Mein liebstes U.S. Schachmagazin: Teil 1
CHESS LIFE AND REVIEW
Kürzlich habe ich über die besten US-Schachmagazine nachgedacht und als erstes festgestellt, dass es davon eine ganze Menge gibt. Zwei meiner Favoriten sind das urkomische Magazin Chess Chow (Schachfutter) von Joel Benjamin, welches von 1991 bis 1994 erschien und Yasser Seirawans ausgezeichnete Zeitschrift Inside Chess. Aber die Oldies sind einfach Goldies und damit unschlagbar.
"Chess Life" gibt es eigentlich schon immer (genauer gesagt erschien das Magazin zum ersten Mal 1946 - damals noch als 14-tägliche, 8-12 Seiten starke, Zeitung). Chess Review (von 1933 bis 1969) war bis 1961 ohne Zweifel das beste Schachmagazin und fusionierte dann mit Chess Life. Ich glaube, dass Chess Life dann, auch Dank des aufgrund von Tal und Bobby Fischer stark gestiegenen Interesses am Schach, von 1961 bis 1965 seine beste Zeit hatte.
Al Horowitz, der seit der Gründung für Chess Review gearbeitet hatte, arbeitete bis zu seiner Pensionierung Tag und Nacht für dieses Magazin. Von 1969 bis 1980 erschien das Magazin dann unter dem Namen Chess Life and Review, bevor es wieder zu seinem ursprünglichen Namen Chess Life zurückkehrte. Chess Life and Review war nicht nur eines der besten amerikanischen Schachmagazine, sondern meiner Meinung nach das beste Weltweit.
Ich werde nun drei Magazine etwas genauer betrachten, obwohl das wie ein Rückschritt aussieht. Warum ich das mache? Ich hatte einfach Lust darauf!
Alle drei Artikel sind auf der gleichen Weise aufgebaut: Ich wählte eines der drei Magazine aus (ich wählte zuerst Chess Life and Review) und ich wählte ein zufälliges Jahr (1975). Dann gehe ich auf verschiedene Artikel und Details ein, die ich für die Leser interessant finde. Ich habe es wirklich geliebt, all die Themen dieses Jahres neu zu entdecken. Ich hoffe es gefällt euch auch.
Warum habe ich jetzt Chess Life and Review als erstes ausgewählt? Zwei Wörter beantworten diese Frage: UNGLAUBLICHER INHALT. Neben der "FIDE International Rating List" werden verschiedene Turniere und Partien aus den USA und dem Rest der Welt analysiert. Daneben gibt es "Buchrezensionen" (Frank Brady), eine Quiz-Seite, eine Kolumne von Ed Edmondson, Larry Christiansen spricht über seinen Sieg bei den US-Juniorenmeisterschaften, eine Redakteurseite mit dem Namen "News & Views" und Diskussionen über die großen US-Turniere (wie die US Open und die American Open). Ferner noch Material von Jerome Hanken (ach, ich war übrigens der letzte Schachspieler, der ihn lebend sah ... ich hatte gehofft, dass ihn mehr Spieler besucht hätten), eine Kolumne für unerfahrene Spieler von Walter Meiden und Norman Cotter, Nachrichten über damals sehr beliebte Militär-Turniere und so weiter und so fort.
Wenn ihr jetzt denkt, dass dies schon genug ist, dann muss ich euch mitteilen, dass dies erst die Beilagen waren und das Fleisch erst noch kommt.
Was mir am besten gefällt sind die großartigen Kolumnen berühmter Spieler.
Die Autoren und ihre Kolumnen: GM Edmar Mednis (er schreibt sehr detailliert über internationale Turniere und Endspiele) GM Svetozar Gligoric berichtet über die “Partie des Monats” (seine tiefen Analysen füllen gleich mehrere Seiten), IM Kenneth Rogoff, GM Lubosh Kavalek, GM Larry Evans “Was ist der beste Zug?”, GM Walter Browne (der extrem leidenschaftlich schreibt), “In der Arena" von GM Pal Benko, “Die Kunst des positionellen Spiels” von GM Sammy Reshevsky, GM Bent Larsen (ein fantastischer Autor und einer der besten Spieler der Welt), sowie Partieanalysen von GM Robert Huebner und GM Laszlo Szabo (sehr interessant). Ferner noch eine Kolumne von GM Paul Keres namens “Keres Erläuterungen,” eine weitere Kolumne von IM John Grefe und “Lombardy’s Kolumne” von GM William Lombardy.
Leider sind die meisten dieser großartigen Spieler aber schon von uns gegangen.
Es ist also kein Wunder, dass ich eine komplette Woche benötigte, um all dieses überwältigende Material zu studieren. Für mich war dies aber eine magische Woche.
