Magnus Carlsens unvollendetes Meisterwerk
Alle, die sich das Tata Steel Chess India Rapid & Blitz 2019 angesehen haben, werden den letzten Turniertag sicher nie vergessen.
Zuerst zeigte uns die Live-Übertragung ein seltsames Remis nach fünf Zügen von Magnus Carlsen und dann sahen wir Fotos, wie der Weltmeister auf einer Couch saß und sichtlich unter Schmerzen litt.
Das sorgte auf der ganzen Welt für Schlagzeilen. Carlsen tat mir wirklich leid, denn es sah so aus, als wäre das Turnier, das er so gut begonnen hatte, für ihn bereits vorbei. Seht Euch nur diese "Partie" an:
Wenn Magnus Carlsen nach so wenigen Zügen ein Remis bieten musste, bedeutete das, dass er aufgrund seiner Schmerzen in diesem Moment einfach nicht in der Lage war, Schach zu spielen. Übrigens müssen wir Vidit Gujrathi dafür danken, dass er dem Remis zustimmte und Carlsens miserablen Zustand nicht ausgenutzt hat.
Carlsen beim Tata Steel Chess India Rapid & Blitz 2019. Foto: Lennart Ootes/Grand Chess Tour.
Ich war mir sicher, dass das Turnier für den Weltmeister vorbei war. Doch irgendwie gelang es Carlsen sich relativ schnell zu erholen und schon bald sahen wir wieder das übliche unaufhaltsame Kraftpaket. Eine von Carlsens Partien war besonders bemerkenswert.
Wer kann den nächsten Zug von Schwarz in der folgenden Stellung erraten?
Was hat Schwarz für den geopferten Springer bekommen? Nur einen Bauern? Nun, der weiße König steht offen, der Läufer auf g7 ist stark geworden und der Bauer auf f4 behindert Weiß bei der Koordination seiner Figuren. Das ist wohl eine angemessene Kompensation für einen Springer.
Da stellt sich nur die Frage, wie Carlsen in einer Blitzpartie alle positionellen Vorteile des Opfers richtig einschätzen konnte. Eigentlich musste er das aber gar nicht machen, da dieses Opfer in der königsindischen Verteidigung bekannt ist und sehr häufig gespielt wird.
Hier sind einige Beispiele aus klassischen Partien:
Kommen wir also wieder zur Partie So gegen Carlsen.
Nach dem Springeropfer auf f4 verschlechterte sich die Stellung von Weiß mit jedem Zug und So war schon bald in großen Schwierigkeiten. Der Amerikaner ist aber für seinen Einfallsreichtum bekannt und deshalb glaube ich nicht, dass Carlsen einen leichten Sieg erwartet hat.
Und promt überraschte So den Weltmeister mit einem unerwarteten Opfer. Versucht, in der folgenden Stellung den besten Zug für Schwarz zu finden:
Magnus Carlsen hat den besten Zug nicht gefunden. (Es war ja auch eine Blitzpartie!)
Obwohl Weiß einen riesigen Vorteil hat, einigten sich die Spieler in dieser Stellung auf ein Remis. Ich glaube, dass So einfach nur froh war, die verlorene Stellung gerettet zu haben und deshalb überhaupt nicht nach einem Gewinn gesucht hat.
Es ist aber echt schade, dass Carlsen die Partie nicht gewonnen hat. Ansonsten könnten wir sie in die Sammlung der Sf4 Opfer in der königsindischen Verteidigung aufnehmen. Ich hoffe aber, dass ihr alle mit diesem Springeropfer in der königsindischen Verteidigung Erfolg haben werdet.