Pal Benko: Endlich frei!
Den ersten Teil dieses Artikels findet Ihr hier
Pal Benko:
Mein Ticket in die Freiheit war natürlich Schach. Zunächst stand für mich die Qualifikation für ein Turnier im Ausland auf dem Programm und natürlich wollte ich nicht in einem von der Sowjetunion kontrollierten Land spielen! Das Glück war mir hold und ich landete in Irland. Dann ging ich für einen Monat nach Luxemburg, um Simultanpartien zu spielen und dann nach Island, wo ich zu den Weltmeisterschaften der Studenten eingeladen wurde (ich spielte am ersten Brett, Portisch am zweiten).
Die einzigen Leute, die wussten, dass ich überlaufen würde, waren mein Bruder und meine Schwester, die in Ungarn geblieben waren. Sie gaben mir ihre besten Wünsche mit auf den Weg und von Island aus schickte ich ihnen ein Telegramm mit den Worten: "Mein Onkel ist krank." Dies war ein Geheimcode, der sie aufforderte, meine Wohnung zu räumen, weil ich nicht zurückkehren würde.
So ging ich im Juli 1957 in die amerikanische Botschaft in Reykjavik und bat um Asyl. Die Amerikaner schienen ziemlich glücklich darüber zu sein und erkannten sofort, dass ich ein politisches Werkzeug war. Ich gab eine Pressekonferenz und erklärte, warum ich nicht nach Ungarn zurückkehren wollte. Es erschien mir fast zu einfach, aber ich war frei. Jetzt musste ich nur noch auf meine Einreiseerlaubnis in die Vereinigten Staaten warten.
New York, New York:
Benko landete am 17. Oktober 1957 in New York. Er hatte wenig Geld und mietete ein Zimmer beim Christlichen Verein Junger Menschen. Er bat den amerikanischen Schachverband um Hilfe, aber dieser hatte zu diesem Zeitpunkt nur 6.000 Mitglieder und konnte nicht helfen.
Hier ist, was Benko über diese Zeit schrieb:
Eine solche Schachwüste hatte ich noch nie gesehen. Die US-amerikanische Mannschaft konnte aus finanziellen Gründen nicht an den Olympischen Spielen in Moskau teilnehmen und den Beruf eines Schachprofis gab es nicht. Reshevsky hatte einen Job, Lombardy war ein Priester, Rossolimo arbeitete als Taxifahrer und Evans interessierte sich für alle möglichen Dinge. Schweren Herzens wurde mir klar, dass ich vielleicht ganz auf Schach verzichten musste.
Benko bekam schließlich einen guten Job in einer Maklerfirma und konnte bezahlte Dienstreisen arrangieren, wann immer er international spielen musste.
Hier sind einige Auszüge:
1959: Kandidatenturnier in Zagreb, Jugoslawien:
Um mich zu akklimatisieren bin ich bereits eine Woche vor Turnierbeginn dorthin gereist. In dem internationalen Hotel, in dem das Turnier stattfand, hatte ich keine frühzeitige Reservierung, aber ich fand ein kleines Hotel, in dem ich die Woche verbringen und auf den Turnierbeginn warten konnte. Dieses Hotel kostete offiziell 1,25 Dollar pro Nacht, aber auf dem Schwarzmarkt konnte man einen Preis von einem Dollar vereinbaren. Über diesen Preis war ich natürlich sehr glücklich und fing an, nach einigermaßen billigen Restaurants zu suchen, in denen ich essen konnte. Schließlich fragte mich jemand: "Warum isst Du eigentlich auswärts, wenn Du Dein Essen doch bereits bezahlt hast?" Ich war schockiert. Der Preis für einen Dollar pro Nacht beinhaltete nämlich nicht nur die Unterkunft, sondern auch die Verpflegung - drei volle Mahlzeiten pro Tag!