Er sah alles, außer…
Schach ist ja, besonders auf den höheren Levels, ein sehr kompliziertes Spiel. Du spielst brillant, du beherrschst deinen Gegner, du analysierst tief, und dann bemerkst du plötzlich ein "kleines" Etwas, das dein Selbstvertrauen zerstört. Die Augen deines Gegners leuchten auf und du (und dein Gegner) merken, dass du es verpfuscht hast. Das stimmt jedoch nicht. Es ist ein Irrlicht! Aber jetzt ist es zu spät! Du hast schon ein großes Glas psychologisches Gift getrunken. Genau das ist dem armen Mednis passiert.
GM Edmar Mednis schrieb seine Kolumnen mit einem großen (und wenn ich sage "einen großen", dann meine ich "einen GROSSEN") Aufwand und im Gegensatz zu anderen Großmeistern schrieb er nicht nur über seine Siege, sondern auch über seine Niederlagen.
PUZZLE 1
Mednis war sich sicher, dass er die Partie verloren hatte. Dem war aber nicht so. Wer findet die Rettung für Schwarz?
Rogoff zeigt seine Partie
PUZZLE 2
Eine Überraschung
GM Larry Evans schrieb viele Jahre eine Kolumne mit dem Titel “Larry Evans on Chess” (Larry Evans über Schach). Im Jänner 1975 wurde ihm von Bobby Fischer höchstpersönlich eine Frage gestellt. Fischer begann mit den Worten: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mich irre, aber in der Partie Karpov gegen Pritchett bei der Olympiade 1974 in Nizza war doch diese Stellung auf dem Brett:"
Fischer schrieb weiter: “Bis zum Erscheinungsdatum wird meine Analyse wahrscheinlich schon unter einem anderen Namen, in anderen Medien, veröffentlicht sein, denn ich habe sie schon einigen Bekannten gezeigt. Sagt mir aber doch bitte trotzdem, was ich hier übersehen habe. Mit freundlichem Gruß, Bobby."
Natürlich erkannte Evans, dass sich Fischer nicht geirrt hatte und so antwortete er lediglich: "Ich danke Dir für diese Zuschrift und freue mich zu sehen, dass es Dir gut geht!"
PUZZLE 3
Mein guter Freund Dennis Waterman hat den Schönheitspreis bei den American Open gewonnen. Findet ihr seinen Gewinnweg?
PUZZLE 4
Grefe musste diese Partie gewinnen, um eine Chance auf den Turniersieg zu haben. Schwarz sah schon wie der sichere Verlierer aus, aber Biyiasas war ein extrem trickreicher Spieler und Grefe fiel auf einen seiner Tricks herein.
WALTER BROWNE IST AUF DEM KRIEGSPFAD
Als ich einmal über die lächerlichen Dopingtests, Schikanierer und Betrüger im Schach nachdachte (ich denke viel nach), erinnerte ich mich an Walter Browne’s Artikel aus der Februar 1975 Ausgabe von Chess Life and Review und wollte daraus einige vornehme Anregungen erhalten. Ok, das ist jetzt ein Witz, denn die Worte "Vornehm" und "Browne" kann man eigentlich nie in einem Satz zusammen verwenden (Ich habe mir einst ein Zimmer mit meinem leider verstorbenen Freund geteilt, also weiß ich wovon ich spreche). Er hat mich aber nicht enttäuscht. Der Mann war die personifizierte Energie und sein Artikel über Fehlverhalten bei der Olympiade 1974 in Nizza war genau das, wonach ich gesucht hatte!
Viele Leute denken ja, dass internationale Schachveranstaltungen stets reibungslos ablaufen, die Spieler Freundschaften schließen und mit Einhornschlitten zum Veranstaltungsort reisen. Nun, Einhörner gibt es wirklich hier und da, aber dass Freundschaften geschlossen werden, ist ein Märchen. Wenn es ums Schach geht, ist sich jeder Mann und jede Frau sich selbst der nächste! Vor allem Olympioniken haben diese "Friss-oder-Stirb-Mentalität".
Browne regte sich in diesem Artikel über die "Vereinbarten Remis" auf (wenn sich die Trainer auf ein Remis an diversen Brettern einigen). Olympiaden sind jetzt aber Mannschaftskämpfe, bei denen sich ein Spieler auch mal dem großen Ganzen fügen sollte (wie bei den BORG) und so kann ich diese Praxis nachvollziehen. Und ein Trainer will ja immer das Beste für seine Mannschaft, egal ob es einem einzelnen Spieler gefällt oder nicht. Dies ist, was Browne wiederfahren ist. Wir sprechen über den Kampf zwischen den USA und Ungarn. Browne regte sich darüber auf, dass sich die Trainer in den Partien Bilek (gegen Kavalek) und Byrne (gegen Csom) auf 2 Remis geeinigt hatten, obwohl die Amerikaner ein besseres Rating hatten.
