kommt! In den folgenden Partien waren sogar Super-Großmeister gegen Aronians Lieblingszug machtlos! Einige werden jetzt sagen: "Ja toll! h2-h4 ist doch in vielen Eröffnungen, wie zum Beispiel in der Sizilianischen Drachenvariante eine ganz normale Idee."
Das stimmt! Aronian treibt den Bauern aber schon oft in den ersten 10 Zügen nach vorne!
Hier ist eine Partie, als Aronian noch ein Teenager war:
Und hier eine ganz neue Partie:
2. h4 schwächt die Stellung des rochierten, gegnerischen Königs.
Oft spielt Aronian h2-h4, selbst wenn er seinen König bereits auf den Königsflügel rochiert hat. Dieser Zug hilft ihm, Angriffe zu starten.
3. Es ist mein Lieblingszug und ich kann ihn immer spielen, wenn ich Lust darauf habe!
Es sieht wirklich so aus, als würde Aronian manchmal nur h2-h4 spielen, weil er den Zug spielen will!
Da ihr jetzt die tödliche Kraft hinter Aronians h2-h4 Zug gesehen habt, könnt ihr euch vielleicht Aronians Enttäuschung vorstellen, als der Zug in der ersten Runde des Kandidatenturniers nicht funktioniert hatte:
Ja, das war Fall Nummer 3 (Ich spiele den Zug, wenn ich Lust darauf habe), aber überraschenderweise geriet Aronian ins Wanken! Das war bereits ein sehr schlechtes Omen. Seht euch an, was danach in den Runden 7 und 11 passiert ist:
Aronian hat mit seinem Paradezug gerade mal 0.5 von 3 möglichen Punkten geholt. Benötigt ihr jetzt noch einen weiteren Beweis dafür, dass er total außer Form war?
Ich habe aber keinen Zweifel daran, dass sich der armenische Großmeister von diesem Debakel erholen wird und dass wir noch viele Partien bewundern dürfen, in denen er seine "nicht ganz so geheime Geheimwaffe" einsetzt!