In der
malerischen Stadt Portoroz an der jugoslawischen Küste habe ich dann auch Bobby Fischer kennengelernt. Er war damals noch ein Teenager, ein netter Kerl. Manchmal, wenn er eine Partie verlor, weinte er und ich mochte ihn sofort und fühlte mich fast als sein Beschützer. Einmal fragte ich ihn, was er werden wollte und er sagte: "Ich möchte ein internationaler Playboy sein, genau wie Benko!" Leider blieb er aber immer sehr schüchtern und lernte nie, mit Frauen zu kommunizieren.
1962: Kandidatenturnier in Curacao:
In Curaçao (eine wunderschöne Insel in Niederländisch-Indien) ist einiges vorgefallen. Die USCF (genauer gesagt ein Mann namens Kasper, der beim amerikanischen Schachverband dafür zuständig war) hat es geschafft, einen Fehler zu begehen, neben dem alle anderen Fehler verblassen: Es wurde nur ein Analyst (Bisguier) für beide amerikanischen Spieler nach Curaçao entsendet.
Zusätzlich verfügte er noch die Bestimmung (von der Benko anfangs nichts wusste), dass wenn Fischer Bisguier für eine Analyse oder zur Vorbereitung auf eine Partie benötigte, Bisguier Benko ignorieren und sich nur um Fischer kümmern sollte. Benko erfuhr davon, als er für seine Vorbereitung auf Petrosian Hilfe benötigte und war natürlich entsetzt. Dies führte zu einer Auseinandersetzung zwischen Fischer und Benko und beide Spieler entfernten sich immer weiter voneinander.
Das schrieb Benko über diesen Vorfall:
Ich war empört. Während unseres Streits war ich mir sicher, dass Bobby die ganze Zeit gewusst hatte, was los war. Leider wurde es in der Hitze des Gefechts, in dem wir beide davon überzeugt waren, dass wir im Recht waren, hässlich. Bobby wurde beleidigend und ich wurde immer wütender, Bobby provozierte mich und dann ist es passiert: BANG, ich habe ihn geschlagen!
Alle hatten es gesehen und Fischer war nicht zu beruhigen. Er wurde wütender und wütender und da habe ich ihn nochmal geschlagen!
Fischer and Tal:
Das Kandidatenturnier in Curacao war sehr stark besetzt und jeder der Teilnehmer musste gegen jeden anderen 4 Partien spielen. Petrosian gewann das Turnier vor Keres und Geller. Fischer wurde vierter, Korchnoi fünfter, Benko sechster und Tal und Filip teilten sich den siebten Platz.
Tal wurde letzter? Das lag daran, dass er bereits sehr krank war und ins Krankenhaus musste. Der einzige Spieler, der Tal besuchte, war übrigens Fischer!
Lasst die Vergangenheit, Vergangenheit sein!
...eine andere Erinnerung, die ich an Bad Gastein habe, war, dass ich bei diesem Turnier eine sehr hübsche jungen Frau kennengelernt habe. Sie war einfach nur wunderbar und wir verbrachten viel Zeit miteinander und kamen uns ziemlich nahe. Wie es damals nicht unüblich war, haben wir uns aber danach irgendwie aus den Augen verloren.
Zwanzig Jahre später lebte ich schon in den Vereinigten Staaten. Eines Tages kam ein Brief und erstaunlicherweise stellte sich heraus, dass es von ihr war! Sie erzählte mir, dass sie jetzt ein Hotel in der Schweiz besitze und lud mich zu einem Besuch ein. Ich war höflich und schickte ihr eine belanglose Postkarte. Daraufhin bekam ich einen zweiten Brief, in dem sie zugab, dass sie jetzt vier Kinder hatte und das doppelte wog, wie früher! Ich antwortete ihr wieder und lehnte ihre Einladung höflich ab. Manchmal ist es am besten, die Vergangenheit, Vergangenheit sein zu lassen.
Reshevskys Gedächtnis:
Bei seinen Duellen gegen Korchnoi und Hort arbeitete ich als Reshevskys Sekundant. Während wir uns auf Kortschnoi vorbereiteten, besuchte ich ihn in seinem Haus und fragte: "Wo sind eigentlich Deine Schachbücher?" Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass er nur drei oder vier besaß und das waren noch dazu die, die er
selbst geschrieben hatte! Als ich mich mit ihm unterhielt, bemerkte ich aber, dass sein Gedächtnis schon sehr schlecht war. Ich habe ihm zum Beispiel einmal eine Partie gezeigt und gefragt: "Was hältst Du von dieser Partie?"
