Könnt Ihr Betrug erkennen?
Hinweis: Wie immer, aber in diesem speziellen Zusammenhang sollte klar gesagt werden, dass die von GM Serper in seinen Artikeln geäußerten Aussagen allein seine persönlichen Ansichten und nicht unbedingt die Ansichten von Chess.com widerspiegeln.
Schach ist wieder in den weltweiten Schlagzeilen, aber leider aus völlig falschen Gründen. Die Kontroverse um die Großmeister Magnus Carlsen und Hans Niemann wurde so groß, dass die FIDE sogar ein spezielles Untersuchungsgremium gebildet hat und es gibt nicht viele, die noch keine eigene Meinung zu diesem Thema haben.
Da ich kein Material zu dieser Kontroverse habe, das Ihr nicht auch anderswo finden könntet, werde ich keine Theorien zu diesem Thema aufstellen und stattdessen die FIDE ihre Untersuchungen durchführen lassen. Allerdings stimme ich Carlsen voll und ganz zu, dass Betrug eine existenzielle Bedrohung für unser Spiel darstellt und deshalb möchte ich meine Gedanken zu diesem Thema teilen.
My statement regarding the last few weeks. pic.twitter.com/KY34DbcjLo
— Magnus Carlsen (@MagnusCarlsen) September 26, 2022
*Eine Übersetzung dieses Statements findet Ihr in diesem Artikel.
Erwartet aber bitte nicht, dass ich hier sehr originell bin. Soweit ich weiß, wird die Meinung, die ich zum Ausdruck bringen werde, von den meisten Schachprofis geteilt. Die Strafe für Betrug sollte viel, viel härter sein als das, was wir heutzutage haben. Wir hatten einen jungen Großmeister, der während seiner Partie bei einem großen internationalen Turnier dabei erwischt wurde, wie er sein Handy benutzte. Zur Strafe wurde er für nur drei Jahre von offiziellen Schachturnieren ausgeschlossen. Und bei der Schacholympiade, dem bei weitestem größten und beliebtesten FIDE-Event, wurde gleich eine ganze Gruppe von Spielern wurde beim Betrügen erwischt. Die wurden von der FIDE doch sicherlich sehr streng bestraft, oder? Nun, sie bekamen verschiedene Suspendierungen, die von anderthalb bis drei Jahren reichten!
Meiner Meinung nach ist diese Art von Bestrafung kaum mehr als ein Schlag auf die Hand. Wenn ein Schachspieler beim Betrügen erwischt wird, und ich meine wirklich mit harten Beweisen erwischt – wie in allen eben genannten Fällen – dann sollte die Strafe wirklich hart sein. Wenn ein Betrüger noch minderjährig ist, dann reicht wahrscheinlich eine Sperre von nur zwei bis drei Jahren. Aber wenn der Täter bereits erwachsen ist, dann sollte das gleich erste Vergehen zu einer lebenslangen Sperre führen und der FIDE-Titel und die Elo vollständig gelöscht werden!
Ich möchte den Hauptpunkt meines Vorschlags unterstreichen. Ein Schachspieler sollte nur bestraft werden, wenn klare, unbestreitbare Beweise für seinen Betrug vorliegen. Aber wenn solche Beweise existieren, dann sollte die Strafe sehr streng sein. Nur so können die Menschen über mögliche negative Folgen nachdenken. Gedanken wie: "Selbst wenn ich erwischt werde, ist das keine große Sache, da ich ja dann die nächsten paar Jahre mit Schachunterricht überbrücken kann" sollten einem potenziellen Betrüger niemals in den Sinn kommen. Es sollte klar sein: Wenn man erwischt wird, werden alle Schachtitel und Ratings gestrichen und selbst ein Großmeister wird für potenzielle Schüler wie ein Anfänger aussehen!
A chess player shouldn't be punished unless there is clear, unquestionable evidence. But if such evidence does exist, then the punishment should be very severe.
Und noch einmal, da es nicht genug wiederholt werden kann, denn das ist der wichtigste Teil: Die Beweise für Betrug sollten über jeden vernünftigen Zweifel erhaben sein. Nur eine Reihe fantastischer Ergebnisse selbst beweist noch lange nichts. Andernfalls hätten wir ja auch Bobby Fischer wegen seiner aufeinanderfolgenden 6:0-Siege gegen die Großmeister Mark Taimanov und Bent Larsen im Jahr 1971 als Betrüger bezeichnen müssen.
Ein extrem starkes Spiel in einer bestimmten Partie ist ebenfalls kein Beweis für Betrug. Zum Beispiel hat ja auch Carlsen selbst in vielen seiner Partien so gut gespielt, dass ich mich manchmal frage, ob er in irgendeinem Labor als Ultimate Chess Player produziert wurde, ähnlich wie der Protagonist dieses bekannten Lieds:
Jetzt möchte ich Euch herausfordern. In vier der acht folgenden Partien wurde einer der Spieler beim Betrügen erwischt. Könnt Ihr herausfinden, in welchen Partien einer der Spieler Computerunterstützung verwendet hat und die Betrüger fassen? Die Antworten sind unter den Partien.
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Antworten:
- Kholmov -Bronstein, UdSSR Meisterschaft 1964/1965. Das war einer der brillantesten Siege des berühmten sowjetischen Großmeisters
- B. Ivanov - Kurajica, Zadar Open 2012. Das war einer von vielen Siegen über Großmeister durch einen der berühmtesten Schachbetrüger.
- Bischoff - Nogueiras, Kuba 1998. Dieses schöne Damenopfer eines sehr respektablen deutschen Großmeisters wurde danach jahrelang in Schachlehrbüchern thematisiert!
- Allwermann - Kalinitschew, Böblingen 1999. Das war einer der ersten hochkarätigen Fälle von Computerbetrug im Schach.
- Smirin - Varshavsky, World Open 2006. Das war ein einzigartiger Fall, denn dieser Schachspieler hat auch bei einem Sudokuturnier betrogen!
- Ivanchuk - Shirov, Wijk aan Zee 1996. Der ukrainische Großmeister hat in seiner Karriere Hunderte von brillanten Zügen gespielt, aber dieser ist wahrscheinlich der denkwürdigste!
- Agrest - Ponomariov, Plovdiv 2003. Ein sehr berühmter Fall, denn der FIDE-Weltmeister hatte vergessen, sein Handy auszuschalten. Die Partie wurde an seinem Geburtstag gespielt und einer seiner Freunde rief an, um ihm alles Gute zum Geburtstag zu wünschen. Das Handy klingelte und infolgedessen war die Partie für den armen Ponomariov sofort verloren. Hier war kein Betrug im Spiel. Es war nur ein schmerzlicher Fall von Unachtsamkeit.
- Petrosian - Nigalidze, Dubai 2015. Während dieser Partie wurde in einer Toilette ein Handy von GM Nigalidze gefunden. Darauf befand sich eine Stellung aus der Partie.
Ist es Euch leichtgefallen, brillante Züge und Partien von computergestützten zu unterscheiden? Das ist mein Punkt! Starke Züge und brillante Partien sind kein Beweis dafür, dass ein Spieler betrogen hat!
Dies ist die größte Herausforderung, um unbestreitbare Beweise für Betrug zu erbringen. Aber fragt mich nicht, wie das geht – da ich kein Experte bin, weiß ich es einfach nicht. Was ich weiß, ist, dass der einzige Weg, potenzielle Betrüger abzuschrecken, darin besteht, die Strafe für Betrug viel strenger zu machen, als sie es jetzt ist.