Warum du die Schnellschach- und Blitz-WM hättest sehen sollen
Die kürzlich beendete FIDE Schnellschach-WM und die Blitz-WM sind bereits Geschichte, und die Schachspieler:innen haben die historische Stadt Samarkand in Usbekistan verlassen. Obwohl es ein sehr spannendes Ereignis war, haben viele weniger erfahrene Spieler:innen es überhaupt nicht verfolgt. Als ich sie nach dem Grund fragte, waren ihre zwei Hauptgründe:
- Großmeister:innen spielen so schnell, dass wir den Grund für die Züge nicht verstehen können, so dass sie ziemlich zufällig aussehen.
- Außerdem ist es nur Schnell- und Blitzschach. Was kannst du von dieser Art von Schach lernen?
Leider wissen viele weniger erfahrene Spieler:innen nicht, dass man jedes große Schachereignis mit Live-Kommentar von Top-Profis verfolgen kann, was dir die Möglichkeit gibt, den Sinn hinter den Zügen zu sehen, selbst bei einer sehr hohen Spielgeschwindigkeit. Deshalb möchte ich dir einige Momente aus diesem Turnier zeigen, die viele Schachspieler:innen genießen und von denen sie lernen können.
Fangen wir mit einem offensichtlichen Punkt an: Die Schnellschach- und Blitz-WM machen in erster Linie viel Spaß! Dort kannst du Dinge sehen, die du sonst nirgendwo sehen kannst. Ein Beispiel dafür ist die folgende berühmt-berüchtigte "Partie" zwischen GM Ian Nepomniachtchi und GM Daniil Dubov:
Als ich die Springer auf dem Brett tanzen sah, musste ich lächeln, denn diese Züge erinnerten mich bei hoher Geschwindigkeit an den berühmten "Säbeltanz" des Komponisten Aram Chatschaturjan.
Natürlich gibt es für alles eine richtige Zeit und einen richtigen Ort. Selbst dieses zeitlose Stück, das Chatschaturians berühmtestes Werk ist, kann ins Absurde verwandelt werden, wie der russische Schriftsteller Mikhail Veller in seiner Kurznovelle Säbeltanz zeigt. Der Geschichte nach war Salvador Dali ein großer Fan von Aram Chatschaturjan und seinem Säbeltanz. Als der Komponist in Spanien auftrat, wurde er zu einem Besuch bei Dali eingeladen.
Chatschaturjan erschien pünktlich und wurde in Dalis Schloss eingeladen, aber der berühmte Maler kam zu spät. Chatschaturjan musste zwei Stunden lang warten. Endlich, als er schon jede Hoffnung verloren hatte, Dali zu sehen, öffnete sich plötzlich die Tür. Ein völlig nackter Salvador Dali rannte in den Saal, auf einem Mopp reitend und mit einem Säbel in der Hand. Nachdem er vor dem Gast herumgetänzelt war, verschwand der Künstler durch eine andere Tür, dann trat der Zeremonienmeister ein und teilte Chatschaturjan mit, dass die Audienz vorbei sei.
Warum erzähle ich dir diese Geschichte, liebe:r Leser:in? Weil das Spiel zwischen Nepomniachtchi und Dubov für mich viel mehr wie eine "Performance" von Salvador Dali aussah und viel weniger wie ein klassisches Ballettstück. Und natürlich ist eine WM kein geeigneter Ort für solch extravagante Darbietungen.
Ich bin jedoch ganz und gar nicht mit der Entscheidung des Hauptschiedsrichters einverstanden, die Spieler mit einem Abzug von jeweils einem halben Punkt zu bestrafen. Es steht außer Frage, dass sie für eine solche Show hätten bestraft werden müssen. Eine Geldstrafe von 500 Dollar wäre meiner Meinung nach die richtige Strafe gewesen. Die tatsächliche Entscheidung des Schiedsrichters hat den gesamten Verlauf des Turniers verändert, was einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen kann. Nehmen wir an, ich bin Schiedsrichter und ein großer Fan von Spieler X, während GM Vladislav Artemiev führt und er der Hauptkonkurrent von Spieler X ist:
Bingo! Ich bestrafe Artemiev um einen halben Punkt und mein Favorit liegt jetzt vorn. Oder, wenn andere Teilnehmer:innen am Schachbrett nichts falsch machen, kann ich sie trotzdem für Schuhe bestrafen, die angeblich wie Sportschuhe aussehen oder ähnlichen Unsinn. Ich habe dieses Thema schon früher in meinen Artikeln angesprochen, z. B. in diesem. Heutzutage werden Schiedsrichter:innen manchmal besser bezahlt als die Spieler:innen, und natürlich fangen sie an zu denken, dass sie die Hauptakteure des Turniers sind.
Nun wollen wir darüber sprechen, was weniger erfahrene Spieler:innen von Schnellschach- und Blitzpartien von Großmeister:innen lernen können. Entgegen der landläufigen Meinung können solche Partien für Anfänger:innen lehrreicher sein als Partien, die mit einer längeren Zeitkontrolle gespielt werden. Überleg mal, was würde ein:e Anfänger:in mehr schätzen, das Schäfermatt oder ein langweiliges Berliner Endspiel? Während du das Schäfermatt in einer Großmeisterpartie mit klassischer Zeitkontrolle niemals zu sehen bekommst, gibt es hier eine Partie von der Schnellschach-WM:
Dieses Spiel könnte weniger erfahrenen Spieler:innen helfen, die komplizierten Details dieser tödlichen Waffe für Anfänger:innen besser zu verstehen. Sie werden lernen, dass das klassische Schäfermatt zwar seine eigenen Vorzüge hat, wie wir in diesem Artikel besprochen haben, aber nicht der beste Weg ist, das Spiel zu eröffnen. Dennoch kann die Drohung mit dem Schäfermatt in bestimmten Fällen das Spiel schnell entscheiden. Hier ist eine bekannte Falle in der Philidor-Verteidigung:
Noch schlimmer wird es für Schwarz, wenn er auf e5 mit seinem d6-Bauern zurückerobert. Dann gewinnt eine Schäfermattdrohung zumindest eine Leichtfigur:
Hier ist ein weiterer Fehler, der einer ehemaligen Nummer 2 der Welt nur in einem Blitzspiel passieren kann:
Für weniger erfahrene Spieler:innen kann dieses Spiel das Konzept der Schachbatterie einführen. Wenn dein:e Gegner:in das nächste Mal die Figuren auf der gleichen Linie oder Diagonale aufstellt, bist du gewarnt, dass etwas potenziell sehr Gefährliches auf dich zukommt, und wirst nicht so einen Fehler machen:
Ich hoffe, dass du von nun an die Schnellschach- und Blitz-WM nicht mehr verpassen wirst: Sie sind unterhaltsam und lehrreich!