Reshevsky sagte: "Das ist nichts Besonderes. Diese Jungs waren nicht sehr gut."
"Aber Sammy, das ist eine Deiner eigenen Partien!"
Fischer rastet aus
Ich reiste nach Ungarn, um mit Benko das Buch über sein Leben zu besprechen und Benko und seine Frau waren beide sehr nett. Benko sagte zu mir, dass wir in ein Restaurant gehen würden, in dem Benko und Fischer gerne essen. Fischer hatte versprochen, uns dort zu treffen. Als die Zeit gekommen war, ins Restaurant zu gehen, rief Benko Fischer an und ich hörte, wie Fischer ins Telefon schrie: "Ich weigere mich, mit diesem Juden zu essen!" Benko war überhaupt nicht glücklich darüber!
Benko und ich haben unsere gesamte Energie investiert, um ein Buch über Benkos Leben, Partien und Kompositionen zu schreiben. Ob Ihr es glaubt oder nicht: Es dauerte fünf Jahre, bis es fertig war. Dieser umfangreiche Band (668 Seiten) war das erste Buch, das alle drei großen Schachbuchpreise gewann!
BENKOS KOMPOSITIONEN
Komposition 1:
Weiß setzt in 4 Zügen Matt.
Komposition 2:
Weiß am Zug gewinnt.
Erster Platz, Magyar Sakkelet 1980.
Komposition 3:
Weiß am Zug gewinnt.
e.g. 1989, nach T. Gorgiev.
Ich habe ja bereits erwähnt, dass Benko des Öfteren Türme eingestellt hat (keine Bauern, keine Damen, keine Läufer oder Springer - nur Türme!) und niemals herausgefunden hat, warum. Hier ist eine dieser mysteriösen Partien:
Das Turnier in Reggio Emilia war sehr angenehm, obwohl ich wieder mal einen Turm eingestellt habe. Dies warf mich auf den zweiten Platz zurück und hinterließ einen ziemlich bitteren Geschmack in meinem Mund, da ich die Partie leicht gewinnen hätte können.
Benko über das Benko (Wolga) Gambit:
Ich suchte nach einer neuen Eröffnung, die es mir ermöglichte, die Mainstream-Theorie zu umgehen und meine Gegner zwingt, selbst zu denken. Bei näherer Betrachtung der Idee mit dem Gambit ...b7-b5 wurde mir schnell klar, dass ich hier auf etwas gestoßen bin! Hier gab es ein komplettes System gegen 1.d4, das keine theoretischen Grundlagen hatte (also kein Auswendiglernen ermöglichte!), das weitgehend unbekannt war (meine Gegner würden nicht wissen, was vor sich ging), das sich gut für allgemeine Ideen und strategische Motive eignete und das Schwarz in den meisten Endspielen hervorragende Chancen gibt!
Ich habe angefangen, es in einigen amerikanischen Turnieren zu testen und hatte unglaublichem Erfolg damit. 1967 spielte ich es erstmals bei einem internationalen Turnier. Innerhalb weniger Jahre erweiterten viele Spieler ihr Repertoire und entwickelten die Benko-Gambit-Theorie sprunghaft weiter. Irgendwann wurde mir klar, dass ich ein Monster erschaffen hatte - es wurde ja geboren, um die Eröffnungsvorbereitung zu umgehen, aber irgendwann hatten alle meine Gegner jede gespielte Partie analysiert! Infolgedessen hielt ich es für notwendig, mich Mitte der siebziger Jahre einer anderen Eröffnung zuzuwenden.
12.
Pal, es war mir eine Ehre, mit Dir zusammen das Buch "Pal Benko, My Life, Games and Compositions" zu schreiben. Es hat mir auch immer Spaß gemacht, gemeinsam mit Dir bei Jugendturnieren in ganz Europa als Trainer zu arbeiten. Ich werde Dich nie vergessen!