Der Trainer (Benko) hat Browne dies aber nicht mitgeteilt, was ich aber verständlich finde, da Browne ja noch gespielt hatte und sich gegen Ribli in einer komplizierten Stellung befand während Reshevsky klar besser stand. Benko hatte mit solchen Situationen viel Erfahrung und obwohl sich Brown in seiner Stellung wohlfühlte und zum Helden des Tages avancieren wollte, einigte sich Benko mit dem ungarischen Trainer auf ein Remis an den verbleibenden Brettern. Ich kann hier beide Ansichten durchaus verstehen (besonders, da die Amerikaner weniger Bedenkzeit als ihre Gegner hatten).
Auf jeden Fall endete die Partie und damit der Mannschaftskampf Remis und Browne lies seinem Unmut freien Lauf und fragte auch seine Mannschaftskameraden nach deren Meinung.
Der ganze Unmut entstand, weil Browne dachte, er würde in dieser Stellung besser stehen:
Am nächsten Tag rief Browne Fischer an und auch Bobby gefiel Brownes Stellung. Er analysierte die Stellung mit Gheorghiu und Andersson (auch den beiden gefiel Brownes Stellung). Kavalek und Robert Byrne fanden jedoch, dass Benko das Richtige getan hatte (Browne sagte: "Byrne hatte die Kühnheit, zu behaupten, dass mir der Teamgeist fehlte"). Zu diesem Zeitpunkt erwartete ich, dass Hunderte von GMs und IMs eine Massenschlägerei starten würden!
Auf jeden Fall veröffentlichte Browne die Stellung in seinem Artikel und schrieb: "Die Bewertung dieser Stellung trennt Großmeister!"
Ein typischer Browne-Kommentar, denn er war sicher kein Engel. Aber obwohl die schwarze Stellung sicher leichter zu spielen ist als die weiße, haben in dieser Partie noch beiden Seiten gute Chancen.
BROWNE’S ANALYSE:
- Schwarz hat bereits 2 Bauern für die Figur und einen noch lange anhaltenden Angriff.
- Nachdem Schwarz den weißfeldrigen Läufer mit ...Sxg2 geschlagen hat, kontrolliert er die weißen Felder.
- Die weißen Bauern sind alle schwach und potenzielle Angriffsziele.
- Schwarz hat ein aktives Läuferpaar, das auf den weißen König blickt.
- Die weißen Figuren, besonders der Springer auf b3, stehen deplatziert.
PUZZLE 5
Wer findet die beste Fortsetzung für Schwarz?
PUZZLE 6
Browne gewann die Pan-Amerikanische Meisterschaft mit dem Traumergebnis von 12 Siegen, 3 Remis und 0 Niederlagen. Obwohl ich oft gegen ihn gespielt habe konnte ich ihn nie besiegen (5 Remis, 6 Niederlagen). Auf dem Höhepunkt seiner Karriere spielte er wirklich beeindruckend.
PUZZLE 7
Da sich Browne ja so über Benko aufgeregt hatte, möchte ich noch eine Partie des großen Pal Benko zeigen:
PUZZLE 8
In Polen fraß Tal seine Konkurrenz mit Haut und Haaren und gewann das Turnier mit 3 Punkten Vorsprung.
Schließen wir die Puzzle mit dieser tollen Kombination von Mikhail Tal ab:
Ich könnte jetzt noch weiterschreiben, da jede Seite mit Reichtümern von Schachlegenden gefüllt ist. Wenn es euch irgendwie möglich ist, dann solltet ihr euch diese unglaublichen Magazine besorgen. Keres war aus purem Gold. Tonnen vergessener Spiele werden euch begeistern. Browne setzte jedes Brett in Brand, auf dem er spielte. Viele fantastische Fotos sind zu sehen. Bent Larsen erzählt uns Geschichten und schlägt die besten Spieler seiner Zeit. Gligoric überwältigt uns mit seinen analytischen Fähigkeiten. Und es gibt noch viel, viel mehr!
Meine Empfehlung: Besorgt euch diese Magazine, schließt euch mit einem Schachbrett für eine oder zwei Wochen in einem Zimmer ein (ignoriert das Geschrei eurer Frau/Kinder/Eltern), stellt sicher, dass ihr einen ausreichenden Vorrat an Kaffee und zuckerhaltigem Junkfood habt und genießt jede Seite des Magazins, sobald der Zucker seine Wirkung entfaltet. Wenn ihr das überlebt, werdet ihr mit für diesen Ratschlag danken.
SO...und das nächste Mal gehts mit Chess Life weiter und dann werden wir sehen, ob es mit Chess Life & Review mithalten kann!