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Angriff auf den rochierten König!

Angriff auf den rochierten König!

Gserper
| 51 | Taktiken

Heute werden wir uns eine taktische Idee ansehen, die normalerweise einen schnellen Angriff auf den rochierten König des Gegners einläutet.

Hier sind die Voraussetzungen für diese Taktik:

  1. Der Gegner muss kurz rochiert haben
  2. Der Gegner hat h7-h6 (oder h2-h3 mit Weiß) gespielt. Aber warum sollte der Gegner diesen Zug eigentlich spielen? Nun, zum einen spielen viele Spieler, besonders Anfänger, diesen Zug gerne, um zu verhindern, dass ihr Springer mit Lg5 gefesselt wird. Der zweite Grund ist, dass sie verhindern wollen, dass der weiße Springer ihren Läufer auf e6 mit Sf3-g5 angreift. Und dann verhindert ja dieser Bauernzug auch noch eventuelle Grundlinienmatts.
  3. Man hat eine Dame-Läufer-Batterie (zum Beispiel Dd2 und Le3).
  4. Man klopft mit Lxh6 an die Tür des Königs und sagt freundlich hallo!

Wie man so schön sagt, sagt ein Bild mehr als tausend Worte. Ich zeige Euch also ein Beispiel. Wenn Menschen eine neue Computersprache lernen, lernen sie traditionell zuerst, wie man ein Programm erstellt, das die Nachricht "Hallo, Welt!" erzeugt. Eine ähnliche Regel gilt für Schach: Wenn man ein neues taktisches Muster lernt, ist die erste Partie, die man sich ansieht, eine des Magiers.

Dies ist eine sehr gute Veranschaulichung, wie dieses Opfer funktioniert. Für den Preis eines Läufers bekommt man zwei Bauern und der gegnerische König ist allen Drohungen völlig hilflos ausgesetzt. In der eigentlichen Partie hat Lajos Portisch das Opfer übrigens nicht angenommen. Am Ausgang der Partie hat das allerdings nichts geändert:

Bei einer Partie zwischen zwei Super-GMs, die erst letzte Woche gespielt wurde, finden wir genau die gleiche Idee. Genau wie Portisch vor fast 60 Jahren nahm auch Le Quang Liem das Opfer nicht an und verlor die Partie trotzdem. Die Engine zeigt aber auf, dass Weiß, obwohl es sehr beängstigend gewesen wäre, das Opfer annehmen hätte können und Schwarz hätte nicht mehr als ein Remis gehabt.

Zu einer sehr lustigen Situation kam es in der folgenden Partie. Genau wie in der Partie zwischen Le und Shakhriyar Mamedyarov bereitete Großmeisterin Monika Socko das Opfer Lxh3 vor. Weiß kam ihr aber zuvor und opferte zuerst!

Nach dem vernichtend aussehenden Opfer Lxh6 hätte sich Schwarz aber erfolgreich verteidigen können. Wer findet die Verteidigung?

Dies ist aber das einzige Beispiel, das ich kenne, bei dem die beste Verteidigung, nachdem der Gegner auf h6 geopfert hat, ein eigenes symmetrisches Opfer ist!

Ich empfehle Euch, auch ein weiteres Element des Lxh6-Opferangriffs zu beachten, das in der letzten Partie aufgetreten ist. Wenn Euer weißfeldriger Läufer den f7-Bauern fesselt, ermöglicht das den sehr wichtigen Angriffszug Dg6! Genau das ist in der folgenden Partie passiert:

Manchmal kann man sogar auf h6 opfern, obwohl die Dame- und Läuferbatterie noch gar nicht aufgebaut ist. Man opfert also zuerst den Läufer auf h6 und zieht erst dann die Dame auf die c1-h6 Diagonale. Genau das ist in der folgenden ikonischen Partie von David Bronstein passiert.

Wie ich bereits am Anfang dieses Artikels erwähnt habe, ist der Lxh6-Angriff sehr beliebt. Und da Ihr ihn jetzt nun kennt und wisst wie er funktioniert, bin ich mir sicher, dass Ihr ihn auch in Euren eigenen Partien anwenden könnt. Viel Spaß bei der Königsjagd!

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